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Instruktion
Jeder von uns hat schon unerlaubte Dinge getan. In diesem Fragebogen sollst Du nun einmal bitte angeben, was Du selbst schon getan hast. Bitte beantworte den Fragebogen EHRLICH, denn sonst ist er für unsere Untersuchung nicht zu gebrauchen. Was Du angibst, ist ja völlig GEHEIM, niemand erfährt, was Du eingetragen hast! Du brauchst ja auch keinen Namen anzugeben!
Bitte lies Dir die Fragen der Reihe nach durch und gib an, ob Du eine Tat schon einmal begangen hast oder nicht. Wenn Du sie begangen hast, dann unterstreiche bitte das "Ja" und schreibe bitte noch dahinter, wie oft Du es im letzten Jahr getan hast. Wenn Du einmal eine Zahl nicht mehr genau weißt, so gib sie UNGEFÄHR an! Wenn Du eine Tat noch nie begangen hast, dann unterstreiche bitte das "Nein" und schreibe hinten eine Null (0) rein!"
Beispiele:
1. Hast Du schon einmal einen Klassenkameraden geschlagen?
Ja / Nein / Wie oft im letzten Jahr?....4 mal
2. Hast Du schon mal eine Bank ausgeraubt?
Ja / Nein / Wie oft im letzten Jahr?
3. Hast Du schon mal Deine Hausaufgaben absichtlich nicht
gemacht?
Ja / Nein / Wie oft im letzten Jahr?....15 mal
Items
Nr. |
Item |
1 |
Bist Du schon einmal mit der Straßenbahn oder dem Bus gefahren, ohne zu bezahlen? |
2 |
Hast Du schon einmal versucht, aus einem Automaten etwas herauszuholen, ohne das richtige Geld einzuwerfen (z.B. durch Knöpfe, falsche Münzen)? |
3 |
Hast Du schon einmal versucht, bei einem Verkäufer zu viel Wechselgeld zu erschwindeln? |
4 |
Hast Du schon einmal versucht, in einem Gasthaus fortzugehen, ohne Deine Zeche zu bezahlen? |
5 |
Hast Du schon einmal etwas Gestohlenes angenommen oder verkauft? |
6 |
Warst Du schon einmal richtig betrunken? |
7 |
Hast Du schon mal die Schule einen ganzen Tag lang geschwänzt? |
8 |
Hast Du schon mal die Schule mehrere Tage lang geschwänzt? |
9 |
Warst Du schon mal eine Nacht von zu Hause fort, ohne dass Deine Familie wusste wo Du bist? |
10 |
Hast Du schon einmal in einem Kaufhaus oder Geschäft etwas gestohlen? |
11 |
Hast Du schon mal etwas von einem Kiosk oder Verkaufsstand gestohlen? |
12 |
Hast Du schon mal etwas von einer Baustelle gestohlen? |
13 |
Hast Du schon mal einem Schulkameraden etwas gestohlen? |
14 |
Hast Du schon mal aus einer Gaststätte etwas gestohlen? |
15 |
Hast Du schon mal ein Fahrrad gestohlen oder unerlaubt benutzt? |
16 |
Hast Du schon einmal ein Kraftfahrzeug (Auto, Motorrad, Moped) gestohlen oder unerlaubt benutzt? |
17 |
Hast Du schon einmal einem Menschen mit Gewalt gedroht, falls er Dir nicht etwas von sich gebe? |
18 |
Hast Du schon einmal einen anderen Menschen bei einer Schlägerei verletzt? |
19 |
Hast Du schon einmal einen anderen Menschen mit einem Messer, einer Pistole oder einer anderen Waffe bedroht? |
20 |
Bist Du schon einmal in eine Hütte oder in ein anderes Gebäude eingebrochen, ohne dass Du hierfür die Erlaubnis hattest? |
21 |
Hast Du schon mal absichtlich Fenster, Straßenlaternen oder ähnliche Dinge zerstört? |
22 |
Hast Du schon mal auf einem fremden Grundstück einen Zaun, eine Sperre oder etwas ähnliches beschädigt? |
23 |
Hast Du durch Zündeln schon mal einen Brand verursacht? |
24 |
Hast Du schon einmal Rauschgift genommen? |
25 |
Bist Du schon mal mit einem Kraftfahrzeug (Auto, Motorrad, Moped) gefahren, ohne dass Du den notwendigen Führerschein hattest? |
