Instruktion
Bitte geben Sie an, wie sehr Sie den folgenden Aussagen zustimmen.
Items
Subdimensionen:
- Moral-Allgemein (MA)
- Moral-Religion (MR)
- Wahrscheinlichkeit-Andere (WA)
- Wahrscheinlichkeit-Selbst (WS)
Nr. |
Item |
Subdimension |
1 |
Die Vorstellung einen Freund unangemessen heftig zu kritisieren, finde ich fast so schlimm, wie dieses tatsächlich zu tun. |
MA |
2 |
Wenn ich mir vorstelle, dass ein Verwandter/Freund seinen Job verlieren könnte, dann erhöht sich dadurch das Risiko, dass er seine Arbeit tatsächlich verliert. |
WA |
3 |
Etwas Gotteslästerliches zu denken, finde ich fast so verwerflich, wie etwas Gotteslästerliches zu tun. |
MR |
4 |
Jemanden in Gedanken zu beschimpfen, finde ich fast so verwerflich, wie dieses tatsächlich zu tun. |
MA |
5 |
Wenn ich mir vorstelle, dass ein Verwandter/Freund einen Verkehrsunfall haben könnte, erhöht sich dadurch das Risiko, dass dieses tatsächlich passiert. |
WA |
6 |
Gehässig über jemanden zu denken ist für mich fast so schlimm, wie jemandem tatsächlich übel mitzuspielen. |
MA |
7 |
Wenn ich mir vorstelle, dass sich ein Verwandter/Freund bei einem Sturz verletzen könnte, erhöht sich dadurch das Risiko, dass dieses tatsächlich passiert. |
WA |
8 |
Gewalttätige Gedanken finde ich fast so schlimm wie gewalttätige Handlungen. |
MA |
9 |
Wenn ich mir vorstelle, dass ein Freund/Verwandter krank werden könnte, dann erhöht sich dadurch das Risiko, dass er tatsächlich krank wird. |
WA |
10 |
Der Gedanke daran, eine obszöne Bemerkung oder Geste in der Kirche zu machen, ist für mich fast so verwerflich, wie dieses tatsächlich zu tun. |
MR |
11 |
Jemandem etwas Schlechtes zu wünschen, finde ich fast so schlimm wie jemandem tatsächlich zu schaden. |
MA |
12 |
Wenn ich mir vorstelle, dass ich mich bei einem Sturz verletzen könnte, erhöht sich dadurch das Risiko, dass dieses tatsächlich passiert. |
WS |
13 |
Der Gedanke daran, jemanden durch eine obszöne Geste zu beleidigen, ist für mich fast so schlimm, wie dieses tatsächlich zu tun. |
MA |
14 |
Wenn ich mir vorstelle, dass ich einen Verkehrsunfall haben könnte, dann erhöht sich dadurch das Risiko, dass ich tatsächlich in einen Verkehrsunfall gerate. |
WS |
15 |
Etwas Schlechtes über einen Freund zu denken, finde ich fast so schlimm, wie einen Freund schlecht zu behandeln. |
MA |
16 |
Wenn ich mir vorstelle, dass ich krank werden könnte, dann erhöht sich dadurch das Risiko, dass ich tatsächlich krank werde. |
WS |
17 |
Einen neidischen Gedanken zu haben, ist für mich fast so schlimm, wie eine neidische Bemerkung zu machen. |
MA |
18 |
Sich vorzustellen, seinen Partner zu betrügen, ist für mich fast so schlimm, wie es tatsächlich zu tun. |
MA |
19 |
In der Kirche obszöne Gedanken zu haben, kann ich nicht akzeptieren. |
MR |
20 |
Wenn ich mir vorstelle, dass ein Freund/Verwandter seine Prüfung nicht bestehen könnte, dann erhöht sich dadurch das Risiko, dass er seine Prüfung tatsächlich nicht besteht. |
WA |
21 |
Die Vorstellung, jemanden absichtlich auszunutzen, ist für mich fast so schlimm, wie tatsächlich jemanden auszunutzen. |
MA |
22 |
