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Musikalische Frühsozialisation

  • Author: Lüdtke, H. & Neumann, P.
  • In ZIS since: 1997
  • DOI: https://doi.org/10.6102/zis166
  • Abstract: With eight items, the scale measures the stimulating potential of early musical socialisation and was developed on the basis of the model of contiguity learning (Guthrie, 1952; Buchhofer, Friedrich ... mores & Lüdtke, 1974): The significance of musical experiences and the attention and motivation devoted to them is closely linked for the child to the social situations in which they take place. less
  • Language Documentation: deutsch
  • Language Items: German
  • Number of Items: 8
  • Reliability: Cronbachs Alpha = .66; Split-half-Reliabilität = .60
  • Validity: Es liegen Hinweise auf die Kriteriumsvalidität vor.
  • Construct: Sozialisation
  • Catchwords: Musik, Fähigkeit, Kompetenz, Lernwirksamkeit, Musikausübung | music, ability, competence, learning effectiveness, music practice
  • Item(s) used in Representative Survey: nein
  • Status of Development: validiert, normiert
    • Instruktion

      Wie war das bei Ihnen zu Hause, bevor Sie 10 Jahre alt waren? Bitte kreuzen Sie die zutreffenden Dinge an:

       

      Items

      Nr.

      Item

      1

      Wurde bei Ihnen mehrmals im Jahr gemeinsam gesungen?

      2

      Wurde mehrmals im Jahr gemeinsam musiziert?

      3

      Lernten Sie ein Instrument spielen?

      4

      Hatten Sie Gesang- oder Ballettunterricht?

      5

      Wurden öfters Schallplatten, Tonbänder, oder Musiksendungen gemeinsam mit Erwachsenen gehört?

      6

      Haben Sie öfters Schallplatten, Kassetten oder Tonbänder allein oder zusammen mit Gleichaltrigen gehört?

      7

      Sind Sie manchmal mit ins Konzert oder in die Oper gegangen?

      8

      Haben Sie eine Musikschule besucht?

       

      Antwortvorgaben

      Dichotome Abfrage mit den Ausprägungen „ja (1)“ und „nein (0)“

       

      Auswertungshinweise

      Zur Konstruktion eines Maßes für das "Anregungspotential der musikalischen Frühsozialisation" bietet die Guttman-Skala ein geeignetes Modell. In diesem wird für Items mit dichotomen Antwortvorgaben eine Hierarchie der Schwierigkeit bzw. der Wahrscheinlichkeit des Zutreffens von "ja"-Antworten gebildet. Dieses Vorgehen basiert auf folgendem Postulat: trifft ein Item mit der Häufigkeit i zu, dann treffen alle Items zu, die eine Häufigkeit größer als i aufweisen. Bei Eindimensionalität des Items ergibt sich eine maximale Reproduzierbarkeit der postulierten Gesamthierarchie von 1.0 (= coefficient of reproducibility/ scalability). Reproduzierbarkeitskoeffizienten von 0.85 (=maximal 15% Abweichungen von der postulierten Hierarchie der Items) gelten als akzeptabel. Die mit 1 codierten "ja"-Antworten werden zu einem Summenwert addiert.

       


       

