Depressivität im nichtklinischen Kontext
Rollenkonflikt
Soziale Stressoren am Arbeitsplatz
Work-Family Conflict Scale (ISSP)

Depressivität im nichtklinischen Kontext

Autor/in: Mohr, G. & Müller, A.
In ZIS seit: 2004
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Zusammenfassung:

Die Skala erfasst psychische Befindensbeeinträchtigung und soll die Möglichkeit bieten, einen präventiven Interventionsbedarf zu erkennen, bevor es zu psychischen oder psychosomatischen Erkrankungen kommt. Die Entwicklung der Skala basiert auf dem Depressionsmodell von Beck (1967).

Abstract:

The scale measures psychological impairment of well-being and is intended to offer the possibility of identifying a need for preventive intervention before psychological or psychosomatic illnesses occur. The development of the scale is based on the Beck depression model (1967).


Sprache Dokumentation: deutsch
Sprache Items: deutsch
Anzahl der Items: 8
Reliabilität: Cronbachs Alpha = .60 bis .88
Validität: Hinweise auf die konvergente, divergente und prädiktive Validität
Konstrukt: psychische Befindensbeeinträchtigung
Schlagwörter: Depression, Prävention, Lebensqualität | depression, prevention, quality of life
Item(s) in Bevölkerungsumfrage eingesetzt: nein
Skalenentwicklung: validiert

Instruktion

Nutzen Sie die nachfolgenden Antwortmöglichkeiten, um anzugeben, ob bzw. wie oft die folgenden Aussagen für Sie zutreffen. Es gibt keine richtigen oder falschen Antworten. Bitte lassen Sie keine Frage aus!

 

Items

Nr.

Item

1

Ich muss mich sehr dazu antreiben, etwas zu tun.

2

Vieles erscheint mir so sinnlos.

3

Mich bedrücken Schuldgefühle.

4

Ich fühle mich einsam, selbst wenn ich mit anderen Menschen zusammen bin.

5

Ich habe traurige Stimmungen.

6

Ich finde es schwer, Entscheidungen zu treffen.

7

Am Anfang des Tages fühle ich mich am schlechtesten.

8

Ich sehe ohne Hoffnung in die Zukunft.

 

Antwortvorgaben

7-stufige Frequenzskalen mit den Benennungen 1 = nie, 2 = sehr selten, 3 = selten, 4 = gelegentlich, 5 = oft, 6 = sehr oft, 7 = fast immer.

 

Auswertungshinweise

Als Antwortformat hat sich die siebenstufige Frequenzskala über verschiedene Stichproben hinweg bewährt, so auch bei an- und ungelernten Beschäftigten. Aufgrund ihrer Eindimensionalität können die Werte der Items aufaddiert und durch die Anzahl der Items dividiert werden. Hohe Werte bedeuten hohe Depressivität.

 

 

Depressivität kann unter den Oberbegriff psychische Befindensbeeinträchtigungen eingeordnet werden. Diese entsprechen dem kognitiv-emotionalen Erleben einer verminderten Lebensqualität als langfristige Folge von alltäglichen und andauernden Stressoren (vgl. Mohr, 1986; 1991). Psychische Befindensbeeinträchtigung ist daher nicht gleichzusetzen mit psychischer Krankheit.

Theoretische Grundlage für die hier dokumentierte Itembatterie ist das kognitive Modell der Depression von Beck (1967). Es hypothetisiert eine sogenannte "kognitive Triade", nach der depressive Personen eine negative Sicht auf sich selbst, ihre Umwelt und ihre Zukunft haben. Mit Depressivität wird ein Vorstadium klinischer Depression bezeichnet, in dem die Automatisierung und Übergeneralisierung der kognitiven Triade noch nicht voll ausgeprägt ist. Der Einfluss der Arbeit auf die Entwicklung von Depressivität wurde u.a. von Karasek und Theorell (1990) analysiert.

Die Items zur Depressivität im nichtklinischen Kontext wurden für einen Einsatz in der betrieblichen gesundheitspsychologischen Forschung und Praxis entwickelt. Erhebungen im betrieblichen Kontext erfolgen nicht an Stichproben mit klinisch ausgeprägter Symptomatik, da diese in der Regel mit Arbeitsunfähigkeit einhergeht. Klassische Instrumente der Klinischen Psychologie sollten hier somit nicht verwendet werden.

Das Instrument bietet die Möglichkeit, bevor es zu psychischen oder psychosomatischen Erkrankungen kommt, einen präventiven Interventionsbedarf zu erkennen. Es kann auch als Kriterium zur Maßnahmenevaluation auf Gruppenebene eingesetzt werden.

 

 

Itemkonstruktion und Itemselektion

Den ursprünglichen Itempool bildeten 16 Items der Depressionsskala von Zerrsen (1973), 5 Items der Selbstbeurteilungs-Depressions-Skala von Zung (1965) sowie 4 Items, die auf der Grundlage von Interviews mit Beschäftigten der Stahl- und Elektroindustrie und Expertengesprächen mit Mitarbeitern werksärztlicher Dienste sowie Arbeitswissenschaftlern erstellt worden waren. Aus diesen 25 Items wurden in drei quantitativen Untersuchungen schrittweise alle Items mit einer Trennschärfe von zunächst < .20 und später < .35 ausgeschlossen. Eine detaillierte Beschreibung der Skalenkonstruktion findet sich in Mohr (1986). Die Endform wurde erstmals von Zapf et al. (1983) dokumentiert.