Wenn ich mir vorstelle, dass mein Partner mich verlassen könnte, dann erhöht sich dadurch das Risiko, dass mein Partner mich tatsächlich verlässt. |
WS |
23 |
Der Gedanke jemanden zu belügen, ist für mich fast so unmoralisch, wie es tatsächlich zu tun. |
MA |
24 |
Wenn ich mir vorstelle, dass ich meinen Job verlieren könnte, dann erhöht sich dadurch das Risiko, dass ich tatsächlich meine Arbeit verliere. |
WS |
25 |
Die Vorstellung, die eigenen Eltern zu beschimpfen, ist für mich fast so schlimm, wie dieses tatsächlich zu tun. |
MA |
26 |
Wenn ich mir vorstelle, dass ich eine Prüfung nicht bestehen könnte, dann erhöht sich dadurch das Risiko, dass ich meine Prüfung tatsächlich nicht bestehe. |
WS |
27 |
Der Gedanke, in einer Prüfung zu betrügen, ist für mich fast genauso schlimm, wie tatsächlich in einer Prüfung zu betrügen. |
MA |
28 |
Wenn ich mir vorstelle, dass ein Freund/Verwandter von seinem Partner verlassen werden könnte, dann erhöht sich dadurch das Risiko dafür. |
WA |
Die Items 1-19 entstammen der TAF-Skala von Shafran et al. (1996), die Items 20-28 wurden von den Autoren der Deutschen TAF-Skala hinzugefügt.
Antwortvorgaben
Fünfstufige Antwortskala mit den Optionen "stimme gar nicht zu" (0), "stimme nicht zu" (1), "weder noch" (2), "stimme zu" (3) und "stimme sehr zu" (4).
Auswertungshinweise
Die TAF-d erfordert noch weitere Validierungen, besonders für klinische Stichproben. Anders als durch Shafran et al. (1996) nahegelegt, sollten die Moral-TAF Items mit religiösem Inhalt bei Auswertungen als einem eigenen Faktor zugehörig berücksichtigt werden, da ihre Beantwortung offensichtlich maßgeblich von der Religiosität Befragter abhängt.
"Thought Action Fusion" (TAF; Shafran, Thordarson & Rachman,1996) ist ein kognitiver Bias, der darauf beruht, dass Individuen ungenügend zwischen eigenen Gedanken und Handlungen unterscheiden: Zum einen können sie eigene "schlechte" Gedanken mit einer tatsächlichen eigenen Ausführung dieser gleichsetzen, mit der Konsequenz, dass sie eigene missgünstige, gewalttätige oder gotteslästerliche Gedanken als moralisch genauso schlimm und verwerflich empfinden und beurteilen wie eigenes missgünstiges, gewalttätiges oder gotteslästerliches Verhalten (Moral-TAF). Zum zweiten kann eine Verschmelzung von Gedanken und Verhalten dadurch zustande kommen, dass das Eintreten negativer Ereignisse nach Gedanken an diese als wahrscheinlich erlebt und beurteilt wird (Wahrscheinlichkeit-TAF). Z.B. kann der Gedanke, dass eine geliebte Person einen Autounfall hat, die Annahme bzw. Befürchtung auslösen, dass durch diesen Gedanken das Risiko für einen solchen Autounfall erhöht wird.
Das TAF Konstrukt ist Bestandteil kognitiver Modelle der Zwangsstörung (Salkovskis, 1985; Rachman, 1997), die zu erklären versuchen, weshalb intrusive, aber "normale", nicht zwingend pathologische Gedanken und Vorstellungen in Zwangspatienten besondere Ängste erzeugen, d.h. von diesen als bedeutsamer und bedrohlicher erlebt werden als von psychisch unauffälligen Individuen. Thought Action Fusion wird in diesen Modellen als ein wesentlicher dafür verantwortlicher Verursachungsmechanismus angesehen (Shafran et al., 1996).