26 |
Benutzt Du eine Waffe, die für Jungen in Deinem Alter nicht erlaubt ist? |
27 |
Hast Du schon mal auf der Straße jemand so belästigt, dass er die Polizei holen wollte? |
28 |
Musstest Du schon einmal zur Polizei oder zum Jugendamt, weil Du etwas Unerlaubtes getan hattest? |
Antwortvorgaben
Die Skala enthält ein dichotomes Antwortformat mit den Antwortmöglichkeiten „ja“ und „nein“. Beantworten die Probanden ein Item mit „ja“, werden sie zusätzlich gefragt, wie oft sie diese Art des delinquenten Verhaltens im letzten Jahr ausgeführt haben („Wie oft im letzten Jahr?“)
Auswertungshinweise
Da die Items der Skala bei den Häufigkeitsangaben sehr schiefe Verteilungen erbrachten (überwiegend: Delikt nicht begangen), schlagen die Autoren eine Kategorienbildung vor:
0 = Delikt nicht begangen
1 = Delikt einmal begangen
2 = Delikt 2 bis 5mal begangen
3 = Delikt 6 bis 10mal begangen
4 = Delikt über 10mal begangen
Nach Lösel ist die Umcodierung ein objektives Äquivalent zu jener Kategorisierung, die der Proband vorzunehmen hätte, wenn z.B. gefragt würde, ob er bestimmte Handlungen "oft", "selten" etc. begangen habe. Damit entspricht diese Auswertungsart formal einer Likert-Skalierung, wobei natürlich für beide der Einwand besteht, dass es sich im Grunde nur um Ordinalniveau handelt" (Lösel, 1975, S. 150 f.). Nach der Codierung wird ein ungewichteter Summenindex gebildet.
Anwendungsbereich
Hinweis der Herausgeber: Informationen zum Anwendungsbereich von Delinquenzskalen finden sich bei Oberwittler et al. (2014).
Die Skala erfasst Selbsteinschätzungen über delinquente Verhaltensweisen bei Jugendlichen. Zum theoretischen Hintergrund, der auf einem integrativen Ansatz beruht, vgl. Lösel (1975).
Itemkonstruktion und Itemselektion
Auf Grundlage der Skalen von Quensel und Quensel (1970), Amelang (1971) und verschiedener amerikanischer Studien wurden für die Rohform des Delinquenzfragebogens 54 Items zusammengestellt (vgl. Lösel, 1975).
Die Itemformulierung orientierte sich an folgenden Vorgaben:
- Der Inhalt der Items sollte möglichst konkret gehalten sein.
- Zunächst sollte die Frage gestellt werden, ob die Versuchsperson überhaupt ein Delikt begangen habe, daran schloss sich die Frage nach der Delikthäufigkeit an. (Hierdurch erhoffte man sich eine höhere Anzahl vollständiger Daten als bei der unmittelbaren Frage nach der Delikthäufigkeit.)
- Es sollten möglichst unterschiedliche Delikte einbezogen werden.
- Es sollten nur solche Delikte aufgenommen werden, für die mit Konsequenzen seitens der Polizei/den Jugendämtern zu rechnen war.
Diese 54 Items wurden den Versuchspersonen des Pretests vorgelegt. Die Itemselektion wurde anhand folgender Kriterien vorgenommen:
- Alle Items, die von weniger als 10 % der Jugendlichen zugegeben worden waren, wurden eliminiert.
- Items, die zwar eine geringe Trennschärfe aufwiesen, jedoch spezifische Delinquenzbereiche repräsentierten, wurden beibehalten.
- Bei Items aus vergleichbaren Delinquenzbereichen und mit ähnlicher Trennschärfe wurde dasjenige mit einem höheren Anteil an "Ja"-Antworten (niedrigere Schwierigkeit) gewählt.
- Items mit niedriger Trennschärfe wurden dann beibehalten, wenn ihr Schwierigkeitsgrad gering war.
- Items, deren Schwierigkeit und Trennschärfe zufriedenstellend war, wurden dann eliminiert, wenn deren Inhalt teilweise von anderen Items miterfasst wurde.