    Unbestritten ist, dass vor und während der Grundschuljahre beim Kind entscheidende, wenn nicht die wichtigsten Prozesse der Hör- und Rezeptionsdifferenzierung ablaufen (vgl. Farnsworth, 1976, S. 148; Michel, 1977; Dopheide, 1978, S. 135 ff.; Abel-Struth & Groeben, 1978), denen sich allmählich verstärkende Fixierungen, Einschränkungen und Kanalisierungen in Richtung auf umwelt- und kulturspezifische musikalische Muster parallel- oder zuwiderlaufen (Rauhe, Reinecke & Ribke, 1975, S. 152 ff), die schon bei Zehnjährigen erheblich ausgeprägt sind und spätere musikalische Lernvorgänge erschweren (De la Motte-Haber & Jehn, 1976). Offenbar hängen die bis ca. zum 12. Lebensjahr erworbenen Rezeptionsfähigkeiten, die Varietät des verinnerlichten und habitualisierten musikalischen Materials sowie die Entfaltung eigener musikalischer Aktivität - bei Vernachlässigung eines bestimmten, wahrscheinlich geringeren Anteils genetischer Begabung (vgl. Lundin, 1967) - entscheidend vom Kontext der familialen "Musikkultur" ab. Dabei scheinen aktive Musikausübung und gezielte Anregung zum Hören lernwirksamer als die Nähe musikalischer Symbole (z.B. Instrumente) oder die beiläufige Rezeption (vgl. Höchel, 1977, S. 49; Dopheide, 1978, S. 137). Empirisch belegt ist eine bestimmte Abhängigkeit der akustisch-musikalischen Rezeptionsfähigkeit vom Bildungsmilieu der Eltern bereits beim Schuleintritt (Kral, Rudlof & Teiner, 1973). Da diese Abhängigkeit jedoch in den ersten Schuljahren stark abgebaut wird, scheinen Bildungs- und Sozialschichtindikatoren per se als langfristig und prägnant wirksame Bedingungen musikalischer Sozialisation wenig bedeutsam. Große Unklarheit besteht indes bis heute hinsichtlich der Frage, welche sozioökonomischen Strukturen im weiteren Sinne, Erziehungsstile der Eltern und situativen Anreize in der Kindheit differentiell zu welchen langfristig wirksamen musikalischen Dispositionen und Verhaltensweisen führen: ein Reflex des Fehlens einer allgemeinen, hinreichend empirisch fundierten Theorie der musikalischen Sozialisation in unserer Kultur (vgl. die theoretisch programmatischen Konzepte u.a. bei Buchofer, Friedrichs & Lüdtke, 1974, S. 165 ff.; Rauhe & Reinecke, 1975, S. 145 ff.).

    Ein naheliegender Ansatz zum Schließen dieser Forschungslücke kann z.B. sein, außer musikalischen Dispositionen und Verhaltensweisen bestimmte, früher wirksame Sozialisationsbedingungen zu erheben. Dies ist in unserer Studie geschehen und hat u.a. zur Konstruktion der Skala Musiksozialisation geführt. Dabei musste zunächst offenbleiben, welchen spezifischen Lerneffekten im musikalischen Sozialisationsprozess der Kindheit zentrale Bedeutung zukommt: z.B. Interesse an Musik schlechthin, Gesangs- und Instrumentalfähigkeiten, Werkgedächtnis, Ton- und Klangfarbendifferenzierung, differentielles Hören von Harmonien. Für unsere Zwecke genügt zunächst ein Lernkonzept oberhalb dieser spezifischen Dimensionen: die Entstehung und Differenzierung des kognitiven, affektiven, aktiven und passiven Zugangs zu und des Gebrauchs von musikalischen Symbolen, Materialien und Hörerlebnissen überhaupt. Da die "Überschwemmung" des Alltags durch musikalische Reize bereits für die meisten Kinder durchgängige Realität ist, bietet eine Anlehnung an das Modell des Kontiguitätslernens (Guthrie, 1952; Buchhofer, Friedrichs & Lüdtke, 1974, S. 167) ein sinnvolles Schema zur Deutung dieser Lernvorgänge: Die Bedeutung von musikalischen Erlebnissen und die ihnen gewidmete Aufmerksamkeit und Motivation wären hiernach für das Kind eng mit den sozialen Situationen, insbesondere auch mit den Reaktionen der jeweils beteiligten Sozialisatoren, verknüpft, in denen sie stattfinden. So betont Abel-Struth (1974) die Bedeutung des Erlebens in "Schlüsselsituationen" der frühen Kindheit als Voraussetzung für Handeln in späteren Situationen und für die Bewertung von Objekten und Erlebnissen auch im musikalischen Kontext. Wenn schon bei Sechsjährigen Vertrautheit und (positive) Bewertung von Musikbeispielen nicht unerheblich zusammenhängen (De la Motte-Haber & Jehn, 1976), so indiziert auch dieser Befund die sozialisierende Bedeutung des Auftretens bzw. Fehlens bestimmter Hörsituationen in früher Kindheit. Je häufiger eine Situation stattfindet, desto stärker wird daher das entsprechende musikalische Anregungspotential beim Kind aktiviert, fixiert und geübt. Je unterschiedlicher dabei die Art der Situation ist, desto differenzierter sind die erworbenen musikalischen Kompetenzen. Eine autonome Erweiterung und Verstärkung des musikalischen Kompetenz- und Verhaltensrepertoires in Richtung auf höhere Komplexität erfolgt dann durch die wachsende Fähigkeit des Kindes, die Bedeutungen unterschiedlicher Situationen zu verallgemeinern und selektiv zu gewichten. Erweist sich dieses Modell des Kontiguitätslernens als empirisch gehaltvoll, dann muss es möglich sein, das Ausmaß erworbener allgemeiner musikalischer Kompetenzen und Verhaltensweisen auf die Vielfalt des Musters signifikanter Situationen der musikalischen Frühsozialisation zurückzuführen.