Zur Erfassung dieses Konstrukts entwickelten Shafran et al. (1996) die "Thought Action Fusion" (TAF) Skala. Sie umfasst 19 Items. Sie werden mit einem vierstufigen Antwortformat vorgegeben, welches den Grad der Zustimmung zu jedem Item erfragt. Cronbachs Alpha zwischen .85 und .96 werden als Beleg für die Reliabilität des Instruments angeführt (Shafran et al., 1996). Für seine Validität spricht u.a. eine hohe Korrespondenz der mit ihm erzielten Werte und experimentell erzeugten TAF Tendenzen (Rachman, Shafran, Mitchel, Trant & Teachman; 1996), ferner signifikante Zusammenhänge zwischen den Werten für die TAF Skala und denen für Zwangsinstrumente (Amir, Freshman, Ramsey, Neary & Brigidi, 2001; Coles, Mennin & Heimberg, 2001; Einstein & Menzies, 2004; Rassin, Muris, Schmidt & Merckelbach, 2000; Rassin, Diepstraten, Merckelbach & Muris, 2001; Shafran et al., 1996; Shafran & Rachman, 2004; Smari & Holmsteinson, 2001). Danach war insbesondere Wahrscheinlichkeit-TAF mit Zwangsstörungen assoziiert.
Die meisten Studien, in denen die TAF Skala eingesetzt wurde, untersuchten nicht-klinische Stichproben. Nach Hauptkomponentenanalysen traten in dieser Population zwei Varianten der Wahrscheinlichkeit-TAF auf (u.a. Shafran et al., 1996). Sie unterschieden sich dadurch, ob die Befragten annahmen, dass entweder ihnen selbst (Wahrscheinlichkeit-Selbst TAF) oder aber anderen (Wahrscheinlichkeit-Andere TAF) etwas aufgrund ihrer Gedanken zustoßen könnte. Die erste Befürchtung trat dabei häufiger auf als die zweite. Sie könnte auch als eine Art selbsterfüllende Prophezeiung verstanden werden wie z.B. in der Form: "Wenn ich mir vorstelle, dass ich meinen Job verlieren könnte, verhalte ich mich auch so und verliere ihn dann dadurch tatsächlich". Wahrscheinlichkeit-Selbst TAF korrelierte damit übereinstimmend geringer mit den Antworten zu Zwangsinstrumenten als Wahrscheinlichkeit-Andere TAF.
Die TAF Skala wurde in einer Vielzahl von Studien eingesetzt, die u.a. prüften, inwieweit TAF zwangsspezifisch ist bzw. inwieweit sie auch für andere psychische Erkrankungen typisch ist. Diese Frage, ob TAF ein allgemeines oder aber ein auf einzelne Situationen bzw. Befürchtungen begrenztes Phänomen ist, wurde bisher jedoch noch nicht befriedigend beantwortet (Berle & Starcevic, 2005). Eventuell ist auch die Operationalisierung des Konstrukts durch die TAF Skala zu eng: z.B. werden nur drei Ereignisse durch die Items zur Wahrscheinlichkeit-Selbst TAF thematisiert. Deshalb wurde bei der Konstruktion der deutschen Version versucht, dieses mögliche Problem durch Ergänzung von Items zu minimieren, die weitere Situationen bzw. Befürchtungen ansprechen.
Drei Items zu Moral-TAF beziehen sich auf religiöse Verstöße (Items 3, 10 und 19). Ihre Beantwortung sollte deshalb wahrscheinlich nicht nur durch TAF Tendenzen beeinflusst werden, sondern zusätzlich auch substantiell durch religiöse Einstellungen und Haltungen von Befragten. Anders als in vorausgehenden Studien soll diese Annahme für die hier dokumentierte erweiterte deutsche Version genauer geprüft werden.
Itemkonstruktion und Itemselektion
Für die Konstruktion der hier dokumentierten erweiterten deutschen Version der TAF Skala (TAF-d) wurden von der Erstautorin im Rahmen ihrer Diplomarbeit (Drenckhan, 2007) zunächst die 19 Items der englischen Originalversion ins Deutsche übertragen. Von ihnen sollen zwölf Moral-TAF und sieben Wahrscheinlichkeit-TAF erfassen. Ferner wurden neun zusätzliche, neu konstruierte Items ergänzt, um besser prüfen zu können, ob TAF nur auf einzelne Phänomenbereiche beschränkt ist. Vier von ihnen beziehen sich auf Moral-TAF, fünf auf Wahrscheinlichkeit-TAF. Sie wurden im Anschluss an die 19 Items der Originalversion vorgegeben. Ihre Formulierung wurde so gut wie möglich der Formulierung der Originalitems angepasst.
