Deutsche Staatsbürger*innen genießen in Deutschland, im Unterschied zur ausländischen Bevölkerung, eine Reihe von Rechten (z.B. Berufsfreiheit, Wahlrecht, Reisefreiheit und konsularischer Schutz im Ausland), die die Lebensbedingungen von Menschen stark prägen. Daher wird das Vorliegen der deutschen Staatsbürgerschaft in vielen Befragungen erfasst. Jedoch unterscheiden sich auch die Rechte unterschiedlicher Gruppen von Ausländer*innen in Deutschland je nach ihrer konkreten ausländischen Staatsbürgerschaft. So haben Staatsbürger*innen anderer EU-Mitgliedstaaten („Unionsbürger*innen“) mehr Rechte als Bürger*innen von Drittstaaten, und unter diesen genießen Staatsbürger*innen der Schweiz, Islands, Norwegens und Liechtensteins wiederum mehr Rechte als andere. Dieser Beitrag stellt standardisierte Fragebogenitems zur Erhebung der Staatsbürgerschaft und des Vorliegens einer Arbeitserlaubnis sowie Standardvariablen zur Staatsbürgerschaft vor. Standarditems und Standardvariablen dienen der Steigerung der Vergleichbarkeit über unterschiedliche Studien in Deutschland hinweg.
In Germany, German citizens, unlike the foreign population, enjoy a range of civic rights (e.g. freedom to work, the right to vote, freedom to travel and consular protection abroad), which have a significant impact on people's lives. The existence of German citizenship is therefore recorded in many surveys. However, the rights of different groups of foreigners in Germany also differ depending on their specific foreign citizenship. For example, citizens of other EU member states (‘EU citizens’) have more rights than citizens of third countries, and among these, citizens of Switzerland, Iceland, Norway and Liechtenstein enjoy more rights than others. This document presents standardised questionnaire items on citizenship and the possession of a work permit, and standard variables on citizenship. Standard items and standard variables serve to increase comparability across different studies in Germany.
Die Staatsbürgerschaft beschreibt “the particular legal bond between an individual and his or her State, acquired by birth or naturalisation, whether by declaration, choice, marriage or other means according to national legislation” (United Nations Economic Commission for Europe, 2015). Diese ist mit einer Reihe staatsbürgerlicher Rechte (z.B. Reisefreiheit, Berufsfreiheit, Wahlrecht und konsularischer Schutz) verbunden, die die Lebensbedingungen von Menschen stark prägen. Je nach Forschungsfrage reicht die Information zum (Nicht-)Vorliegen der deutschen Staatsangehörigkeit jedoch alleine nicht aus, um die rechtliche Situation einer in Deutschland lebenden Person einschätzen zu können: In allen EU-Mitgliedsstaaten, auch in Deutschland, haben Staatsbürger*innen aller EU-Länder („Unionsbürger*innen“ nach dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, AEUV, 2009) erweiterte Rechte (z.B. Niederlassungsfreiheit, Arbeitnehmerfreizügigkeit, Kommunal- und Europawahlrecht). Für Staatsbürger*innen von der meisten Drittstaaten hingegen ist selbst die Möglichkeit, sich in Deutschland aufzuhalten, an die Erteilung eines Aufenthaltstitels (z.B. Visum, Aufenthaltserlaubnis, Niederlassungserlaubnis) gebunden. Die Ausübung einer Erwerbstätigkeit setzt bei der (immer befristeten) Aufenthaltserlaubnis zudem das Vorliegen einer Arbeitserlaubnis voraus; bei der (immer unbefristeten) Niederlassungserlaubnis ist diese immer gegeben. Staatsbürger*innen der Mitgliedsstaaten des europäischen Wirtschaftsraums (EWR, d.h. neben den Unionsbürger*innen auch Staatsbürger*innen von Island, Liechtenstein und Norwegen) brauchen keinen Aufenthaltstitel; Schweizer Staatsbürger*innen erhalten eine freizügigkeitsähnliche Stellung. Bei Bedarf müssen also auch diese weiteren Informationen – genaue Staatsangehörigkeit, Aufenthaltstitel oder Vorliegen einer Arbeitserlaubnis – erfasst werden.
In Deutschland fällt die Staatsbürgerschaft mit der Staatsangehörigkeit zusammen, so dass beide Begriffe häufig synonym verwendet werden (s. „Theorie“). Dieser Beitrag verwendet den Begriff der Staatsbürgerschaft, wenn es um das theoretische Konzept als solches geht, und den Begriff der Staatsangehörigkeit, wenn es um die Formulierung von Gesetzen und Fragebogenitems in Deutschland geht. Die Staatsbürgerschaft ist heute von der direkten oder indirekten Zuwanderungserfahrung zu trennen (zur Erfassung migrationsbezogener Merkmale s. ZIS-Beitrag zur Zuwanderungserfahrung, Schneider & Solanes Ros, 2025, s. dazu auch der Abschnitt „Theorie“). Vor der Reform des deutschen Staatsangehörigkeitsrechts 1999 war die Staatsangehörigkeit zumeist gleichzeitig Indikator für die direkte oder indirekte Zuwanderungserfahrung einer Person, was jedoch schon für die Situation von (Spät-)Aussiedler*innen sowie eingebürgerte Personen problematisch war (Maehler et al., 2016). Das Land, in dem eine Person geboren wurde, d.h. der heutige Hauptindikator für die eigene Zuwanderungserfahrung, wurde zu dieser Zeit meist gar nicht in Umfragen erhoben.
In diesem Abschnitt werden zunächst die von den „Demographischen Standards“ (Hoffmeyer-Zlotnik et al., 2024) und dem Standardfragenkatalog des RatSWD (Rat für Sozial- und Wirtschaftsdaten, 2023) empfohlenen Fragebogenitems zur Erhebung der Staatsbürgerschaft und der Arbeitserlaubnis dargestellt. Diese soziodemographischen Standard-Fragebogenitems dienen der Vereinheitlichung der Stimuli bei der Erfassung soziodemographischer Merkmale mittels Fragebögen im Sinne einer Input-Harmonisierung. Danach werden für dieses Merkmal Standardvariablen vorgestellt, die über Datensätze hinweg konsistente Metadaten in Form standardisierter Variablennamen und -labels sowie Werte und Wertelabels spezifizieren. Soziodemographische Standardvariablen dienen der Vereinheitlichung soziodemographischer Variablen in Umfragedaten im Sinne einer Output-Harmonisierung. Standarditems und Standardvariablen ergänzen einander und haben zum Ziel, die Messung soziodemographischer Merkmale über Studien hinweg vergleichbar zu machen. Weitergehende Informationen zu soziodemographischen Standarditems und -variablen finden sich in Schneider et al. (2023).
