Das Bochumer Umwelt-Projekt

 

(nach Anke Blöbaum (1998). Die Arbeitsgruppe "Multidisziplinäre Ansätze zur Verhaltensänderung" im DFG-Schwerpunktprogramm "Mensch und globale Umweltveränderungen": Programm und Skalenentwicklungen für ZIS. ZUMA-Nachrichten, 43, S. 153 - 158).

 

Das Bochumer Projekt besteht aus zwei Teilprojekten, dem ersten Teilprojekt "Verantwortung und Umweltverhalten" und dem Folgeprojekt "Die Interaktion von ökologischer Normorientierung und situativen Faktoren". Untersuchungsgegenstand des ersten Teilprojekts ist die Analyse des Zusammenhangs zwischen ökologischer Verantwortung und spezifischen Formen des individuellen Umweltverhaltens (Energie- und Pkw-Nutzung). Den theoretischen Hintergrund der Untersuchung bildet die vollständige Übertragung des von Schwartz formulierten Prozessmodells zum altruistischen Verhalten auf den Bereich individueller, umweltverantwortlicher Handlungen.

Abbildung 1. Prozessmodell zum altruistischen Verhalten

 

In dem modifizierten Schwartz-Modell steht nicht mehr die Aktivierung einer altruistischen, sondern einer umweltrelevanten, also ökologischen Norm im Zentrum der Erklärung. Es beschreibt den Prozess der Überführung einer allgemein akzeptierten sozialen Norm ("umweltbewusst zu leben") in eine für das Individuum relevante persönliche Norm ("ich sollte umweltbewusst leben"). Es wird angenommen, dass eine Reihe von kognitiven Moderatorvariablen diese Überführung beeinflussen und dass die persönliche ökologische Norm schließlich - unter dem Einfluss von Kosten-Nutzen-Analysen und Rechtfertigungsstrategien - verhaltenswirksam wird.


 

Abbildung 2. Modifiziertes Modell zum altruistischen Verhalten

 

Die Modellvariablen wurden über einen standardisierten Fragebogen im Rahmen einer telefonischen Befragung mit 240 Personen in Bochum erhoben. Zur Prüfung der Verhaltenswirksamkeit der persönlichen ökologischen Norm wurde anschließend ein vierwöchiger Modellversuch eingeführt, in dem die Untersuchungspersonen ihren privaten Stromverbrauch und ihre individuelle Pkw-Nutzung einschränken sollten. Dabei wurden sowohl objektive Messdaten wie subjektive Verhaltensdaten erfasst. Die Übertragbarkeit des Modells konnte in wesentlichen Teilen bestätigt werden, und es ließen sich zentrale Modellvariablen als Prädiktoren für eine persönliche ökologische Norm identifizieren.

Gegenstand des Folgeprojekts "Die Interaktion von ökologischer Normorientierung und situativen Faktoren" ist die Prüfung der Stabilität dieser Prädiktoren und die Erweiterung des Modells um zusätzliche Bewertungsprozesse. Es wurde eine Mischung aus Feldstudie und Feldexperiment durchgeführt, in der von 203 Personen über einen Zeitraum von vier Wochen das Verkehrsmittelwahlverhalten (ÖPNV-Nutzung vs. Pkw-Nutzung) als abhängige Variable erfasst wurde. Als situative Faktoren wurden der finanzielle Kostenaufwand der ÖPNV-Nutzung und die Haltestellenerreichbarkeit experimentell bzw. quasiexperimentell variiert. Die Untersuchungspersonen wurden in persönlichen standardisierten Interviews zu den Modellvariablen des Norm-Aktivations-Modells befragt. Anschließend wurde ihr Verkehrsmittelwahlverhalten über vier Wochen systematisch (über KONTIV) erfasst.