Stichproben
507 von 597 Studienanfängern der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster beantworteten alle 28 Items der erweiterten deutschen TAF Version (TAF-d). Nur ihre Daten wurden in die hier berichteten Prüfungen der TAF-d einbezogen. Das Durchschnittsalter dieser 507 Befragten betrug 21.5 Jahre (SD = 2.6). 57.6% von ihnen waren weiblich. 54.3% der Teilnehmer waren katholisch, 31.1% protestantisch, 11.7% konfessionslos und 3% gaben andere religiöse Zugehörigkeiten an.
Durchführung der Studie
Die Datenerhebung fand im Rahmen der Einschreibungen zum Sommersemester 2006 an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster statt. 750 Studierende wurden während ihres Wartens angesprochen und gebeten, neben anderen Fragebogen die TAF-d zu beantworten. Die weiteren Fragebogen dienten der Erfassung von Depressivität mit dem Patient Health Questionnaire (E2), der Erfassung von Zwangssymptomen mit dem Maudsley Obsessive-Compulsive Inventory (E1) und der Erhebung demographischer Merkmale, einschließlich der Religionszugehörigkeit und Religiositätsstärke (E3). Die Fragebogen wurden ausgefüllt und mit separater Einverständniserklärung zurückgegeben. Zum Dank erhielten alle Teilnehmer einen Schokoriegel.
Variablen und Auswertungsmethode
Dimensionalitätsanalysen: Shafran et al. (1996) postulierten aufgrund der Beobachtungen aus einer Hauptkomponentenanalyse für Zwangspatienten zwei TAF Komponenten: Wahrscheinlichkeit- und Moral-TAF. Für eine nicht-klinische Population akzeptierten sie demgegenüber eine drei Komponentenlösung, nach der sich Wahrscheinlichkeit TAF in zwei Komponenten - Wahrscheinlichkeit-Andere und Wahrscheinlichkeit-Selbst - gliederte. In einem ersten Schritt wurde deshalb mit nichtlinearen konfirmatorischen Faktoranalysen (CFA) vergleichend geprüft, ob und welche dieser beiden Lösungen die Kovarianz der TAF-d Antworten deutscher Studierender besser erklärt. Wie die Mehrzahl sozialwissenschaftlicher Erhebungsinstrumente verwendet auch das hier dokumentierte ein kategoriales Antwortformat. Zu erwarten ist zudem, dass die Antworten zu einzelnen Items schief verteilt sind. Deshalb wurden keine konventionellen linearen Faktorenanalysen durchgeführt, da diese kontinuierlich verteilte manifeste Indikatoren und lineare Assoziationen zwischen Items und ihnen zugrunde liegenden Personenmerkmalen (latenten Variablen) voraussetzen. Stattdessen wurde eine Klasse nichtlinearer Modelle verwendet, die speziell für eine angemessene Berücksichtigung der Verteilungsmerkmale binärer und ordinaler Daten entwickelt wurde: Das 2 Parameter Normalogiven Item Response Theorie (IRT) Modell. Es analysiert auf der Basis der beobachteten Antwortkovarianz geschätzte tetrachorische Korrelationen (zsf. Glöckner-Rist & Hoijtink, 2003) und kann mit Mplus (Muthén & Muthén, 2007) in einem verallgemeinerten Strukturgleichungsmodellierungs-ansatz (SEM) spezifiziert werden.
Unter den Moral-TAF Items beziehen sich drei Items auf religiöse Verstöße (Items 3, 10 und 19). Ihre Beantwortung könnte deshalb nicht nur durch TAF Tendenzen, sondern auch substantiell durch die Religiosität von Befragten mit beeinflusst werden. Diese Annahme wurde in der Literatur bisher weder diskutiert noch untersucht. Deshalb wurde durch ein drittes CFA Modell getestet, ob sie sich einem eigenen, dritten oder vierten, Faktor zuordnen.