1.1 Standard-Fragebogenitems
Das Vorliegen der deutschen Staatsbürgerschaft, der Staatsbürgerschaft eines EU-Mitgliedsstaates bei ausländischen Personen sowie das Vorliegen einer Arbeitserlaubnis für Drittstaatsbürger*innen werden gemäß Demographischer Standards (Hoffmeyer-Zlotnik et al., 2024) durch drei dichotome Einzelfragen erhoben (Fragen 3, 3 D und 3 E). Diese ermöglichen es, Befragte danach zu unterscheiden, ob sie die deutsche Staatsbürgerschaft oder die eines anderen EU-Staates besitzen und, wenn nicht, ob sie eine Arbeitserlaubnis haben, um ihre rechtliche Situation in Deutschland zu erfassen. Befragte mit deutscher Staatsangehörigkeit können zudem gefragt werden, ob sie zusätzlich eine weitere, d.h. eine doppelte Staatsangehörigkeit haben (Frage 3 C). Diese Frage ist für die rechtliche Situation der Person in Deutschland unerheblich, sagt aber etwas über ihre möglichen Rechte bezüglich eines anderen Staats aus und kann als Indikator für eigene oder über die (Groß-)Eltern vermittelte Zuwanderungserfahrungen verwendet werden (Details hierzu im Abschnitt „Theorie“).
Im Standardfragenkatalog des RatSWD (Rat für Sozial- und Wirtschaftsdaten, 2023) wird empfohlen, Ausländer*innen (und ggf. auch Deutsche mit einer zusätzlichen ausländischen Staatsbürgerschaft) nach der genauen Staatsbürgerschaft zu fragen (Fragen STA_3 und STA_4). Dadurch entfällt hier die Frage nach dem Vorliegen einer EU-Staatsbürgerschaft. Die Frage nach der Arbeitserlaubnis ist im Standardfragenkatalog des RatSWD nicht vorgesehen, da dieser vor der letzten Aktualisierung der Demographischen Standards 2024 entstanden ist. Tabelle 1 zeigt die grundlegenden Eigenschaften dieser Fragebogenitems im Überblick:
Tabelle 1
Eigenschaften der Erhebungsinstrumente für Staatsangehörigkeit und Arbeitserlaubnis
Nr. |
Merkmal |
offen/halboffen/ geschlossen |
numerisch/ kategorial |
Antwort- |
Quelle |
3/STA_1 |
Deutsche Staatsangehörigkeit |
geschlossen |
kategorial |
2 (ja/nein) |
Demographische Standards/Standardfragenkatalog (RatSWD) |
3 C/STA_2 |
Zusätzliche andere Staatsangehörigkeit |
geschlossen |
kategorial |
2 (ja/nein) |
Demographische Standards/Standardfragenkatalog (RatSWD) |
STA_3 |
Zusätzliche Staatsangehörigkeit detailliert |
CAI: geschlossen; PAPI: offen |
kategorial |
CAI: Länderliste |
Standardfragenkatalog (RatSWD) |
STA_4 |
Andere Staatsangehörigkeit detailliert |
CAI: geschlossen; PAPI: offen |
kategorial |
CAI: Länderliste |
Standardfragenkatalog (RatSWD) |
3 D |
EU-Staatsangehörigkeit |
geschlossen |
kategorial |
2 (ja/nein) |
Demographische Standards |
3 E |
Arbeitserlaubnis |
geschlossen |
kategorial |
2 (ja/nein) |
Demographische Standards |
In den Demographischen Standards sind darüber hinaus zwei weitere Fragen zum Erhalt der deutschen Staatsangehörigkeit enthalten (3 A und 3 B), um eingebürgerte Staatsangehörige und Aussiedler*innen identifizieren zu können. Diese Fragen sind für die rechtliche Situation der Person in Deutschland unerheblich, wurden aber verwendet, um zugewanderte von nicht-zugewanderten deutschen Staatsangehörigen zu unterschieden, als noch nicht nach dem Geburtsland gefragt wurde (s.o.). Diese vertiefenden Fragen werden hier nicht weiter thematisiert.
Tabelle 2 zeigt die empfohlenen Fragebogenitems zur Erfassung der Staatsangehörigkeit und Arbeitserlaubnis der Demographischen Standards (Hoffmeyer-Zlotnik et al., 2024, S. 45f). Die Filteranweisungen am Ende jeder Frage geben an, welche Befragtengruppe zu welcher Frage der Demographischen Standards weitergeleitet wird. In Klammern wird ergänzend auf den Inhalt der Zielfrage hingewiesen.
Tabelle 2
Items zur Erfassung der Staatsangehörigkeit und Arbeitserlaubnis in den Demographischen Standards
|
Demographische Standards 2024 |
|
Nr. |
Frage |
|
3 |
Haben Sie die deutsche Staatsangehörigkeit? |
|
|
1: ja |
☐ |
|
2: nein |
☐ |
Filter: |
Code 2 weiter mit Frage 3 D (EU-Staatsangehörigkeit) |
|
3 C |
Haben Sie zusätzlich eine andere Staatsangehörigkeit? |
|
|
1: ja |
☐ |
|
2: nein |
☐ |
Filter: |
Code 1 und 2 weiter mit Frage 4 (Geburtsland)* |
|
3 D |
Haben Sie die Staatsangehörigkeit eines Landes der Europäischen Union? Infokasten erscheint bei mouseover Liste 3 D |
|
|
1: ja |
☐ |
|
2: nein |
☐ |
Filter: |
Code 1 weiter mit Frage 4 (Geburtsland)** |
|
3 E |
Haben Sie eine Arbeitserlaubnis? |
|
|
1: ja |
☐ |
|
2: nein |
☐ |
Anmerkungen: * Falls nach dem Frageblock zur Staatsangehörigkeit/Arbeitserlaubnis nicht nach dem Geburtsland gefragt wird, weiter zur nächsten Frage im Fragebogen, die sich (auch) an deutsche Staatsangehörige richtet. ** Falls nach dem Frageblock zur Staatsangehörigkeit/Arbeitserlaubnis nicht nach dem Geburtsland gefragt wird, weiter zur nächsten Frage im Fragebogen, die sich (auch) an Ausländer*innen mit EU-Staatsangehörigkeit richtet. |
Die Demographischen Standards sehen nur Ja/Nein-Fragen vor, so dass die konkrete ausländische Staatsbürgerschaft, falls relevant, unbekannt bleibt. Dieses Vorgehen kann je nach Forschungsfrage angemessen sein, da so ggf. keine unnötigen Daten erfasst werden, was dem datenschutzrechtlichen Prinzip der Datensparsamkeit entgegenkommt. Bei Frage 3 D erfordert dies jedoch den Einsatz einer Länderliste, um Definitionsprobleme bei der EU-Zugehörigkeit einzelner Länder zu vermeiden (Hoffmeyer-Zlotnik et al., 2024, S. 15). Aus dem Filter aus Frage 3 D ergibt sich, dass auch Bürger*innen Islands, Liechtensteins und Norwegens (als Mitglieder des europäischen Wirtschaftsraums, EWR, die nicht gleichzeitig EU-Länder sind) und der Schweiz (durch ein separates Freizügigkeitsabkommen zwischen der EU und der Schweiz), die keine formale Arbeitserlaubnis benötigen, nach dem Vorliegen einer Arbeitserlaubnis gefragt werden (Frage 3 E). Möglicherweise würden diese Personen diese Frage durchaus im gemeinten Sinne (d.h. mit „ja“) beantworten. Möchte man auf diese Annahme jedoch verzichten, empfiehlt sich – statt der Verwendung der Frage 3 D – die Verwendung des im Folgenden dargestellten Fragebogenitems STA_4 des RatSWD-Standardfragenkatalogs, welches die konkrete ausländische Staatsbürgerschaft erfasst und eine entsprechende Filterung der Befragten mit diesen Staatsbürgerschaften ermöglicht.
