Theory of Planned Behavior nach Ajzen
Die „Theorie des begründeten Verhaltens“ (TORA) nach Ajzen und Fishbein (1980) und deren Erweiterung zur „Theorie des geplanten Verhaltens“ (TOPB) durch Ajzen (1985, 1988, 1991, siehe auch weiterführende Literatur) sind sozialpsychologische Ansätze zur Beschreibung der kognitiven Strukturen und Prozesse, die der Ausführung einer Verhaltensalternative zugrunde liegen. Sie beschreiben wie
1) die Ausführung einer Handlungsalternative durch die Verrechnung des „Nutzens“ möglicher Handlungsalternativen in einer spezifischen Situation determiniert wird („Enscheidungsmodell“) und wie
2) der „Nutzen“ von Handlungsalternativen seinerseits aus dem Zusammenwirken von Verhaltenspräferenzen und Verhaltensrestriktionen bestimmt wird („Nutzenmodell“),
3) wie Verhaltenspräferenzen ihrerseits als Ergebnis einer restriktionsunabhängigen Wharnehmung und Bewertung der Konsequenzen von Verhaltensalternativen gebildet und eingesetzt werden, die mit einer Handlung verbunden sind („Präferenzmodel“),
4) wie Verhaltensrestriktionen ihrerseits das Handeln durch die Wahrnehmung und Bewertung von Verhaltenseinschränkungen und Ressourcen beeinflussen („Restriktionsmodell“).
1 Das „Entscheidungsmodell“ der TORA bzw. der TOPB
Das Entscheidungsmodell der TORA bzw. der TOPB sagt vorher, wie Intentionen bzw. der Nutzen von Verhaltensalternativen die Ausführung einer spezifischen Verhaltensalternative determiniert. Dem Entscheidungsmodell liegt dabei die zentrale Annahme zugrunde, dass Akteure zu jeder Handlungsalternative eine Verhaltensintention bilden.
In der ursprünglichen Fassung des Modells, d.h. in der TORA, wird die Intention dabei als einzige direkte Determinante der Ausführung einer Verhaltensalternative in einer spezifischen Situation angesehen:
(HT1.1) Die Ausübung einer Verhaltensalternative in einer spezifischen Situation ist umso wahrscheinlicher, je stärker die Intention zu ihrer Realisierung ist, d.h. die Handlungsalternative mit der maximalen Intention wird ausgeführt.
Diese Hypothese setzt jedoch voraus, dass Akteure vollständige willentliche Kontrolle über ihr Verhalten haben. Auf eine Reihe von Verhaltensalternativen trifft dies jedoch nicht zu. Deshalb erweiterte Ajzen (1985) mit der Einführung des Konstrukts der „Wahrgenommenen Verhaltenskontrolle“ (perceived behavior controll, PBC) die TORA zur TOPB. Nach dieser wird die Ausführung einer Verhaltensalternative nicht nur durch die Intention determiniert, diese Verhaltensweise ausüben zu wollen, sondern zusätzlich durch die von Akteuren wahrgenommene Kontrolle über die Realisierbarkeit konkreter Verhaltensalternativen in spezifischen Situationen.
Dieses erweiterte Entscheidungsmodell der TOPB berücksichtigt also, dass die Ausführung von Verhaltensalternativen häufig nicht nur eine hinreichende Motivation zu deren Realisierung voraussetzt, sondern auch spezifische Fähigkeiten, Fertigkeiten oder externe Ressourcen.
HT1.1 ist entsprechen zu HT1.2 zu erweitern:
(HT1.2) Die Ausübung einer Verhaltensalternative in einer spezifischen Situation ist umso wahrscheinlicher, je stärker die Intention zu ihrer Realisierung ist und je höher die subjektiv wahrgenommene Kontrolle über die Realisierung einer Verhaltensalternative in dieser Situation ist.
2 Das „Nutzenmodell“ der TORA bzw. der TOPB
Nach der TOPB ist die in einer Situation bestehende Handlungstendenz bzw. Intention eine additive Funktion von „Einstellung“ (attitude towards behavior), „Sozialer Norm“ (social norm) und „Wahrgenommener Verhaltenskontrolle“ (perceived behavioral control). Der relativen Wichtigkeit dieser drei Konstrukte wird durch empirisch zu ermittelnde Gewichtungen (z.B. standardisierte Regressionskoeffizienten) Rechnung getragen.
