Instruktion
Im Folgenden finden Sie zwanzig Aussagen zur Beschreibung der eigenen Person. Bitte geben Sie bei jeder Aussage an, wie sehr diese auf Sie persönlich zutrifft. Hierfür stehen ihnen folgende Antworten zur Verfügung:
- 1 = trifft gar nicht auf mich zu
- 2 = trifft kaum auf mich zu
- 3 = trifft etwas auf mich zu
- 4 = trifft stark auf mich zu
Items
Subskalen:
- NE = Teilskala Neuigkeit
- IN = Teilskala Intensität
Nr. |
Item |
Polung |
Kurz-skala |
Sub-skala |
1 |
Ich fände es interessant, jemanden aus dem Ausland zu heiraten. |
+ |
X |
NE |
2 |
Wenn das Wasser sehr kalt ist, gehe ich selbst an heißen Tagen nicht gerne schwimmen. |
- |
|
IN |
3 |
Wenn ich in einer langen Schlange stehe, bin ich für gewöhnlich sehr ungeduldig. |
+ |
|
NE |
4 |
Wenn ich Musik höre, sollte sie laut sein. |
+ |
X |
IN |
5 |
Wenn ich verreise, denke ich, dass es am besten ist, so wenige Pläne wie möglich zu machen und es so zu nehmen, wie es kommt. |
+ |
X |
NE |
6 |
Ich gehe nicht in Kinofilme, die ängstigend oder "nervenaufreibend" sind. |
- |
X |
IN |
7 |
Es würde mir Spaß machen, und ich fände es aufregend, vor einer Gruppe aufzutreten oder zu sprechen. |
+ |
X |
NE |
8 |
Wenn ich auf einen Rummel gehe, würde ich die Achterbahn oder andere schnelle Bahnen bevorzugen. |
+ |
X |
IN |
9 |
Ich würde gerne an fremde und entfernte Orte reisen. |
+ |
X |
NE |
10 |
Ich würde niemals Glücksspiele um Geld machen, selbst wenn ich es mir leisten könnte. |
- |
|
IN |
11 |
Mir hätte es gefallen, eine/r der ersten Entdecker eines unbekannten Landes gewesen zu sein. |
+ |
X |
NE |
12 |
Ich mag Filme, in denen eine Menge Explosionen und Verfolgungsjagden vorkommen. |
+ |
X |
IN |
13 |
Ich mag keine extrem scharfen und gewürzten Speisen. |
- |
|
NE |
14 |
Im Allgemeinen kann ich besser arbeiten, wenn ich unter Druck bin. |
+ |
|
IN |
15 |
Ich habe gerne und häufig das Radio oder den Fernseher an, wenn ich etwas anderes mache (z.B. lesen oder saubermachen). |
+ |
|
NE |
16 |
Es wäre interessant, einen Autounfall zu beobachten. |
+ |
X |
IN |
17 |
Ich denke, wenn man im Restaurant isst, ist es am besten, sich etwas Bekanntes zu bestellen. |
- |
X |
NE |
18 |
Ich mag das Gefühl, am Rande eines Abgrundes oder in großer Höhe zu stehen und herunterzuschauen. |
+ |
X |
IN |
19 |
Wenn es möglich wäre, umsonst auf den Mond oder einen anderen Planeten zu fliegen, wäre ich unter den ersten, die sich dafür melden würden. |
+ |
X |
NE |
20 |
Ich kann mir vorstellen, dass es aufregend sein muss, während eines Krieges in einem Kampf zu sein. |
+ |
X |
IN |
Antwortvorgaben
4-stufige Ratingskalen mit den Antwortoptionen (1) trifft gar nicht auf mich zu, (2) trifft kaum auf mich zu, (3) trifft etwas auf mich zu, (4) trifft stark auf mich zu.
Auswertungshinweise
Die Skalensummenwerte können durch Summierung der zugehörigen Items und anschließender Division durch die Itemanzahl gebildet werden:
1. Originalskalenbildung
Skala 1: Neuigkeit: (1 + 3 + 5 + 7 + 9 + 11 + 13 + 15 + 17 +19) / 10
Skala 2: Intensität: (2 + 4 + 6 + 8 + 10 + 12 + 14 + 16 + 18 + 20) /10
2. Gekürzte Skalenbildung (s.o.):
Skala 1: Neuigkeit: (1 + 5 + 7 + 9 + 11 + 17 +19) / 7
Skala 2: Intensität: (4 + 6 + 8 + 12 + 16 + 18 + 20) / 7
Die unterstrichenen Items sind vor der Summenbildung umzupolen.