Validitätsprüfung: Zur Prüfung der Validität wurden folgende Konstrukte als Prädiktoren für die in den Messmodellanalysen identifizierten TAF Facetten in ein Strukturgleichungsmodell einbezogen:
1. der Summenwert für das Maudsley Obsessive-Compulsive Inventory (MOCI): Das Maudsley Obsessive-Compulsive Inventory (MOCI; Hodgson & Rachmann, 1977) umfasst 30 bipolare Items ("richtig" vs. "falsch") zur Erfassung einer Zwangsstörung (z.B. "Ich neige dazu, Dinge mehr als einmal zu kontrollieren"). Die ursprünglich von den Autoren berichteten Subskalen Cleaning, Checking, Slowness und Doubting erwiesen sich in Folgestudien als wenig stabil. Ein Überblick über diese findet sich in Woods (2002). Für die Daten unserer Stichprobe konnten wir bei Verwendung der deutschen Version (Kallinke, Lutz & Ramsay, 1979) kein zufriedenstellendes Messmodell entwickeln. Deshalb wurde hier der Summenwert für die Gesamtskala als Index für eine allgemeine Belastung durch Zwangsymptome verwendet. Der mittlere MOCI Summenwert für unsere Stichprobe betrug 7.9 (SD = 4.5).
2. ein eindimensionales Messmodell für Depressivität nach dem PHQ: Der PHQ (Patient Health Questionnaire; Spitzer, Kroenke & Williams, 1999; deutsch Löwe, Spitzer, Zipfel & Herzog, 2002) ist ein Screeninginstrument für psychische Störungen. Zur Erfassung der Depressivität enthält er neun Items (z.B. "Wie oft fühlten Sie sich im Verlauf der letzten 2 Wochen durch die folgenden Beschwerden beeinträchtigt?", "wenig Interesse oder Freude an Ihren Tätigkeiten"). Die Items werden mit einem 4-kategorialen Antwortformat (0 = "überhaupt nicht" bis 3 = "beinahe jeden Tag") vorgegeben. Die postulierte Eindimensionalität dieses Instrumentes konnten wir mit nichtlinearen CFA bestätigen. Der mittlere Depressivitätswert unserer Stichprobe lag bei 7 (SD = 4.6).
3. die Stärke der auf einer Analogskala beurteilten Religiosität: Verschiedene Studien belegten einen Zusammenhang zwischen Religiosität und TAF (Berman, Abramowitz, Pardue & Wheaton, 2010; Marino, Lunt & Negy, 2008; Rassin & Koster, 2003; Siev, Chambless & Huppert, 2010). Religiosität wurde in dieser Untersuchung einer Studie von Rassin et al. (2003) folgend mit einer 10-stufigen visuellen Analogskala ermittelt. Die Ankerpunkte wurden mit "nicht religiös" (0) und "sehr religiös" (10) bezeichnet. Die Frage "Wie religiös sind Sie? entstammt der Allgemeinen Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften ALLBUS. Die mittlere Religiosität unserer Stichprobe betrug 3.8 (SD = 2.9). "
Die Mess- und Strukturmodellprüfungen basierten auf nichtlinearen konfirmatorischen Faktoranalysen, dem 2 Parameter Normalogivenmodell. Der durch IRT Modelle formalisierte nicht lineare Zusammenhang zwischen Faktoren bzw. latenten Variablen (LV) und Items bzw. manifesten Indikatoren kann entweder durch eine logistische oder durch eine kumulative Normalverteilungsfunktion modelliert werden. Beide gewährleisten, dass die Antwortwahrscheinlichkeiten auch für binäre Items immer zwischen 0 und 1 liegen. Takane and de Leeuw (1987) zeigten erstmals (zsf. Glöckner-Rist & Hoijtink, 2003), dass die Parameter eines multidimensionalen 2 Parameter Normalogivenmodell wie die Parameter linearer FA Modelle interpretierbar sind. D.h. auch in diesem Modell wird für jede Person ein Faktorwert berechnet und für jedes Item ein Trennschärfeparameter bzw. eine Faktorladung für jede LV. Für jedes Item wird jedoch nur ein Schwierigkeits- bzw. Schwellenwert bestimmt. Ansonsten wäre das Modell nicht identifiziert. Die parallel entwickelten logistischen IRT Modelle ermitteln die bedingten Antwortwahrscheinlichkeiten durch Integration über die logistische Verteilung statt über die Normalverteilung. Beide Modellklassen unterscheiden sich jedoch nur dadurch, dass die Trennschärfen nach logistischen Modellen ungefähr 1.7 mal höher sind als die durch Normalogivenmodelle bestimmten. Beide Modellvarianten können mit Mplus berechnet werden. Da das Normalogivenmodell den praktischen Vorteil hat, keine Integration zu erfordern und somit häufig sehr viel schneller berechnet werden zu können, wurde es in allen hier berichteten Dimensionsanalysen eingesetzt.