Aufgrund dieser gemischten Strategie der Itemselektion wurden schließlich 27 Items in die Delinquenzbelastungsskala aufgenommen, als 28. Item kam die Frage nach bisherigem
Polizei- und Jugendamtkontakt hinzu.
Stichproben
Am Pretest nahmen n = 63 männliche Versuchspersonen aus 3 Klassen des 9. Jahrgangs Nürnberger Hauptschulen teil. Teilnehmer der Hauptuntersuchung waren 161 männliche Schüler aus 8 Klassen des 8. Jahrgangs Nürnberger Hauptschulen. Der Altersdurchschnitt betrug M = 14.3 Jahre (SD = .64) mit einer Rangweite von 13 bis 16 Jahre.
Itemanalysen
Nach einer a priori-Klassifikation inhaltlich vergleichbarer Delikte wurden drei Subskalen gebildet, die für spätere Spezifikationen der "Delinquenz" herangezogen werden sollten. Diese sind:
- eine "Eigentumsdelikt-Skala" E, in der Diebstähle, Betrügereien etc. zusammengefasst waren (Item-Nrn. 1, 2, 3, 4, 5, 10, 11, 12, 13, 14, 15 und 16),
- eine "Verwahrlosungsskala" V, bestehend aus "Rückzugsdelikten" wie Schulschwänzen, Streunen, Alkohol- und Rauschgiftkonsum (Item-Nrn. 6, 7, 8, 9, 24),
- eine "Aggressivitätsskala" A, die sich aus Items über Bedrohungen und Verletzungen von Personen und Sachbeschädigungen zusammensetzte (Item-Nrn. 17, 18, 19, 21, 22, 26, 27).
Hierzu liegen die Kennwerte in Tabelle 1 vor.
Eine Faktorenanalyse ergab einen deutlichen 1. Faktor, der über 22 % der Gesamtvarianz erklärt und als die nach außen gerichtete, eine Schädigung der Umwelt implizierende Delinquenz (Kriminalitätstendenz) interpretiert wird. Auf dem 2. Faktor laden vor allem die Rückzugssymptome der Verwahrlosung (nichtkriminelle Verwahrlosung). Wenngleich in der zweiten Faktorenlösung nur ca. 30% der Gesamtvarianz extrahiert werden konnten, wurde auf eine Extraktion weiterer Faktoren verzichtet, da die meist niedrigen Schwierigkeitsindizes der Delinquenz-Items eine Stichprobenspezifität der Dimensionierung begünstigen.
Tabelle 1
Mittelwerte (M), Standardabweichung (SD), Cronbachs Alpha (CA), Korrelation Dimension-Gesamttest (r)
Dimension |
M |
SD |
CA |
r |
E |
6.73 |
5.39 |
.74 |
.89 |
F |
2.85 |
3.04 |
.69 |
.67 |
A |
3.68 |
3.80 |
.68 |
.83 |
Anmerkungen. E = Eigentumsdelikte, F = Rückzugs-Verwahrlosung, A = Aggressionsdelikte
Itemkennwerte
Es liegt sowohl der auf die ja/nein Kategorisierung bezogene als auch der auf die fünf Begehungskategorien bezogene Trennschärfeindex (siehe Tabelle 2) vor. Die kategoriale Auswertung bringt eine deutliche Erhöhung der Trennschärfe bei jenen Delikten, die häufiger zugegeben werden (z.B. Item 1, 6, 10), jedoch eine Trennschärfeminderung bei einigen selteneren Delikten (z.B. 16, 19, 23). Da in der Delinquenzbelastungsskala sowieso meist sehr niedrige Schwierigkeitsindizes vorliegen, ist eine erhöhte Differenzierungsfähigkeit der Skala im Mittelbereich anzustreben. Diesem Gesichtspunkt trägt die kategoriale Auswertung Rechnung.