Sensation Seeking (SS) ist nach Zuckerman (1979) eine Persönlichkeitsdisposition, die charakterisiert ist durch "the need for varied, novel and complex situations and experiences, and the willingness to take physical and social risk for the sake of such experiences" (p. 10). Dabei ist davon auszugehen, dass interindividuelle Unterschiede im Bedürfnis nach Stimulation existieren, und dass Personen somit solche Stimulationen unterschiedlich aktiv suchen.
In den letzten Jahren wurde das Konstrukt zur Beschreibung und Erklärung für eine Vielzahl unterschiedlicher Formen von Risikoverhalten herangezogen, u.a. für die Teilnahme an Risikosportarten (z.B. Wagner & Houlihan, 1994), den Konsum illegaler Drogen (z.B. Kopstein, Crum, Celentano & Martin, 2001), riskantes Sexualverhalten (z.B. Greene, Krcmar, Walters, Rubin & Hale, 2000) oder aggressives Fahrverhalten (z.B. Herzberg, 2001). Zudem konnten stabile Zusammenhänge zu verschiedenen biochemischen und psychophysiologischen Indikatoren festgestellt werden (zsf. Brocke, Beauducel & Tasche, 1999; Zuckerman, 1994). Auf theoretischer Ebene wird dem Sensation Seeking auch daher große Bedeutsamkeit beigemessen, weil es im Rahmen faktorenanalytischer Persönlichkeitsmodelle als eigenständiger Faktor neben oder alternativ zu den "Big Five" diskutiert wird (vgl. Andresen, 2002; Zuckerman, Kuhlman, Joireman, Teta & Kraft, 1993).
Es existieren zwar verschiedene Verfahren zur Erfassung der Erlebnissuche und Risikomotivation. Die vorliegenden Befunde basieren jedoch fast ausschließlich auf der von Zuckerman entwickelten Sensation Seeking Scale Form V (SSS-V; Zuckerman, Eysenck & Eysenck, 1978). Diese ist in den letzten Jahren aber mehr oder minder stark kritisiert worden (z.B. Ferrando & Chico, 2001; Watten, 1997). Die systematischste Auseinandersetzung hat Arnett (1994) vorgelegt (vgl. auch Roth, 2003).
Zur Überwindung der mit der SSS-V verbundenen Probleme entwickelte Arnett (1994) mit der Arnett Inventory of Sensation Seeking (AISS) ein alternatives Instrument. Es besteht aus 20 Items mit vierstufigem Antwortformat, die gleichmäßig auf zwei Subskalen verteilt sind: Die Skala Intensität (Intensity) misst das Bedürfnis nach intensiver Sinnesstimulation, die Skala Neuigkeit (Novelty) erfasst hingegen die Offenheit und Aufgeschlossenheit für neuartige Stimulationen. Im Gegensatz zur SSS-V wurden keine Items einbezogen, die per se altersabhängig sind oder die illegale oder soziale Normen brechende Verhaltensweisen beinhalten. Stattdessen beschreiben die Items eher ein Bedürfnis nach Sinnesstimulation auf neutraler Ebene.
Der Verzicht auf Items, die riskante, illegale und normbrechende Verhaltensweisen tangieren, bindet das Konstrukt enger an sensorische Erfahrungen und weniger an bestimmte Situationen, die vom Sensation Seeker aufgesucht werden. "Sensation seeking is not only a potential for taking risks, but is more generally a quality of seeking intensity and novelty in sensory experiences, which may be expressed in multiple areas of a person's life" (Arnett, 1994, p. 290). Diese verschiedenen Ausdrucksformen des SS-Traits können in Abhängigkeit von individuellen Sozialisationsbedingungen sowohl antisozial als auch sozial akzeptiert sein. Nach Arnett (1994) sollten daher diese spezifischen Verhaltensformen (z.B. Drogenkonsum, Sexualverhalten), auf welche sich das grundlegende Bedürfnis nach sensorischer Simulation bezieht, eher eine empirische Fragestellung konstituieren und nicht bereits Bestandteil der Definition und Messung des Konstruktes darstellen.