Der Standardfragenkatalog des RatSWD (Rat für Sozial- und Wirtschaftsdaten, 2023, S. 24–25) hat Items 3 und 3 C der Demographischen Standards übernommen (als STA_1 und STA_2). Zusätzlich enthält er zwei Items zur Erfassung konkreter ausländischer Staatsangehörigkeiten. Anders als Frage 3 D der Demographische Standards richten sich diese sowohl an Befragte mit deutscher und weiterer Staatsangehörigkeit (STA_3) als auch an Befragte ohne deutsche Staatsangehörigkeit (STA_4). Dadurch ist es nicht nur möglich, Unionsbürger*innen (alternativ zu Frage 3 D der Demographischen Standards) ohne den Einsatz einer Liste zu differenzieren, sondern auch Staatsbürger*innen anderer Länder, wenn dies für die Forschungsfrage erforderlich ist. Die Fragen sind dadurch aber auch entsprechend komplexer. Bei Implementierung der Frage nach der Arbeitserlaubnis aus den Demographischen Standards (Frage 3 E) muss dann der Filter aus Frage 3 D angepasst und in STA_4 ergänzt werden. Die Items wurden dem SOEP Personenfragebogen 2020 (Kantar Public, 2021) entnommen und sind in Tabelle 3 dargestellt.
Tabelle 3
Items zur Erfassung ausländischer Staatsangehörigkeiten im Standardfragenkatalog des RatSWD für selbstadministrierte Befragungen
|
Standardfragenkatalog des RatSWD |
Nr. |
Frage |
STA_3 |
Filter: wenn Befragte/-r zusätzlich eine andere Staatsangehörigkeit hat (STA_2=1) |
|
Welche ist Ihre zweite Staatsangehörigkeit? |
|
Hinweis: Falls Sie mehr als zwei Staatsangehörigkeiten haben, geben Sie die dritte und weitere bitte im Textfeld darunter ein. |
|
Antwort: __________ Antwort: __________ |
STA_4 |
Filter: wenn Befragte/-r nicht die deutsche Staatsangehörigkeit hat (STA_1= 2) Welche Staatsangehörigkeit haben Sie? |
|
Hinweis: Falls Sie mehr als eine Staatsangehörigkeit haben, geben Sie die zweite und weitere bitte im Textfeld darunter ein. |
|
Antwort: __________ Antwort: __________ |
Für beide Fragen wird im Standardfragenkatalog empfohlen, sich für die Antwortliste bzw. die Nachkodierung offener Angaben an der internationalen Standardklassifikation ISO 3166 (International Organization for Standardization, 2021) zu orientieren. Der Kosovo ist in ISO 3166 nicht enthalten, da er nicht von allen UN-Mitgliedsstaaten anerkannt wird. Deutschland erkennt Kosovo an, daher sollte der Kosovo in die Länderliste aufgenommen werden. Palästina und Taiwan verfügen demgegenüber trotz fehlender internationaler Anerkennung über eigene ISO-3166-Codes, die auch in Deutschland genutzt werden sollten, da die entsprechenden Pässe als Reisedokumente anerkannt werden. Darüber hinaus sollten die Antwortmöglichkeiten „staatenlos“ und „ungeklärte Staatsangehörigkeit“ ergänzt werden (falls nach mehreren Staatsangehörigkeiten gefragt wird nur bei der ersten Frage; diese Personen sollten auch nicht nach einer möglichen zweiten Staatsangehörigkeit gefragt werden). Die aktuellen Codes nach ISO 3166 können – ergänzt um weitere Informationen, wie z. B. die BEV-Codes, die ebensogut zur Codierung verwendet werden können – der Staats- und Gebietssystematik des Statistischen Bundesamts entnommen werden (Statistisches Bundesamt, 2024).
1.1.1 Anpassungen an verschiedene Befragungsmodi
Die Fragen in den Demographischen Standards 2024 sind so konzipiert, dass keine modusspezifischen Anpassungen der Fragen selbst notwendig sind. In Frage 3 D soll jedoch eine Liste eingesetzt werden, und der Listeneinsatz unterscheidet sich je nach Befragungsmodus. Wenn es sich um eine Online-Befragung handelt, soll bei "Mouseover“ ein Infokasten mit einer Liste aller aktuellen EU-Länder (Liste 3 D) erscheinen. In persönlichen, telefonischen und schriftlichen Befragungen wird bei Bedarf eine entsprechende Liste vorgelegt bzw. vorgelesen. In allen computergestützten Modi ist es einfacher, direkt nach dem Land der Staatsangehörigkeit zu fragen (d.h. STA_4 statt 3 D zu verwenden), und nach der Datenerhebung eine Variable zu kodieren, die das Vorliegen der Staatsbürgerschaft eines EU-Landes abbildet.
Die Items im Standardfragenkatalog des RatSWD sind für selbstadministrierte Online-Befragungen optimiert, es wird aber auf die Anpassungen für andere Befragungsmodi hingewiesen: „Für diese Frage ist eine Länderliste (CAWI, CAPI, CATI) oder offene Antwort mit anschließender Nachkodierung (PAPI) sinnvoll“. Es ist auch möglich, mit einem halboffenen Frageformat zu arbeiten, was insbesondere in schriftlichen Befragungen den Aufwand der Nachkodierung reduzieren kann, indem die häufigsten Staatsangehörigkeiten explizit aufgeführt werden (so z.B. im ALLBUS 2021, GESIS-Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften, 2023, dort mit Mehrfachantwort umgesetzt).