Tabelle 2
Item-Gesamt-Korrelationen
Item |
1 |
2 |
01 |
.36 |
.55 |
02 |
.60 |
.58 |
03 |
.46 |
.48 |
04 |
.41 |
.35 |
05 |
.43 |
.44 |
06 |
.47 |
.60 |
07 |
.40 |
.45 |
08 |
.40 |
.40 |
09 |
.43 |
.38 |
10 |
.50 |
.64 |
11 |
.43 |
.49 |
12 |
.50 |
.54 |
13 |
.22 |
.19 |
14 |
.38 |
.36 |
15 |
.37 |
.39 |
16 |
.35 |
.27 |
17 |
.40 |
.39 |
18 |
.59 |
.62 |
19 |
.32 |
.27 |
20 |
.52 |
.58 |
21 |
.42 |
.54 |
22 |
.54 |
.61 |
23 |
.40 |
.29 |
24 |
.24 |
.38 |
25 |
.49 |
.56 |
26 |
.44 |
.37 |
27 |
.53 |
.56 |
Anmerkungen. 1 = Trennschärfeindex (Items nach ja/nein), 2 = Trennschärfeindex mit kategorisierten Beobachtungshäufigkeiten: 0 = 0mal, 1 = 1mal, 2 = 2-5mal, 3 = 3-5mal, 4 = über 10mal)
Reliabilität
Der Reliabilitätskoeffizient des Gesamttests (Cronbachs Alpha = .92) weist auf eine hohe Konsistenz der Skala hin.
Validität
Die Delinquenzbelastungsskala wurde mit mehreren, an der gleichen Stichprobe erhobenen Skalen korreliert:
- der Social-Desirability-Scale zur Überprüfung der Tendenz der Vpn in Richtung sozialer Erwünschtheit zu antworten. Nach der Korrelation von r = -.29 (p < .01) ist die hohe Konsistenz der Skala kaum durch eine konsistente Fälschungstendenz der Vpn bedingt (vgl. hierzu Lösel, 1975, S. 158);
- der Variable "bisheriger Kontakt zu Polizei/Jugendamt". Die punktbiserale Korrelation von r =.31 (p < .01) zeigt, dass Versuchspersonen mit Vorladung zu Polizei/Jugendamt höhere Delinquenzbelastungswerte haben als nicht offiziell erfasste Täter;
- ein weiteres Indiz für die Zuverlässigkeit der Angaben findet sich in der hohen Korrelation mit der Delinquenzbelastungsskala von Quensel (r = .87, N = 63, p < .01).
Deskriptive Statistiken
Es liegen die prozentualen Häufigkeitsverteilungen für jedes Item in Tabelle 3 vor. Das arithmetische Mittel für delinquente Verhaltensweisen betrug M = 15.02, die Standardabweichung s = 11.33 (N =161). Es zeigt sich eine auffallend starke Delinquenzbelastung einer offiziell weitgehend "unauffälligen" Volksschülerstichprobe (z.B. 55 % der Probanden mit Kaufhaus-/Ladendiebstählen, 50% mit Verkehrsdelikten), wobei es sich keineswegs nur um einmalige Akte handelt.
Tabelle 3
Prozentuale Häufigkeiten
Itemnummer |
1mal |
2-5ml |
5-10mal |
> 10mal |
01 |
17 |
32 |
9 |
12 |
02 |
12 |
38 |
5 |
3 |
03 |
6 |
9 |
2 |
0 |
04 |
6 |
6 |
0 |
0 |
05 |
12 |
12 |
2 |
1 |
06 |
14 |
39 |
8 |
4 |
07 |
14 |
17 |
6 |
1 |
08 |
5 |
5 |
2 |
2 |
09 |
7 |
7 |
1 |
1 |
10 |
16 |
23 |
5 |
4 |
11 |
4 |
9 |
2 |
0 |
12 |
18 |
15 |
5 |
3 |
13 |
9 |
6 |
1 |
0 |
14 |
6 |
7 |
2 |
0 |
15 |
11 |
14 |
2 |
1 |
16 |
3 |
3 |
2 |
1 |
17 |
8 |
7 |
4 |
1 |
18 |
20 |
20 |
2 |
6 |
19 |
2 |
2 |
0 |
0 |
20 |
14 |
9 |
3 |
1 |
21 |
12 |
12 |
1 |
0 |
22 |
11 |
21 |
5 |
2 |
23 |
9 |
2 |
1 |
1 |
24 |
3 |
4 |
2 |
2 |
25 |
8 |
25 |
9 |
7 |
26 |
7 |
8 |
1 |
8 |
27 |
8 |
21 |
2 |
1 |
- Prof. Dr. Friedrich Lösel, Universität Erlangen-Nürnberg, Institut für Psychologie I, Bismarckstr. 1, D-91054 Erlangen; E-Mail: fal23@cam.ac.uk