Die größte Schwäche des AISS, das die Basis des hier dokumentierten Instruments bildet, liegt in zu niedrigen internen Konsistenzen. Cronbachs Alpha beträgt für die Gesamtskala nur .67 - .70 und für die Subskalen .58 - .64 (Intensität) sowie = .50 - .53 (Arnett, 1994; 1998; Powell et al., 1999; Zarevski et al., 1998; Ferrando & Chico, 2001). Dies dürfte in erster Linie auf die Skalenkonstruktion zurückzuführen sein: Arnett (1994) verzichtete bei den via intuitiv-theoretischer Strategie (vgl. Fisseni, 1997) konstruierten Skalen auf jede empirische Prüfung mit anschließender Itemrevision. Entsprechend fanden sowohl Haynes, Miles und Clements (2000) als auch kürzlich Ferrando und Chico (2001), dass das AISS zwar recht deutlich die postulierte zweidimensionale Struktur aufweist. Einige Items sind aber nur schwache Indikatoren der ihnen zugeordneten Konstrukte. In beiden Untersuchungen konnten übereinstimmend die Items 3, 13 und 15 (Neuigkeit) sowie Item 2 (Intensität) als solche unzureichenden Indikatoren identifiziert werden.
Dass das AISS trotz der genannten Schwächen zunehmend Anwendung findet, dürfte vor allem seiner theoretischen Grundlage und dem nachvollziehbaren Verzicht auf spezielle Risikoverhaltensweisen als Bestandteil der SS-Definition zu verdanken sein.
Itemkonstruktion und Itemselektion
Das hier dokumentierte Instrument basiert auf dem Arnett Inventory of Sensation Seeking (Arnett, 1994). Das AISS besteht aus 20 Items, die den beiden Subskalen Intensität und Neuigkeit zugeordnet sind. Für die Konstruktion der deutschen Version (AISS-d) wurden diese ins Deutsche übersetzt. Die Güte der Übersetzung wurde anhand einer Rückübersetzung durch einen bilingualen Studenten überprüft.
Nach der psychometrischen Prüfung der übersetzten Version sind die Komponentenladungen oder die Trennschärfen für sechs Items (2, 10, 14, 3, 13, 15) als unzureichend zu beurteilen. Dies stimmt mit Befunden zur englischen Originalskala überein. Es wird daher empfohlen, zur Verbesserung der internen Konsistenz auf den Einbezug dieser Items bei der Bildung der Summenwerte für die Subskalen sowie des Gesamtwertes zu verzichten.
Stichproben
Die zur Erprobung des AISS-d herangezogene Stichprobe bestand aus 250 Studierenden unterschiedlicher Fachrichtungen. Die Daten von 22 Probanden wurden aufgrund ihres Alters (> 50 Jahre; N = 15) oder zu vieler fehlender Werte (mehr als 2 pro Fragebogenseite; N = 7) ausgeschlossen. Von den verbleibenden 228 Studierenden waren 61.4% weiblich (N = 140). Jeweils 24.1% (N = 55) studierten die Fachrichtungen Wirtschaft/Jura und Naturwissenschaft/Technik. 33.8% (N = 77) studierten Geisteswissenschaft/Sprachen und 17.1% (N = 39) Psychologie (2 fehlende Angaben). 52.3% (N = 119) der Probanden waren zwischen 19 und 23 Jahren, 47.7% (n = 109) zwischen 24 und 36 Jahren alt (M = 24.0, SD = 3.4).
Itemanalysen
Eine Hauptkomponentenanalyse der Antworten zu der 20 Item Version des AISS-d führt auf acht Komponenten mit einem Eigenwert > 1. Sie erklären 60% der Gesamtvarianz der Variablen. Eine entsprechend den theoretischen Vorannahmen erzwungene Zwei-Komponentenlösung mit Varimax-Rotation, die sich auch nach dem Eigenwerteverlauf rechtfertigen lässt (2.9, 1.9, 1.4, 1.3, 1.2, 1.2), erklärt 24% der Varianz (Tabelle 1).