     

     

    Itemkonstruktion und Itemselektion

    Auf der Basis einer lerntheoretischen Konzeption wählten Lüdtke und Neumann (1982) die Indikatoren nach folgenden Kriterien aus:

    a)     Anzahl der musikalischen Ereignisse und Aktivitäten vor dem 11. Lebensjahr: Da der musikalische Sozialisationsprozess bisher nur hypothetisch beschrieben bzw. auf indirekte Weise erschlossen werden kann, kommen als Indikatoren am ehesten solche Ereignisse und Tatbestände in der außerschulischen Situation des Kindes in Betracht, die verschiedene Potentiale der Anregung zum Lernen musikalischer Kompetenzen und Aktivitäten im Sinne des Kontiguitätsmodells erwarten lassen. Dies lässt sich durch folgende Hypothese darstellen: je mehr bestimmte musikalische Ereignisse bzw. Aktivitäten vor dem 11. Lebensjahr stattfanden, desto stärker und differenzierter erfolgte das Lernen musikalischer Kompetenzen und Performanz; und diese Ereignisse bzw. Aktivitäten sind hinreichende Bedingungen für eine entsprechende, langfristig wirksame Sozialisation. In Anwendung des Modells von Rauhe (1975, S. 142) lässt sich unter dem Aspekt der Musikrezeption der Differenzierungsgrad der so erworbenen Fähigkeiten auf der Skala zerstreute Rezeption über empathische und strukturelle Rezeption bis subjektorientierte Rezeption theoretisch klassifizieren.

    b)     Die Items müssen sich auf erinnerbares faktisches Verhalten beziehen, so dass Verzerrungen in den Angaben der Befragten aufgrund von persönlichen Einstellungen, Effekten sozialer Wünschbarkeit etc. möglichst gering gehalten werden.

    c)     Die Items müssen sowohl wahrscheinlich seltene wie relativ häufige Ereignisse beinhalten, so dass die Angaben der Befragten in einem nicht zu geringem Ausmaß variieren können. Zugleich muss die Anzahl der Items im Hinblick auf die Gesamtdauer der Gruppeninterviews gering sein.

    d)     Die Antwortvorgaben müssen im Hinblick auf das niedrige Alter eines Teils der Befragten möglichst einfach sein (nein/ja-Form). Diese Überlegungen führten zur Verwendung von 8 Items, die sich retrospektiv auf musikalische Aktivitäten beziehen.

     

    Stichproben

    Befragt wurden N = 437 Personen zwischen 11 und 32 Jahren. Das Durchschnittsalter beträgt 17 Jahre. Die Auswahl der Befragten erfolgte willkürlich in Schulen, Jugendzentren, Volkshochschulen, Vereinen in Hamburg und Hannover sowie an der Universität Hannover. Überrepräsentiert sind Befragte mit höherer Schulbildung. Hinsichtlich der sozialen Herkunft der Befragten liegen jedoch keine größeren Abweichungen von einem Querschnitt der westdeutschen Jugend vor. Zusätzlich zu den N = 437 Personen wurde eine im Hinblick auf  Altersstruktur und Bildungskontext homogene Gruppe von N = 146 Gymnasiasten der Stadt Celle befragt. Die Stichprobenmerkmale für die beiden Gruppen liegen in Tabelle 1 vor.