1.1.2 Anpassung für internationale Umfragen
Die oben genannten Items wurden für Studien in Deutschland entwickelt, lassen sich aber prinzipiell für internationale Umfragen übersetzen, wobei der Name des Landes an das Land, in dem die Befragung durchgeführt wird, angepasst werden muss. Dabei ist darauf zu achten, dass anders als in Deutschland, wo Staatsangehörigkeit und Staatsbürgerschaft zusammenfallen, diese Begriffe in vielen anderen Ländern nicht die gleiche Bedeutung haben. Daher muss bei der Übersetzung der Begriff gewählt werden, der der Staatsbürgerschaft (engl. „citizenship“) entspricht. Im internationalen Kontext, insbesondere bei multinationalen Staaten, ist es außerdem wichtig, nach dem Land der Staatsbürgerschaft zu fragen und nicht die adjektivische Form der Staatsbürgerschaft zu erfassen (z. B., wie in den Demographischen Standards empfohlen, „Haben Sie die deutsche Staatsangehörigkeit?“ statt „Sind Sie deutsch?“). Der European Social Survey fragt entsprechend: „Are you a citizen of [country]?“ Auch dadurch kann eine Verwechslung von Staatsbürgerschaft und Nationalität bzw. ethnischer Herkunft vermieden werden (Eurostat, 2007, S. 25). Eine weitere Möglichkeit besteht darin, darauf hinzuweisen, dass die Staatsangehörigkeit an den Besitz eines bestimmten Dokuments bzw. das Recht, ein solches ausgestellt zu bekommen, beispielsweise eines Reisepasses des entsprechenden Landes, gebunden ist.
Die Frage nach einer weiteren Staatsbürgerschaft, neben der des Erhebungslandes (3 C), ist nur in Ländern relevant, in denen eine doppelte Staatsbürgerschaft möglich ist. Die Frage nach dem Besitz der Staatsbürgerschaft eines EU-Mitgliedslandes bei Befragten ohne die Staatsbürgerschaft des Landes, in dem die Erhebung stattfindet (3 D), ist nur auf Erhebungen in Mitgliedsstaaten der EU anwendbar und kann sonst entfallen bzw. durch STA_4 ersetzt werden.
In den "Standardised key social variables" (European Commission, 2020), in denen eine Reihe soziodemographischer Variablen für vergleichbare Statistiken innerhalb der EU definiert werden, wird in der Variable „Staatsbürgerschaft“ die Kategorie „staatenlos“ für Befragte ohne (anerkannte) Staatsbürgerschaft und „Foreign citizenship but country unknown“ für Befragte mit unbekannter ausländischer Staatbürgerschaft aufgenommen. Bei doppelter oder mehrfacher Staatsbürgerschaft wird – im Kontrast zum Standardfragenkatalog (Rat für Sozial- und Wirtschaftsdaten, 2023), wo es möglich ist, mehrere Staatsbürgerschaften anzugeben – empfohlen, lediglich eine Staatsbürgerschaft zu erfassen. Sofern vorhanden, ist die Staatsbürgerschaft des Erhebungslandes zu kodieren. Sollte diese nicht vorliegen, ist die Staatsbürgerschaft eines EU-Mitgliedstaates zu kodieren. Sollten mehrere Staatsbürgerschaften unterschiedlicher Drittstaaten vorliegen, entscheiden die Befragten selbst, welche Staatsbürgerschaft zu kodieren ist (ebenso in dem Fall, dass die Person die Staatsbürgerschaft mehrerer EU-Mitgliedsstaaten, aber nicht die des Erhebungslandes, hat). Außerdem wird hier die Kodierung nach der Standardcodeliste „GEO“ empfohlen, die auf der Länderebene weitgehend ISO 3166 entspricht.
Die Frage nach der Arbeitserlaubnis muss auf Relevanz im jeweiligen Land geprüft und ggf. ebenfalls angepasst werden. Diese Frage wird in internationalen Studien vermutlich nur sehr selten gestellt.
1.1.3 Anwendungsbereich
Die hier vorgestellten Fragen sind für allgemeine Bevölkerungsumfragen in Deutschland gedacht, in denen die Situation der Befragten bzgl. ihrer staatsbürgerlichen Rechte erfasst werden soll (zur Erfassung migrationsbezogener Merkmale s. ZIS-Beitrag zum Merkmal Zuwanderungserfahrung, Schneider & Solanes Ros, 2025). Besteht die Grundgesamtheit einer Studie aus deutschen Staatsbürger*innen (z.B. in Wahlstudien zu Landtags- und Bundestagswahlen), so wird die Frage nach der Staatsangehörigkeit (Frage 3) zu einer Screening-Frage, wenn der Stichprobenrahmen diese Information nicht enthält. Bei einer Einwohnermeldeamtsstichprobe entfällt sie ganz, da die Staatsbürgerschaft im Melderegister vermerkt ist. Im Fragebogen selbst können alle Fragen entfallen, da alle Befragten in solchen Studien dann die deutsche Staatsbürgerschaft haben. Gegebenfalls kann der Fragebogen die Fragen der Demographischen Standards (Hoffmeyer-Zlotnik et al., 2024) zum Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit (Frage 3 A) und zum Besitz einer weiterer Staatsangehörigkeit(Frage 3 C) übernehmen.
1.2 Standardvariable
Um Informationen zur Staatsbürgerschaft von Befragten über Studien hinweg und im Zeitverlauf einheitlich benennen, kodieren und damit besser vergleichen zu können, wurden folgende Standardvariablen entwickelt: Besitz der Staatsbürgerschaft des Erhebungslandes (d.h. bei Befragungen in Deutschland: der deutschen Staatsangehörigkeit), erste und ggf. zweite ausländische Staatsbürgerschaft (für Ausländer*innen und Deutsche mit weitere(n) Staatsbürgerschaft(en)), und Staatsbürgerschaft eines EU-Landes (für Ausländer*innen). Tabelle 4 listet deren Variablennamen, -labels und -formate auf.
Tabelle 4
Spezifikation der Standardvariablen für die Staatsbürgerschaft
Variablenname |
Variablenlabel DE |
Variablenlabel EN |
Format |
Version |
x_citsc |
Staatsbürgerschaft des Erhebungslandes |
Citizenship of survey country |
numerisch, binär |
1.0.1 |
x_1citship_bev |
Erste ausländische Staatsbürgerschaft (BEV-Code) |
Country of first foreign citizenship (BEV Code) |
numerisch, BEV-Codes |
1.0.1 |
x_1citship_iso |
Erste ausländische Staatsbürgerschaft (ISO 3166) |
Country of first foreign citizenship (ISO 3166) |
numerisch, ISO 3166-1-Codes |
1.0.1 |
x_2citship_bev |
Zweite ausländische Staatsbürgerschaft (BEV-Code) |
Country of second foreign citizenship (BEV Code) |
numerisch, BEV-Codes |
1.0.1 |
x_2citship_iso |
Zweite ausländische Staatsbürgerschaft (ISO 3166) |
Country of second foreign citizenship (ISO 3166) |
numerisch, ISO 3166-1-Codes |
1.0.1 |
x_eucitship |
Staatsbürgerschaft eines EU-Landes |
Citizenship of an EU country |
numerisch, binär |
1.0.1 |
Anmerkungen: * Version 1.0.0 dieser Variablen wurde in Schneider et al. (2023) publiziert. Die hier dargestellte Version 1.0.1 der Standardvariablen zur Staatsbürgerschaft ersetzt, in den deutschen Variablenlabels, den Begriff „Staatsangehörigkeit“ durch „Staatsbürgerschaft“. Der Inhalt der Variablen bleibt unverändert. |
Tabelle 5 zeigt das zweistellige hierarchische Codeschema für die Standardvariable „Staatsbürgerschaft des Erhebungslandes“ x_citsc. Das Schema lässt sich in maschinenlesbarer Form hier herunterladen. Ebenso ist eine maschinenlesbare Verknüpfung des Schemas mit den entsprechenden Instrumenten bzw. Variablen der Demographischen Standards 2024 (Hoffmeyer-Zlotnik et al., 2024) und des ALLBUS 2021 (GESIS-Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften, 2023) zum Download hier verfügbar.