Ladungen für die Komponenten Neuigkeit und Intensität sowie Kommunalitäten nach einer Hauptkomponentenanalyse (Varimax-Rotation) der 20 AISS-Items (N = 228)
|
Neuigkeit |
Intensität |
Kommunalitäten |
01 |
.47 |
-.25 |
.28 |
02 |
.02 |
-.09 |
.08 |
03 |
.36 |
-.07 |
.14 |
04 |
.38 |
.11 |
.16 |
05 |
.67 |
-.06 |
.45 |
06 |
.54 |
.29 |
.38 |
07 |
-.29 |
-.06 |
.09 |
08 |
-.01 |
.22 |
.05 |
09 |
-.44 |
.14 |
.21 |
10 |
.57 |
.35 |
.45 |
11 |
-.44 |
.09 |
.20 |
12 |
.20 |
.16 |
.07 |
13 |
-.05 |
-.59 |
.35 |
14 |
.29 |
.51 |
.35 |
15 |
.03 |
-.18 |
.03 |
16 |
.10 |
.68 |
.47 |
17 |
.32 |
-.03 |
.11 |
18 |
-.16 |
.49 |
.27 |
19 |
.49 |
.33 |
.35 |
20 |
.06 |
.64 |
.41 |
Zwar bilden die eruierten Komponenten die beiden postulierten Dimensionen Intensität und Neuigkeit ab, allerdings nicht robust mit der für die Teilskalen zu erwartenden Itemzusammensetzung. Acht der ursprünglich 10 Items der Neuigkeits-Skala weisen Hauptladungen für die erste Komponente auf (Eigenwert = 2.5, aufgeklärte Varianz = 12.7%), und sechs der ursprünglich 10 Items der Intensitäts-Skala erzielen ihre Hauptladungen für die zweite Komponente (Eigenwert = 2.3, aufgeklärte Varianz = 12.7%). Dieser Befund entspricht im Wesentlichen den Ergebnissen der beiden mit der englischen Originalskala durchgeführten Untersuchungen. Auch Haynes et al. (2000) sowie Ferrando und Chico (2001) bestätigen die bidimensionale Struktur des AISS und verweisen gleichzeitig auf einige Items mit nur ungenügenden Faktorladungen. Fünf der sieben Items, die in der vorliegenden Studie unzureichend mit ihrer theoretisch postulierten Dimension korrelieren, wurden auch von Haynes et al. (2000) als invalide Indikatoren identifiziert. Die Interkorrelationen der Teilskalen werden berichtet (Tabelle 2).
Tabelle 2
Interkorrelationen der Skalen des AISS (N = 228)
|
O-Intensität |
O-Gesamtwert |
G-Neuigkeit |
G-Intensität |
G-Gesamtwert |
O-Neuigkeit |
.36* |
.82* |
.91* |
.31* |
.75* |
O-Intensität |
|
.83* |
.34* |
.91* |
.79* |
O-Gesamtwert |
|
|
.75* |
.75* |
.93* |
G-Neuigkeit |
|
|
|
.30* |
.80* |
G-Intensität |
|
|
|
|
.81* |
Anm. O: Originalskala (je 10 Items pro Subskala und 20 Items für den Gesamtwert); G: Gekürzte Skala (je 7 Items pro Subskala und 14 Items für den Gesamtwert); *p < .001 (zweiseitige Testung)
Itemkennwerte
Jeweils vier Items aus jeder 10-Item Teilskala erzielen Trennschärfen kleiner .20 (Tabelle 3). Sie schließen jeweils die drei Items ein, die nach der Dimensionalitätsanalyse nur unzureichend mit ihrem theoretisch postulierten Konstrukt assoziiert sind. Wie auch die Arbeiten von Haynes et al. (2000) sowie Ferrando und Chico (2001) zeigen, scheint es daher sinnvoll, auf einzelne Items zu verzichten. Zur Verbesserung der internen Konsistenz wurden daher sukzessive alle Items ausgeschlossen, durch deren Verzicht sich Cronbachs Alpha um mindestens .02 erhöhte. Dies trifft auf die Items 3, 13 und 15 zur Operationalisierung der Dimension Neuigkeit zu sowie auf die Items 2, 10 und 14 der Dimension Intensität. Mit Ausnahme von Item 2 schlagen Haynes et al. (2000) den Ausschluss der gleichen Items vor. Die Trennschärfen für die so gekürzte Version des AISS-d liegen vor (Tabelle 3).
