Kritik F-Scale

 

1.     Die Validität der F-Skala wurde ausschließlich unter Rückgriff auf einen Vergleich der Ergebnisse tiefenpsychologischer Interviews zu belegen versucht, die mit Personen mit extrem niedrigen oder extrem hohen Werten auf der F-Skala durchgeführt wurden. Diese stammten zudem überwiegend aus der Mittelschicht. Die Items der F-Skala sind ferner nicht als Ich-Assagen formuliert, wie dies für Persönlichkeitsaussagen üblich ist, sondern als Einstellungsaussagen.

2.     Zentrale Annahmen der Berkeley-Gruppe sind wenig plausibel. Dies betrifft insbesondere a) die Gleichsetzung der AP mit einem pathologischen Persönlichkeitssyndrom, dessen Genese b) vollständig als in der primären familiären Sozialisation liegend angesehen wird sowie einer fehlenden theoretischen und empirischen Differenzierung zwischen c) autoritären und anderen Eigengruppenorientierungen sowie d) Eigen- und Fremgruppenorientierungen (zsf. z.B. Brown, 1995; Duckitt, 1989, 1992). Dementsprechend sind diese Dimensionen wahrscheinlich auch in den von Kagitcibasi und Lederer vorgeschlagenen Teilskalen konfundiert, auf denen die meisten der im ZIS dokumentierten Kurzformen basieren. Diesen wurden darüber hinaus auch gleiche Items zugeordnet und ihre Homogenität wurde nicht faktorenanalytisch geprüft. Stattdessen wird ihre Eindimensionalität unter Bezug auf die Annahmen der Berkeley-Gruppe vorausgesetzt. Ausserdem wurde eine Reihe der Itemformulierungen bereits vor Jahrzehnten geprägt. Dadurch ist nicht auszuschließen, dass diese heute anders interpretiert werden.

3.     Ausgehend von den ebenfalls bereits in den 50er Jahren publizierten Arbeiten Allports (1954) belegte z.B. Pettigrew (1958) wegweisend die kulturelle, unabhängig von autoritären Orientierungen vermittelte Prägung von Vorurteilen in Südafrika und den USA. Eine Reihe weiterer Studien bestätigten diese Beobachtungen. Sie zeigen, dass autoritäre Orientierungen und Vorurteile sowie die Beziehung zwischen diesen Konstrukten in und zwischen Bevölkerungsgruppen variieren, die unter anderen oder geänderten politischen und ökonomischen Bedingungen leben oder in unterschiedlichen geografischen Regionen z.B. der USA und Südafrikas (zsf. Brown, 1995; Duckitt, 1992; Pettigrew, 1998).

4.     Mit Aussagen vom Typ der F-Skala erfasste autoritäre Orientierungen und ihre Beziehung zu direkten Indikatoren vorurteilbehafteten Verhaltens (zsf. z.B. Brown, 1995; Duckitt, 1989, 1992; Hamilton, 1981) konnten in experimentellen Studien durch die Manipulation sozialpsychologischer Variabler wie z.B. der Induktion von Bedrohtheits- oder Angstgefühlen beeinflusst werden. Diese kulturelle und situative Variabilität und Spezifität spricht ebenfalls gegen eine alleinige persönlichkeitstheoretische Erklärung der Ätiologie und Aufrechterhaltung autoritärer Orientierungen und Vorurteile. Auch die weite Verbreitung von Vorurteilen ist nur schwer mit einer Persönlichkeitspathologie vereinbar, die definitionsgemäß auf extremen, aber seltenen Eigenschaftsausprägungen basiert.