Tabelle 5
Codeschema für die Standardvariable x_citsc und Zuordnung zu Antwortmöglichkeiten der Demographischen Standards
Standardvariable x_citsc, Version 1.0 |
Demographische Standards 2024 |
||||
Wert |
Wertelabel DE |
Wertelabels EN |
Frage |
Wert |
Wertelabel |
10 |
Ja – nfs1 |
Yes – nfs |
3 |
1 |
Ja |
11 |
Ja, ausschließlich |
Yes, exclusively |
3C |
2 |
Nein |
12 |
Ja, und andere Staatsbürgerschaft(en) |
Yes, and other citizenship(s) |
3C |
1 |
Ja |
20 |
Nein – nfs |
No – nfs |
3 |
2 |
Nein |
21 |
Nein, eine ausländische Staatsbürgerschaft |
No, one foreign citizenship |
(Kategorien aus Demographischen Standards 2024 nicht herleitbar) |
||
22 |
Nein, mehrere ausländische Staatsbürgerschaften |
No, multiple foreign citizenships |
|||
23 |
Nein, staatenlos |
No, stateless |
|||
1 nfs = „not further specified”/nicht näher spezifiziert. Derart gekennzeichnete Oberkategorien sollen verwendet werden, wenn die detaillierten Unterkategorien in den Daten nicht identifiziert werden können. |
Zur ersten und (falls erhoben) zweiten ausländischen Staatsbürgerschaft wurden jeweils zwei Standardvariablen entwickelt, die unterschiedliche Codeschemata einsetzen. Die Standardvariablen x_1citship_bev und x_2citship_bev basieren auf dem BEV-Code der deutschen „Staats- und Gebietssystematik“ (Statistisches Bundesamt, 2024, Tabellenblatt 2 „Staatsangehörigkeit“). Die beiden weiteren Variablen (x_1citship_iso, x_2citship_iso) basieren auf dem numerischen ISO 3166-1 Code (International Organization for Standardization, 2021), auch als M49 bekannt, welcher von der Statistischen Division der Vereinten Nationen entwickelt und gepflegt wird (United Nations Statistics Division, 2023, dazu mehr im Abschnitt „Konstruktion und Selektion der Standardvariablen“). Während die BEV-Systematik von vielen deutschen Umfrageprogramme verwendet wird, eignet sich für international vergleichende Daten die Codierung der Staatsbürgerschaften nach dem internationalen Standard ISO 3166 besser. Aus den Standardvariablen x_citsc und x_1citship_bev bzw. x_1citship_iso lässt sich die europäische Kernvariable „Country of main citizenship“ (European Commission, 2020, S. 41–42) herleiten. Die Herleitung von Gruppen von Staatsbürgerschaften kann je nach Quelle der Gruppierungsinformation mal aus BEV- und mal aus ISO-Codes einfacher sein.
Werden in der Befragung zwei ausländische Staatsbürgerschaften erhoben und die Befragten mit mehreren ausländischen Staatsbürgerschaften gebeten, selbst zu priorisieren, welche Staatsbürgerschaft die erste und welche die zweite ist, wird die Information entsprechend auf der ersten oder zweiten Variablen kodiert. Wird in der Befragung – z.B. durch eine Frage mit Mehrfachantwort wie im ALLBUS (GESIS, 2023) – die Wichtigkeit unterschiedlicher Staatsbürgerschaften nicht von Befragten selbst bestimmt, sollen, wie in den EU key social variables (European Commission, 2020) empfohlen, zunächst EU-Mitgliedsstaaten und dann Drittstaaten kodiert werden. Ergänzend wäre zu empfehlen, nach der Unionsbürgerschaft die Staatbürgerschaften der Schweiz, Norwegens, Islands und Liechtensteins Priorität einzuräumen. Liegen zwei gleichrangige Staatsbürgerschaften vor, ist die Reihenfolge der Kodierung unerheblich. In diesem Fall sollte dokumentiert werden, dass die Reihenfolge keine Priorisierung seitens der Befragten selbst widerspiegelt.
Tabelle 6 enthält die Codeschemata für die vorgeschlagenen Standardvariablen zur ersten und zweiten ausländischen Staatsbürgerschaft. Zum einen wird am Beispiel Italiens die Korrespondenz zwischen BEV- und ISO-Codes, auf denen die jeweiligen Standardvariablen basieren, aufgezeigt. Diese Korrespondenz entspricht der Gegenüberstellung der Nomenklaturen in der Staats- und Gebietssystematik (Statistisches Bundesamt, 2024, S. 42 ff). Zum anderen enthält die Tabelle „schwierige Fälle“, bei denen keine eindeutige Korrespondenz zwischen den BEV-Staatsangehörigkeitscodes und den ISO 3166-1 Ländercodes besteht oder bei denen, im Fall der BEV, eine „Staatsangehörigkeit ohne Staat“ vorliegt: BEV-Codes, die es nur für Staatsangehörigkeiten, nicht aber für Staaten gibt, werden für Taiwan und die Palästinensische Gebiete verwendet, da Deutschland diese Gebiete politisch nicht als Staaten anerkennt, Einreisende bzw. Zuwanderer aus diesen Gebieten sich aber mit entsprechenden Pässen ausweisen können (Statistisches Bundesamt, 2024, S. 3). Für Kosovo und Taiwan werden in den Standardvariablen x_1citship_iso und x_2citship_iso die Codes gezeigt, welche die Statistikabteilung der Vereinten Nationen (UNSD) in der ISO-basierten Klassifikation M49 für rein statistische Vorgehen behelfsweise verwendet (UNSD, 2024); für Serbien ohne Kosovo gibt es keinen entsprechenden Code. Für ehemaligen Staaten wie die Tschechoslowakei werden die numerischen M49-Codes von UNSD (2023) verwendet, da die ISO 3166-3 für ehemalige Staaten nur alphanumerische Codes vorsieht. Diese sind vor allem für eine ex-post Harmonisierung historischer Daten relevant und werden auch von der deutschen Staats- und Gebietssystematik abgedeckt.