Part-whole korrigierte Trennschärfen zur Teilskala (ris) und part-whole korrigierte Trennschärfen zur Gesamtskala (rit) (N = 228)
|
|
|
Alle Items |
Gekürzte Skala |
||
|
M |
SD |
ris |
rit |
ris |
rit |
01 |
2.44 |
1.02 |
.26 |
.15 |
.28 |
.13 |
03 |
2.74 |
0.92 |
.02 |
.00 |
- |
- |
05 |
2.78 |
0.89 |
.23 |
.18 |
.21 |
.17 |
07 |
2.35 |
1.01 |
.25 |
.24 |
.29 |
.25 |
09 |
3.69 |
0.63 |
.41 |
.36 |
.41 |
.33 |
11 |
2.70 |
1.02 |
.32 |
.38 |
.39 |
.42 |
13* |
2.93 |
1.07 |
.15 |
.17 |
- |
- |
15 |
2.98 |
1.04 |
-.03 |
.07 |
- |
- |
17* |
3.11 |
0.84 |
.18 |
.18 |
.16 |
.13 |
19 |
2.59 |
1.14 |
.32 |
.43 |
.36 |
.48 |
02* |
2.88 |
1.02 |
.09 |
.17 |
- |
- |
04 |
2.82 |
0.83 |
.14 |
.23 |
.15 |
.18 |
06* |
3.11 |
0.99 |
.35 |
.24 |
.38 |
.25 |
08 |
2.57 |
1.15 |
.35 |
.34 |
.38 |
.36 |
10* |
2.42 |
1.01 |
.09 |
.08 |
- |
- |
12 |
2.08 |
0.96 |
.30 |
.30 |
.37 |
.33 |
14 |
3.17 |
0.87 |
.11 |
.18 |
- |
- |
16 |
1.69 |
0.89 |
.20 |
.13 |
.23 |
.14 |
18 |
2.32 |
1.10 |
.30 |
.35 |
.29 |
.41 |
20 |
1.36 |
0.97 |
.39 |
.33 |
.40 |
.34 |
Anmerkung. * Umgepolte Items
Reliabilität
Cronbachs Alpha zur Ermittlung der internen Konsistenzen liegen für die 20 Item Version des AISS-d im niedrigen Bereich (Tabelle 4). Dies war nach den Ergebnissen der Dimensionalitäts - (Tabelle 1) und Itemanalysen (Tabelle 3) sowie den Beobachtungen für das englische Originalinstrument jedoch zu erwarten: Jeweils vier Items aus jeder 10-Item Teilskala erzielen Trennschärfen kleiner .20 (Tabelle 3). Sie schließen jeweils die drei Items ein, die nach der Dimensionalitätsanalyse nur unzureichend mit ihrem theoretisch postulierten Konstrukt assoziiert sind. Wie auch die Arbeiten von Haynes et al. (2000) sowie Ferrando und Chico (2001) zeigen, scheint es daher sinnvoll, auf einzelne Items zu verzichten. Zur Verbesserung der internen Konsistenz wurden daher sukzessive alle Items ausgeschlossen, durch deren Verzicht sich Cronbachs Alpha um mindestens .02 erhöhte. Dies trifft auf die Items 3, 13 und 15 zur Operationalisierung der Dimension Neuigkeit zu sowie auf die Items 2, 10 und 14 der Dimension Intensität. Mit Ausnahme von Item 2 schlagen Haynes et al. (2000) den Ausschluss der gleichen Items vor.