     

    Tabelle 1

    Struktur der Stichproben: relative Häufigkeiten

     

    Stichprobe

     

    1

     (N = 437)

    2

    (N = 146)

    Alter

     

     

     

    11 - 13 Jahre

    10.6

    40.3

     

    14 - 16 Jahre

    46.5

    41.7

     

    17 - 19 Jahre

    26.1

    17.3

     

    20 - 22 Jahre

    9.9

    0.7

     

    23 – 32 Jahre

    6.9

    -

    Geschlecht

     

     

     

    weiblich

    49.1

    60.7

     

    männlich

    50.9

    39.3

    Beruf des Vater

     

     

     

    un-, angelernte Arbeiter

    16.2

    -

     

    Facharbeiter, untere Angestellte und Beamte

    48.2

    39.5

     

    gehobene Angestellte und Beamte, kleine Selbständige

    32.5

    52.6

     

    Höhere Beamte, freie und akademische Berufe, größere Selbständige

    3.1

    7.9

    Schuldbildung/ wahrscheinlicher Schulabschluss

     

     

     

    Hauptschule

    27.7

     

     

    Mittlere Abschlüsse

    40.5

     

     

    Gymnasium, Fachhochschule, Hochschule

    31.8

    100.0

    Berufstätigkeit

     

     

     

    nicht berufstätig

    80.8

    100.0

     

    berufstätig, in Ausbildung

    19.2

     

     

    Itemanalysen

    Entsprechend dem Reproduzierbarkeitskoeffizienten von 0.84 (0.81) wird die Skala als eindimensional angesehen.

     

    Itemkennwerte

    Die Item-Trennschärfen liegen in Tabelle 2 vor.

     

    Tabelle 2

    Trennschärfen (rit)und Item-Mittelwerte (M) (Prozent-Werte der 1 codierte Antworten) der Stichproben 1 (= Norddeutschland) und 2 (= Gymnasium in Celle)

    Skalenwert

    Stichprobe

     

    1

    (N = 437)

    2

    (N = 146)

     

    rit

    M

    rit

    M

    1

    .46

    33.7

    .49

    50.0

    2

    .83

    14.3

    .55

    31.5

    3

    .49

    44.4

    .51

    76.0

    4

    .46

    13.3

    .15

    21.9

    5

    -

    -

    -

    -

    6

    -

    -

    -

    -

    7

    .45

    27.1

    .25

    29.4

    8

    .68

    11.2

    .54

    30.8

     

     

    Reliabilität

    Cronbachs Alpha beträgt .66, die Split-Half-Reliabilität ist .60. Die formale Zuverlässigkeit ist nach diesen Kriterien also nur mäßig hoch. Der Reproduzierbarkeitskoeffizient nach Guttmann beträgt .84 (.81) für die beiden Stichproben.

     

    Validität

    Es werden Gamma- und Tau-Werte für die Assoziation von musikalischer Sozialisation mit Variablen der musikalischen Kompetenz und Performanz in Tabelle 3 berichtet.

     

    Tabelle 3

    Gamma- und Tauwerte (Tau-Werte in Klammern) für die musikalische Sozialisation und Variablen der musikalischen Kompetenz und Performanz

     

    Stichprobe

     

    1

    2

    Subjektive Musikalität

    .24 (.16)

    .33 (.21)

    Interesse an Musikunterricht in der Schule

    .45 (.32

    .37 (.27)

    Häufigkeit des Besuchs von Musikveranstaltungen

    .47 (.33)

    .46 (.33)

    Notenkenntnis

    .62 (.44)

    .67 (.23)

    Aktive Musikausübung

    .48 (.32)

    .48 (.35)

    Interesse an Operettenmusik

     

    .28 (.20)

    Interesse an klassischer Musik

     

    .29 (.24)

    Interesse an Barockmusik

     

    .40 (.33)

     

    Deskriptive Statistiken (Normierung)

    Die Summenwerte der Skala sind nicht normal verteilt (die Items 5 und 6 wurden wegen geringer Streuung und minimaler Trennschärfe eliminiert). Die Verteilung der Skalenwerte (siehe Tabelle 4) in den Normstichproben sowie die Mittelwerte der Items (siehe Tabelle 2) werden dazu angegeben. Da fast zwei Drittel der Fälle in der größeren Stichprobe die beiden niedrigsten Skalenwerte besetzen, scheint in dieser Gruppe nur ein geringfügiges Anregungspotential vorhanden zu sein.

     

    Tabelle 4

    Verteilung der Skalenwerte in den Normstichproben

    Skalenwert

    Stichprobe

     

    1

    2

    1

    31.1

    12.3

    2

    31.1

    21.2

    3

    18.1

    18.5

    4

    8.1

    20.5

    5

    6.4

    18.5

    6

    3.1

    7.5

    7

    1.9

    1.4

     

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