Tabelle 6
Codeschemata für die Standardvariablen x_1citship_bev, x_2citship_bev, x_1citship_iso, und x_2citship_iso und Korrespondenz der BEV- und ISO-Codes
Standardvariablen mit BEV-Codes: |
Standardvariablen mit ISO-Codes: |
|||||
Wert |
Wertelabel DE |
Wertelabels EN |
Wert |
Wertelabel DE |
Wertelabels EN |
|
137 |
Italien |
Italy |
380 |
Italien |
Italy |
|
459 |
Palästinensische Gebiete |
Palestinian territories |
275 |
Palästina, Staat |
Palestine, State of |
|
465 |
Taiwan |
Taiwan |
158 |
Taiwan |
Taiwan |
|
150 |
Kosovo |
Kosovo |
412** |
Kosovo |
Kosovo |
|
170 |
Serbien (ohne Kosovo) |
Serbia (without Kosovo) |
Kein entsprechender Code** |
|||
133 |
Serbien (einschl. Kosovo) |
Serbia (incl. Kosovo) |
688** |
Serbien |
Serbia |
|
132 |
Serbien und Montenegro |
Serbia and Montenegro |
891* |
Serbien und Montenegro |
Serbia and Montenegro |
|
138 |
Jugoslawien, Bundesrepublik |
891 |
Jugoslawien, Bundesrepublik |
|||
120 |
Jugoslawien |
Yugoslavia |
890 |
Jugoslawien |
Yugoslavia |
|
159 |
Sowjetunion |
Union of Soviet Socialist Republics |
810 |
Sowjetunion |
Union of Soviet Socialist Republics |
|
162 |
Tschechoslowakei |
Czechoslovakia |
200 |
Tschechoslowakei |
Czechoslovakia |
|
276 |
Sudan (einschl. Südsudan) |
Sudan (incl. South Sudan) |
736 |
Sudan (einschl. Südsudan) |
Sudan (incl. South Sudan) |
|
Anmerkungen: * Nach der Umbenennung der Bundesrepublik Jugoslawiens in Serbien und Montenegro wurde der numerische ISO code übernommen (keine Gebietsänderung). ** Da Kosovo kein Mitglied der Vereinigten Nationen ist, gibt es nur einen amtlichen ISO-Code für Serbien einschließlich Kosovo. Da Deutschland Kosovo anerkannt hat, gibt es einen BEV-Code für Serbien ohne Kosovo und für Kosovo, für die es keine Entsprechungen in ISO gibt. Es gibt jedoch einen inoffiziellen ISO-Code für Kosovo behelfsweise für rein statistische Zwecke. |
Die Schemata für die einzelnen Standardvariablen lassen sich in maschinenlesbarer Form unter folgenden Links herunterladen: x_1citship_bev, x_2citship_bev, x_1citship_iso, und x_2citship_iso.
Tabelle 7 zeigt das Codeschema für die Standardvariable x_eucitship. Das Schema lässt sich in maschinenlesbarer Form hier herunterladen. Ebenso ist eine maschinenlesbare Verknüpfung des Schemas mit den entsprechenden Instrumenten bzw. Variablen der Demographischen Standards 2024 (Hoffmeyer-Zlotnik et al., 2024) und des ALLBUS 2021 (GESIS-Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften, 2023), zum Download hier verfügbar.
Tabelle 7
Codeschema für die Standardvariable x_eucitship und Zuordnung zu Antwortmöglichkeiten der Demographischen Standards
Standardvariable x_eucitship, Version 1.0 |
Demographische Standards 2024 |
||||
Wert |
Wertelabel DE |
Wertelabels EN |
Frage |
Wert |
Wertelabel |
0 |
Nein |
No |
3 D |
|
Nein |
1 |
Ja |
Yes |
3 D |
|
Ja |
1.2.1 Auswertungshinweise
Informationen zur Staatsbürgerschaft und über das Vorliegen einer Arbeitserlaubnis können einerseits verwendet werden, um die Analysestichprobe zu definieren. Andererseits können sie, je nach Forschungsfrage, in Dummy-Variablen überführt werden, die dann als unabhängige Variablen in Regressionsmodellen genutzt werden können. Bei detaillierten ausländischen Staatsbürgerschaften ist aus Datenschutz- oder analytischen Gründen häufig eine Aggregation in größere Gruppen notwendig. Diese Aggregation sollte einerseits einem internationalen Standard folgen und andererseits theoriegeleitet erfolgen. Je nach Forschungsfrage kann z.B. die von der Weltbank vorgenommene Aggregation von Ländern nach Einkommen (World Bank, 2025) geeigneter sein als eine Aggregation nach geographischen Regionen, wie sie beispielsweise die M49 der Statistikabteilung der Vereinten Nationen (United Nations Statistics Division, 2023) vorsieht. Für Staatsbürgerschaften in Deutschland ist v.a. die Unterscheidung zwischen Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit, ausländischen Unionsbürger*innen, Staatsbürger*innen vertraglich privilegierter Drittstaaten (Schweiz, Island, Norwegen und Liechtenstein) und Staatsbürger*innen anderer Drittstaaten relevant.
Unter Staatsbürgerschaft wird die legale Mitgliedschaft einer Person in einem Staat verstanden (Hoffmeyer-Zlotnik & Warner, 2010). Der Begriff der Staatsbürgerschaft (engl. „citizenship“) ist eng mit dem Begriff der Staatsangehörigkeit (engl. „nationality“) verbunden, sie sind jedoch nicht synonym (Stiller, 2011): Während alle Staatsbürger*innen Staatsangehörige sind, sind nicht alle Staatsangehörigen notwendigerweise auch Staatsbürger*innen. Dies liegt unter anderem daran, dass nicht jeder Staat zur Zeit der Staatsgründung ein Nationalstaat ist; insbesondere in sog. „Vielvölkerstaaten“ oder durch Grenzverschiebungen weichen Staatsangehörigkeit (d.h. die Nationalität) und Staatsbürgerschaft manchmal voneinander ab (z.B. leben in in Großbritannien Menschen englischer, walisischer, nordirischer und schottischer Nationalität mit britischer Staatsbürgerschaft). In Deutschland, welches zu Zeiten der Staatsgründung ein Nationalstaat war, werden die Begriffe Staatsangehörigkeit und Staatsbürgerschaft häufig synonym gebraucht, da das Grundgesetz in festlegt, dass „Deutscher im Sinne dieses Grundgesetzes ist …, wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt“ (Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 1949, Art. 116). Die deutsche Staatsbürgerschaft ist im Grundgesetz (GG) und im Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) geregelt und wird im Personalausweis bzw. Reisepass dokumentiert.
Mit der Staatsbürgerschaft eines Landes gehen rechtliche Privilegien und mit ihrem Fehlen entsprechende Nachteile einher, die sich direkt auf die Lebensmöglichkeiten der Personen auswirken (z.B. Alba, 2005). Die Staatsbürgerschaft ist damit ein Mechanismus der sozialen Schließung (Brubaker, 1992). Die deutsche Staatsbürgerschaft verleiht in Deutschland z.B. das allgemeine Wahlrecht, das Recht, öffentliche Ämter zu bekleiden, freie Berufswahl, Reisefreiheit, Auslieferungsverbot und konsularischen Schutz im Ausland. Diese mit der Staatsbürgerschaft verbundenen Rechte (bzw. ihr Fehlen) beeinflussen den Alltag, das Verhalten und die Einstellungen der Menschen (Hoffmeyer-Zlotnik et al., 2024). Darüber hinaus kann empirisch gezeigt werden, dass das Vorliegen der deutschen Staatsangehörigkeit mit einem höheren Lohnniveau und einer geringeren Armutsgefährdung einher gehen (Peters et al., 2018).