Cronbachs Alpha für die Original- sowie für die gekürzten Skala (3 letzten Zeilen) des AISS-d (N = 228)
(Sub-)Skala |
Anzahl Items |
Cronbachs Alpha |
Neuigkeit |
10 |
.49 |
Intensität |
10 |
.53 |
Gesamtwert |
20 |
.63 |
|
|
|
Neuigkeit |
7 |
.57 |
Intensität |
7 |
.60 |
Gesamtwert |
14 |
.66 |
Validität
Alle Validitätsangaben beziehen sich auf die auf 7 Items gekürzten Subskalen des AISS-d. Ihre Produkt-Moment-Korrelationen mit der Sensation-Seeking-Form V (SSS-V) von Zuckerman et al. (1978) entsprechen weitgehend den Befunden zu den Originalskalen (Tabelle 5). Danach entspricht keine der AISS-d Skalen eindeutig einer Skala der SSS-V. Die höchste Korrelation findet sich zwischen den Gesamtskalen. Die gemeinsame Varianz von nur 23% spricht jedoch nicht dafür, dass beide Verfahren ein gemeinsames übergeordnetes Sensation-Seeking Konstrukt operationalisieren, wie beispielsweise Ferrando und Chico (2001) annehmen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass mehr oder minder unterschiedliche Konstrukte mit beiden Verfahren erfasst werden (vgl. auch Arnett, 1994; Powell et al., 1999; Zarevski et al., 1998). Dies ist aufgrund des unterschiedlichen konzeptionellen Hintergrunds für beide Operationalisierungen aber auch zu erwarten. Auf Ebene der Subskalen zeigen sich mit Ausnahme für die Skalen Intensität und Suche nach Erfahrungen Zusammenhänge im mittleren Bereich zwischen beiden Verfahren. In Übereinstimmung mit den Befunden von Arnett (1994) spiegelt sich die differentielle Validität der beiden AISS-Skalen am deutlichsten in ihren unterschiedlichen Assoziationen mit der Skala Suche nach Erfahrungen (SE) der SSS-V wider. Dies rechtfertigt auch die inhaltliche Abgrenzung der beiden AISS-d Skalen: wie zu erwarten, steht die Offenheit gegenüber neuartigen Stimulationen (AISS) in deutlichem Zusammenhang zur Suche nach Erfahrungen (SSS-V), während die Bevorzugung intensiver Sinnesstimulation davon weitgehend unabhängig ist. Beide AISS-d Skalen korrelieren wiederum in Übereinstimmung mit den Befunden von Arnett (1994) sowie von Ferrando und Chico (2001) am höchsten mit der Skala Suche nach Spannung und Abenteuer der SSS-V. Dies ist vor allem deshalb bedeutsam, weil diese Skala gelegentlich als zentrale Skala der SSS-V erachtet wird (vgl. hierzu Andresen, 2002). Inhaltlich ließe sich deshalb im Gegensatz zu der oben gewählten statistischen Argumentation auch die Annahme eines gemeinsamen, übergeordneten Konstrukts für die beiden AISS-d Skalen begründen.
Produkt-Moment-Korrelationen zwischen den AISS-d Skalen und den Skalen des NEO-FFI
|
Skalen des NEO-FFI |
||||
AISS-Skalen |
Neurotizismus |
Extraversion |
Offenheit |
Verträglichkeit |
Gewissenhaftigkeit |
Neuigkeit |
-.17** |
.37*** |
.44*** |
-.01 |
-.10 |
Intensität |
-.21** |
.11 |
.01 |
-.26*** |
-.04 |
Gesamtwert |
-.24*** |
.30*** |
.27*** |
-.17** |
-.09 |
Anmerkung. *: p < .05, **: p < .01, ***: p < .001
Die Konstruktvalidität des AISS-d wurde ergänzend über seine Korrelationen zu den Skalen des NEO-Fünf-Faktoreninventars (NEO-FFI; Borkenau & Ostendorf, 1993) zu bestimmen versucht. Dazu liegen bislang keine Studien vor. Unterschiedliche Zusammenhänge mit den "Big Five" sprechen erneut für eine Abgrenzung beider Teilskalen des AISS-d (Tabelle 6). Dies gilt vor allem für die NEO-Skalen Offenheit für Erfahrungen und Verträglichkeit: Während die Bevorzugung neuartiger Sinneseindrücke erwartungsgemäß mit einer hohen Offenheit für neue Erfahrungen in Zusammenhang steht, erweist sich die Suche nach intensiver Sinnesstimulation als hiervon weitgehend unabhängig. Die Assoziation zwischen den Skalen Neuigkeit und Extraversion lässt sich damit begründen, dass die Suche nach neuartigen Erfahrungen ein extravertiertes, sozial zugewandtes Verhalten voraussetzt. Demgegenüber korreliert die Skala Intensität mit einer niedrigen Verträglichkeit bzw. einer hohen Aggressivität im Sozialkontakt (vgl. Gerhard, 1999). Dies entspricht ebenfalls den Beobachtungen von Arnett (1994). Ferner korrelieren beide Subskalen negativ mit der Skala Neurotizismus, was für ihre klinische Unbedeutsamkeit spricht.