 

Stichproben

Die erste Anwendung der Skala erfolgte in einer Untersuchung mit 932 männlichen Beschäftigten der Stahl- und Elektroindustrie. Das Durchschnittsalter betrug 38 Jahre, das durchschnittliche Jobalter 5 Jahre. 84% der Befragten hatten eine abgeschlossene Berufsausbildung. Die Stichprobenzusammenstellung basierte auf einer theoretisch geleiteten Arbeitsplatzauswahl in Kombination mit geschichteter Zufallsauswahl. Die Rohdaten aus dieser ersten Erprobung stehen nicht mehr zur Verfügung. Deshalb wurden für die faktoranalytische Prüfung der Dimensionalität der Items die Daten aus einer zweiten Stichprobe mit 125 arbeitslosen Industriearbeiterinnen herangezogen (durchschnittliches Alter: 34 Jahre, s = 11.3 Jahre). Die Itembatterie wurde über verschiedene Branchen hinweg in einer Reihe weiterer Untersuchungen (Tabelle 1) angewendet.

 


 

Tabelle 1

Cronbachs Alpha (CA) für die Itembatterie zu Depressivität im nichtklinischen Kontext nach verschiedenen Stichproben (N = Stichprobengröße, n = Anzahl Items)

Studie/Literaturquelle

Stichprobe

N

n

CA

Dormann & Zapf (1999)

Verschiedene

202-529

3

.72-.76

Frese (1999)

Arbeiter

90

8

.61

Knorz & Zapf (1996)

Mobbingopfer

50

9

.88

Leitner (1993)

Verschiedene

222-261

8

.84-.87

Mohr (1986)

Arbeiter

204

8

.60

Mohr (2000)

Arbeiter

110-145

8

.77-.85

Zapf (1999)

Mobbingopfer

251

8

.86

Zapf et al. (1983)

Arbeiter

928

8

.80

 

Itemanalysen

Eine Hauptkomponentenanalyse (Tabelle 2) führt auf eine Dimension mit einem Eigenwert > 1, der ca. 50 % der Gesamtvarianz der Itemantworten aufklärt . Die Eindimensionalität der Items wird durch eine konfirmatorische Faktoranalyse  bestätigt (Chi-Sqare = 41.2, df = 20, GFI = .92,  AGFI = .86, CFI =  .93, RMSEA = .10).

 

Tabelle 2

Mittelwerte (M), Standardabweichungen (s), Trennschärfen (T) und Komponentenladungen (K) für die Itembatterie zu Depressivität im nichtklinischen Kontext

Item

M*

s*

T*

K**

01

3.10

1.22

.44

.71

02

3.10

1.17

.49

.82

03

2.55

1.24

.50

.65

04

2.07

1.25

.60

.74

05

2.74

1.11

.63

.83

06

2.85

1.13

.57

.62

07

3.04

1.46

.40

.62

08

2.25

1.21

.50

.63

 

2.71

.79

 

 


*Stichprobe 1, N=924, **Stichprobe 2, N=115

 

Itemkennwerte

Die Trennschärfen der Items variieren zwischen .40 (Item 7) und .63 (Item 5) und sind somit als zufriedenstellend zu beurteilen. Die Komponentenladungen (Tabelle 2) der Items liegen vor.

 

Reliabilität

Die interne Konsistenz der acht Depressivitäts-Items beträgt nach Cronbachs Alpha (Tabelle 1) .60 bis .88 für verschiedene Stichproben und ist damit als befriedigend bis gut zu beurteilen.

 

Validität

Ergebnisse aus einer Längsschnittstudie mit zwei Erhebungszeitpunkten in 1979 und 1981 von Frese (1999) belegen die konvergente Validität der Depressivitäts-Skala. Sie zeigen, dass deren Beantwortung signifikant (p<.01, N=90) und zeitlich stabil mit weiteren psychischen Befindensbeeinträchtigungen, wie psychosomatischen Beschwerden (.39), Irritation (.37) und  Angst (.32), assoziiert ist. In einer Längsschnittuntersuchung von Dormann und Zapf (2002) konnte eine Annahme des Entwicklungsmodells psychischer Befindensbeeinträchtigungen (Mohr, 1991) bestätigt werden, nach welcher sich Depressivität erst nach einer Wirkung von sozialen Stressoren über die Mediation von Irritation entwickelt. Leitner (1993) beobachtete signifikante Zusammenhänge (p< .05, N=218) zwischen schlechten Arbeitsbedingungen, definiert über zusätzlich erforderlichen Regulationsaufwand zur Bewältigung von Arbeitsanforderungen und Depressivität. Diese Zusammenhänge weisen eine hohe zeitliche Konstanz von bis zu zwei Jahren auf. Die Skala ist somit in der Lage, über subjektive Befindensbeeinträchtigungen hinaus, auch die Wirkung andauernder objektiver Stressoren zu identifizieren.

Die diskriminante Validität der Depressivitäts-Skala wird durch negative Zusammenhänge (p<.01, N= 145. bzw. 110; Mohr, 2000) zwischen ihrer Beantwortung und Selbstwerterleben (-.51) sowie sozialer Unterstützung durch Vorgesetzte (-.37) bestätigt (vgl. auch Dormann & Zapf, 1999). Negative Zusammenhänge (p< .01, N=157-203; Mohr, 1986) zeigten sich weiterhin mit Lebenszufriedenheit (-.37) und mit dem Erleben individueller Kontrolle in Arbeit und Gesellschaft (-.33).     

 

Deskriptive Statistiken

Nach den Daten der ersten Erprobungsstichprobe (n = 932) beträgt der Mittelwert der Skala 2.71, die Standardabweichung .79, die Schiefe .45 und der Exzess .33. Die Mittelwerte und Standardabweichungen (Tabelle 2) für die einzelnen Items liegen vor.

 


 

Mohr, G. & Müller, A.