Staatsbürger*innen eines Mitgliedstaates der Europäischen Union (EU) genießen innerhalb der EU Freizügigkeit und dürfen damit ohne Visum einreisen, sich – sofern sie erwerbstätig sind, Aussicht auf eine Erwerbstätigkeit haben oder als Auszubildende oder Studierende über ausreichende Existenzmittel verfügen – unbegrenzt in Deutschland aufhalten und arbeiten (sonst nur bis zu drei Monate). Sie sind deutschen Bundesbürger*innen damit in vielen – jedoch nicht allen – Aspekten gleichgestellt. Sollen nicht nur Rechte, die allein mit der deutschen Staatsbürgerschaft einhergehen, erfasst werden (z.B. Wahlrecht bei Landtags- und Bundestagswahlen), sondern auch die erweiterten Rechte der Staatsbürger*innen eines anderen EU-Staates, muss daher bei Ausländer*innen erfasst werden, ob sie über die Staatsbürgerschaft eines EU-Mitgliedsstaates verfügen oder nicht.
Staatsangehörige aller anderen Länder werden als „Drittstaatsangehörige“ bezeichnet. Deren Einreise und Aufenthalt ist an bestimmte Genehmigungen gebunden. Sie brauchen zum Beispiel, um in Deutschland erwerbstätig sein zu dürfen, eine Arbeitserlaubnis. Drittstaatsangehörige sollten daher, wenn dies für die Forschungsfrage relevant ist, gefragt werden, ob sie eine Arbeitserlaubnis haben.
Bis Ende der 1990er Jahre wurde die Staatsbürgerschaft in Deutschland als der Indikator für direkte oder indirekte Zuwanderungserfahrung einer Person verwendet, da es für Zugewanderte ohne deutsche Staatsangehörigkeit (also nicht für (Spät-)Aussiedler) bis dahin nur schwer möglich war, die deutsche Staatsbürgerschaft zu erwerben. Seit der Novellierung des Staatsbürgerschaftsrechts in Deutschland 1999 und der Annäherung der Rechte von Staatsbürger*innen und Ausländer*innen in Nordamerika und vielen europäischen Ländern (Liebman, 1992; Soysal, 1994) ist die Bedeutung des Indikators Staatsbürgerschaft für Zuwanderungserfahrung in der sozialwissenschaftlichen Forschung entsprechend gesunken. Stattdessen wird seit Ende der 1990er Jahre der sog. Migrationshintergrund (zu Genese und Kritik dieses Konzepts s. Fachkommission Integrationsfähigkeit, 2021) bzw. in der amtlichen Statistik seit 2022 das in Reaktion auf die Kritik an Konzept und Verwendung des Migrationshintergrunds eingeführte Konzept der Einwanderungsgeschichte (Canan & Petschel, 2023) als Indikator für direkte oder indirekte Zuwanderungserfahrung eingesetzt (weitere Details zu diesen Konzepten und ihrer Messung finden sich im ZIS-Eintrag Zuwanderungserfahrung und Zuzugsjahr, Schneider & Solanes Ros, 2025). Die Verwendung des einen oder anderen Indikators resultiert auch in durchaus unterschiedlichen empirischen Ergebnissen (Gresch & Kristen, 2011). Die Entscheidung, welche Fragen verwendet werden sollen, ob zu Staatsbürgerschaft oder Geburtsland, oder beiden Konzepten, hängt daher heute stark von der Forschungsfrage ab (Maehler et al., 2016). Die Demographischen Standards geben folgende Empfehlung (Hoffmeyer-Zlotnik et al., 2024, S. 16):
„Geht es vor allem um rechtliche Aspekte, die mit Staatsangehörigkeit einhergehen, muss Frage 3 [nach der Staatsbürgerschaft] (mit eventuellen Folgefragen) erfasst werden. Geht es hauptsächlich um sprachlich-kulturelle Aspekte und mögliche Benachteiligungen von Personen mit direkter und/oder indirekter Migrationserfahrung, unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit, ist Frage 4 [nach dem Geburtsland und dem Geburtsland der Eltern] (mit eventuellen Folgefrage) zu erfassen.“
Die größte Vergleichbarkeit, sowohl über Studien als auch Länder hinweg, ist mit dem Indikator des Geburtslandes zu erreichen, da sich das Staatsbürgerschaftsrecht von Land zu Land unterscheidet und in Deutschland sich zusätzlich über die Zeit weiterentwickelt hat. Soll eine langfristige Zeitreihe für Deutschland untersucht werden, bleibt Forschenden aber gar nichts anderes übrig, als auf den Indikator der Staatsbürgerschaft zurückzugreifen, wohlwissend, dass sich die Gruppe der Personen mit deutscher Staatsbürgerschaft über die Zeit in Bezug auf Zuwanderungserfahrungen und -hintergrund stark diversifiziert hat. Ein weiterer Unterschied zwischen beiden Indikatoren ist, dass sich die Staatsbürgerschaft im Lebensverlauf ändern kann, während das Geburtsland ein zeitunveränderliches Merkmal ist.
3.1 Konstruktion der Standarditems
Ein Vorschlag zur Messung der Staatsangehörigkeit wurde bereits in der ersten Version der Demographischen Standards von 1992 (Ehling et al., 1992) publiziert, mit einer Frage zur Unterscheidung Befragter mit und ohne deutsche Staatsangehörigkeit. In der zweiten Version (1995) wurde in einer Fußnote darauf hingewiesen, dass eine weitere Differenzierung der Staatsangehörigkeit möglich ist, wenn die Forschungsfrage dies erfordert (Statistisches Bundesamt, 1995). Erst in der Version von 2010 wurde die Differenzierung von EU-Bürger*innen unter den Ausländer*innen ergänzt (Hoffmeyer-Zlotnik, 2010). In den Demographischen Standards von 2016 (Hoffmeyer-Zlotnik et al., 2016) wurden zudem Fragen zur Erfassung einer weiteren Staatsangehörigkeit bei deutschen Staatsangehörigen sowie zum Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit hinzugefügt. Darüber hinaus wurden 2016 Fragen zum Geburtsland der Befragten und ihrer Eltern ergänzt, um direkte und indirekte Zuwanderungserfahrungen zu erfassen (s. dazu der separate ZIS-Beitrag zum Geburtsland). In der aktuellen Ausgabe (Hoffmeyer-Zlotnik et al., 2024) wurde die Frage nach dem Vorliegen einer Arbeitserlaubnis eingeführt.