Produkt-Moment-Korrelationen zwischen den AISS-d Skalen und den Skalen des SSS-V
|
SSS-V |
||||
AISS |
Enthemmung |
Empfänglichkeit für Langeweile |
Such nach Spannung und Abendteuer |
Suche nach Erfahrung |
Gesamtwert Sensation Seeking |
Neuigkeit |
.27*** |
.22*** |
.47*** |
39*** |
.45*** |
Intensität |
.30*** |
.23*** |
.38*** |
.02 |
.32*** |
Gesamtwert |
.36*** |
.28*** |
.53*** |
.25*** |
.48*** |
Anmerkung. *: p < .05, **: p < .01, ***: p < .001
Die kriteriumsorientierte Validität der AISS-d Skalen wurde über logistische Regressionen bestimmt, in die sie zur Vorhersage folgender Variablen einbezogen wurden (Tabelle 7): Häufiger Konsum illegaler Drogen (mehr als dreimaliger Konsum im vergangenen Quartal [1]: N = 43, weniger bis keinmal [0]: N = 171, fehlende Angaben: N = 14), Fahren unter Alkoholeinfluss (mindestens einmal in den vergangenen drei Monaten [1]: N = 70, keinmal [0]: N = 125, fehlende Angaben bzw. keine Autofahrer: N = 33) und Häufiger Wechsel des Sexualpartners (drei und mehr Sexualpartner im letzten Jahr [1]: N = 36, weniger [0]: N = 192). Aufgrund vorliegender Studien (z.B. Arnett, 1994; Greene et al., 2000; Kopstein et al., 2001) ist anzunehmen, dass das Auftreten derartiger Verhaltensweisen mit einer hohen Ausprägung von Sensation-Seeking in Zusammenhang steht (zsf. Roth, 2003).
Tabelle 7
Odds Ratios (bzw. exp(b); OR), Wald-Statistiken (W) und multiple Regressionskoeffizienten gemäß Nagelkerke (RNk) nach einer logistischen Regression zur Vorhersage von Fahren unter Alkoholeinfluss (FA; N = 195), häufigem Konsum illegaler Drogen (KID; N = 214) und häufigem Wechsel des Sexualpartners (WS; N = 228) anhand der Skalen des AISS und des SSS-V
|
Fahren unter Alkoholeinfluss |
Häufiger Konsum illegaler Drogen |
Häufiger Wechsel des Sexualpartners |
|||
Prädiktoren |
OR |
Wald |
OR |
Wald |
OR |
Wald |
Neuigkeit |
1.44 |
4.89* |
1.62 |
5.69* |
1.43 |
2.93 |
Intensität |
1.17 |
1.03 |
1.45 |
4.14* |
1.54 |
5.01* |
|
RNk = .06 |
RNk = .10 |
RNk = .09 |
|||
|
c2 = 7.9* |
c2 = 14.2*** |
c2 = 11.7** |
Anmerkung. *: p < .05
Deskriptive Statistiken
Die Mittelwerte und Streuungen für die Items (Tabelle 3) sowie die Momente der Verteilungen der Daten für die Teilskalen und die Gesamtskala werden berichtet (Tabelle 8).
Mittelwerte (M), Streuungen (SD), Schiefe (Sch) und Kurtosis (Ku) für die Original- (20 Items) und die gekürzte Form (14 Items) des AISS-d (N = 228)
|
Originalskala |
Gekürzte Skala |
||||||
Skala/Item |
M |
s |
Sch |
Ku |
M |
s |
Sch |
Ku |
Neuigkeit |
2.83 |
0.41 |
-.353 |
.044 |
2.81 |
0.50 |
-.263 |
-.307 |
Intensität |
2.44 |
0.42 |
.361 |
.109 |
2.28 |
0.52 |
.295 |
-.112 |
Gesamtwert |
2.64 |
0.34 |
.176 |
.396 |
2.55 |
0.29 |
.141 |
.067 |
Anmerkung. Originalskala: je 10 Items pro Subskala und 20 Items für den Gesamtwert. Gekürzte Skala: je 7 Items pro Subskala und 14 Items für den Gesamtwert
Dr. Marcus Roth, Universität Leipzig, Institut für Entwicklungspsychologie, Persönlichkeitspsychologie und Psychodiagnostik, Seeburgstraße 14-20, 04103 Leipzig, E-Mail: mroth@rz.uni-leipzig.de