Daraus lassen sich die folgenden theoretischen Hypothesen HT3 bis HT5 ableiten: Die Intention einer Person in einer spezifischen Situation eine spezifische Verhaltensalternative auszuführen, ist umso größer, je positiver ihre Einstellung zu dieser Verhaltensalternative in dieser Situation ist (HV3) und je stärker ihre Überzeugung ist, dass wichtige Dritte erwarten, dass sie in dieser Situation diese Verhaltensalternative ausübt (HV4) und je mehr die Person glaubt, dass die Ausführung dieser Verhaltensalternative in dieser Situation einfach für sie ist (HV5).
3 Das Präferenzmodell der TORA bzw. der TOPB
In der TORA und in der TOPB wird die restriktionsunabhängige Bewertung von Handlungsalternativen durch die Einstellungskomponente abgebildet. Die Einstellung gegenüber einer Verhaltensalternative (AB) ergibt sich jeweils aus der Summe der Produkte aus ihrer Auftretenswahrscheinlichkeit und der Bewertung von „behavioralen Überzeugungen“, d.h. von den mit Verhaltensalternativen verbundenen relevanten Konsequenzen. Daraus ist die allgemeine Hypothese HT6 ableitbar:
(HT6) Die Einstellung einer Person zur Ausführung einer Verhaltensalternative in einer spezifischen Situation ist umso positiver, je wahrscheinlicher diese Verhaltensalternative für sie in dieser Situation mit von ihr positiv bewerteten Konsequenzen verbunden ist.
4 Das „Restriktionsmodell“ der TORA bzw. der TOPB
Die TOPB unterscheidet zwischen zwei unabhängigen Klassen von Handlungsrestriktionen; a) sozialen Normen und b) der wahrgenommenen Verhaltenskontrolle. Die erste Klasse von Handlungsrestriktionen wurde auch schon in der TORA berücksichtigt.
Das Konstrukt „Soziale Norm“ bezieht sich auf die von einem Individuum wahrgenommenen Erwartungen der sozialen Umwelt, ein bestimmtes Verhalten ausführen oder zu unterlassen. Die „Wahrgenommene Verhaltenskontrolle“ bezieht sich auf die Überzeugungen einer Person, wie leicht oder schwer eine Verhaltensalternative in einer gegebenen Situation von ihr ausgeführt werden kann.
Nach der TOPB sind „Soziale Norm“ und „Wahrgenommene Verhaltenskontrolle“ wie die „Einstellung zum Verhalten“ Funktionen von Überzeugungen und deren Bewertungen. Der „Soz8ialen Norm“ liegen dabei die Überzeugungen zugrunde, inwieweit relevante Bezugspersonen von Handelnden die Ausführung des Verhaltens befürworten oder ablehnen würden. Die Verhaltenswirksamkeit solcher normativer Erwartungen hängt von ihrer Bewertung durch Handelnde ab, d.h. von ihrer Motivation, sich gemäß diesen normativen Erwartungen zu verhalten:
Die „Wahrgenommene Verhaltenskontrolle“ (PBS) von Handelnden basiert auf Überzeugungen, inwieweit sie über die zur Ausführung einer Verhaltensweise benötigten Ressourcen (Zeit, Geld), Fertigkeiten (Wissen, Fähigkeiten) oder Verhaltensmöglichkeiten (Gelegenheiten) verfügen. Jede dieser Kontrollüberzeugungen wird mit der wahrgenommenen Stärke dieser Überzeugungen multipliziert, d.h. mit der subjektiven Wahrscheinlichkeit von Handelnden, dass ihnen relevante Kontrollfaktoren die Ausführung einer Verhaltensweise erleichtern oder erschweren (würden).
Daraus ergeben sich die folgenden allgemeinen Hypothesen:
HT7: Die „Soziale Norm“ zur Ausführung einer Verhaltensalternative in einer spezifischen Situation ist umso stärker, je sicherer eine Person glaubt, dass für sie wichtige Dritte von ihr erwarten, dass sie in dieser Situation diese Verhaltensalternative ausführt und je stärker die Motivation dieser Person ist, mit diesen wichtigen Dritten in dieser Frage übereinzustimmen.
HT8: Die von einer Person subjektiv „wahrgenommene Kontrolle“ über die Ausführung einer Verhaltensalternative in einer spezifischen Situation ist umso höher, je weniger Hindernisse und je mehr Ressourcen und Gelegenheiten zur Ausführung dieser Verhaltensalternative die Person in dieser Situation wahrnimmt.