3.2 Konstruktion und Selektion der Standardvariablen
Die Standardvariablen für Staatsbürgerschaft wurden 2022/2023 im KonsortSWD-Teilprojekt TA3-M1 „Harmonized Variables – Umfragedaten leichter kombinieren durch standardisierte und harmonisierte Variablen“ entwickelt.
Vermutlich kann in den meisten Daten nur die erste Stelle des Codeschemas x_citsc hergeleitet werden. Dennoch wurden zwei Stellen vorgesehen, um Daten, die die zusätzlichen Details differenzieren können, nicht unnötig reduzieren zu müssen. Dadurch ist es aber nicht möglich, eine 0/1-Codierung vorzusehen, wie für andere binäre Variablen (s. z.B. Variable x_eucitship in Tabelle 7). Die resultierenden Codes 10 bis 12 und 20 bis 23 lassen sich aber leicht in eine entsprechende 0/1-Codierung überführen.
Für die Codierung der Standardvariablen zur ersten und zweiten ausländischen Staatsbürgerschaft wird, neben dem BEV-Code der deutschen Staats- und Gebietssystematik (Statistisches Bundesamt, 2024), der numerische UN-Standard M49 (United Nations Statistics Division, 2023) verwendet. Dieser entspricht den numerischen ISO 3166-1 Codes (International Organization for Standardization, 2021) , enthält zusätzlich aber Codes für ehemalige Länder, die nicht in ISO 3166-1 sondern ISO 3166-3 abgebildet werden. Aus praktischen Gründen wurde entschieden, die numerischen und nicht die alphanumerische ISO-Codes zu verwenden: Zum einen „reagieren“ die numerischen Codes nicht auf reine Namensänderungen, sondern ändern sich nur, wenn sich auch das zugrundeliegende Staatsgebiet verändert. Anderseits bietet der M49-Standard auch 3-stellige Codes für ehemalige Länder an, während ISO 3166-3 hierfür einen 4-stelligen alphanumerischen Code benötigt. Statistische Programme reagieren oft empfindlicher auf die Breite alphanumerischer Variablen als auf numerische Variablen. Zu guter Letzt werden Labels für alphanumerische Codes, die als string-Variablen in Datensätzen abgelegt werden müssen, nicht immer unterstützt. Für graphische Darstellungen sind jedoch alphanumerische Codes oft besser geeignet. Sie lassen sich leicht aus den numerischen Codes ableiten. Eine maschinenlesbare Gegenüberstellung der numerischen und alphanumerischen Ländercodes wird von der United Nations Statistics Division hier zum Download angeboten; die in Tabelle 6 gezeigten schwierigen Fälle – nicht von den UN anerkannte Staaten und ehemalige Staaten – müssen hierbei manuell nachgepflegt werden, sollten sie in den Daten vorkommen.
Da das Standarditem für die Arbeitserlaubnis erst 2024 neu in die Demographischen Standards (Hoffmeyer-Zlotnik et al., 2024) aufgenommen wurde liegt hierzu noch keine Standardvariable vor.
4.1 Objektivität
Im Allgemeinen führen Standarditems und Standardvariablen zu einer Erhöhung der Durchführungs- und Auswertungsobjektivität – vor allem über verschiedene Studien hinweg. So tragen Standarditems durch die Harmonisierung der Frage(n) zu einer standardisierten Durchführung bei. Standardvariablen führen durch ihr standardisiertes Codeschema zu einer objektiven Auswertung. Zusammengefasst erhöhen die vorgestellten Standarditems und Standardvariablen die Unabhängigkeit der Messung der Konzepte Staatsbürgerschaft und Arbeitserlaubnis von den spezifischen Forschenden.
Bei der Staatsbürgerschaft handelt es sich um ein potenziell objektiv messbares Merkmal, welches jedoch subjektiv, durch Angaben der Befragten, erhoben wird. Es besteht somit die Möglichkeit, dass die subjektive Angabe vom objektiven Wert (d.h. Befragte vergessen eine Staatsbürgerschaft oder geben eine andere als die aktuell zutreffende Staatsbürgerschaft an) abweicht. Dabei kann soziale Erwünschtheit oder die Sensibilität der Frage eine Rolle spielen, oder Unsicherheit in Übergangssituationen.
4.2 Reliabilität
Da soziodemographische Merkmale typischerweise mit nur einem Item pro Merkmal gemessen werden, sind psychometrische Verfahren zur Reliabilitätsschätzung nicht anwendbar. Eine Einschätzung der Reliabilität über Test-Retest-Verfahren ist prinzipiell möglich, wird aber nur selten durchgeführt (s. bspw. Porst & Zeifang, 1987). Zur Reliabilität der Frage nach der Staatsbürgerschaft liegen uns keine Informationen vor.
4.3 Validität
Da in der Erstellung der Standardvariablen zur Staatsbürgerschaft keine konkurrierenden Minimal- und Maximalversionen (s. Schneider et al., 2023) vorgesehen waren, wurde von einer Validierung abgesehen.
4.4 Nebengütekriterien
Die Empfehlung der Demographischen Standards (Hoffmeyer-Zlotnik et al., 2016) für die Fragebogenitems zur Staatsangehörigkeit wurde von Lenzner et al. (2019, S. 19 ff.) in mehreren Befragungsmodi in kognitiven Pretests überprüft. Item 3 zum Vorliegen der deutschen Staatsangehörigkeit wurde als unproblematisch erachtet. Bei der (optionalen) Frage zum Vorliegen einer weiteren Staatsangehörigkeit kam es zu einem Underreporting, da eine Befragungsperson sich mit der zweiten Staatsangehörigkeit so wenig identifizierte, dass sie sie nicht berichtet hat. Dies lässt sich durch die Fragegestaltung kaum verhindern, verweist jedoch darauf, dass auch vermeintlich einfache Faktenfragen „falsch“ beantwortet werden können, wenn Befragte subjektiv keinen Sinn in der „richtigen“ Antwort sehen oder die Antwort nicht mehr in Erinnerung haben, da der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit (z.B. bei (Spät-)Aussiedler/innen) schon länger zurückliegt. Die Frage zur EU-Staatsangehörigkeit wurde, da sie nur Ausländer*innen gestellt wird, an zu wenige Testpersonen gerichtet, um Aussagen über ihre Qualität machen zu können. Die Frage nach der Arbeitserlaubnis wäre ebenso schwierig zu testen, war aber zu der Zeit des Pretests noch nicht in den Demographischen Standards enthalten.
Danksagung
Wir danken Lennart Palm und Sarah Müller für ihre Vorarbeiten zu diesem Dokument. Außerdem danken wir Thomas Körner (destatis), Carmen Koschollek und Stephan Müters (RKI), Verena Ortmanns (DIE), Andrés Saravia (RatSWD) und Dorothée Behr (GESIS) herzlich für ihr Feedback zu einer früheren Version dieses Beitrags.