In allen konfirmatorischen Faktoranalysen wurde ein robuster mittelwerts- und varianzadjustierter Weighted Least Squares (WLS) Schätzer (WLSMV) eingesetzt. Im Vergleich zum traditionellen WLS Schätzer führt er bei großen Stichprobenumfängen zu stabileren und weniger inflationierten Parameterschätzungen (vgl. Flora & Curran, 2004, p. 473). Die absolute Chi-Quadrat Teststatistik legt wegen ihrer hohen Teststärke bei Stichprobengrößen wie der hier realisierten zu häufig eine Ablehnung von Modellen nahe. Deshalb wurde die Beurteilung der allgemeinen Passung getesteter Modelle auf die folgenden deskriptiven Anpassungsmaße gestützt (vgl. u. a. Bollen, 1989): Den Comparative Fit Index (CFI), den Tucker Lewis Index (TLI) und den Root Mean Square Error of Approximation (RMSEA). Nach allgemein üblichen Entscheidungskriterien sprechen Werte von >.90 bzw. >.95 für die ersten beiden Indices sowie Werte des RMSEA <.10 bzw. <.06 für eine akzeptable bzw. gute Passung eines Modells zu den Daten.
Die extrem zustimmende Antwortoption wurde bei mehreren Items von weniger als 5% der Befragten gewählt. Ihre Werte wurden für diese Items deshalb mit denen der unmittelbar benachbarten Antwortkategorie zusammengefasst, um aufgrund von Antworthäufigkeiten von mindestens 5% für alle Antwortkategorien möglichst stabile Parameterschätzungen zu gewährleisten.
Itemanalysen
Zunächst wurde mit nichtlinearen konfirmatorischen Faktorenanalysen (CFA; 2 Parameter Normalogivenmodell) ein Modell mit den beiden Dimensionen Wahrscheinlichkeit- und Moral-TAF analysiert, welches Shafran et al. (1996) nach einer Hauptkomponentenanalyse der Daten von Zwangspatienten für die Originalversion der TAF Skala ermittelten. Es erzielte eine akzeptable Passung (RMSEA = .08, CFI = .96, TLI = .96). Die beiden Faktoren korrelierten mit .46. Ein zweites Modell zur Prüfung der von Shafran et al. (1996) für eine nicht-klinische Population abgeleiteten dreidimensionalen Strukturierung der TAF Antworten (Moral-TAF sowie Wahrscheinlichkeit-Andere und Wahrscheinlichkeit-Selbst TAF) erklärte die Antwortkovarianz der hier untersuchten Studierenden zur erweiterten TAF Skala in Übereinstimmung mit Shafran et al. (1996) jedoch deutlich besser (RMSEA = .05, CFI = .98, TLI = .98). Die Faktorenassoziationen betrugen .37 (Moral und Wahrscheinlichkeit-Selbst TAF), .52 (Moral und Wahrscheinlichkeit-Andere TAF) und .73 (Wahrscheinlichkeit-Selbst und -Andere TAF). Substantielle Korrelationen zwischen den Residuen der drei Items, die religiöse Inhalte referenzieren (Items 3, 10, 19), deuten jedoch darauf hin, dass ihre Beantwortung wie vermutet zusätzlich und unabhängig von TAF Tendenzen durch die Religiosität der Befragten mit beeinflusst wurde. In einer weiteren CFA wurden diese Items deshalb einem separaten vierten Faktor Moral-Religion zugeordnet. Dieses Modell passt noch besser als das drei-dimensionale Modell (RMSEA = .04, CFI = .99, TLI = .99). Die Faktorladungen für alle Items sind Tabelle 1 zu entnehmen. Sie variieren zwischen .52 und .97, die Faktorenassoziationen zwischen .32 und .76. Die Antwortkovarianz wird durch dieses Modell zufriedenstellend aufgeklärt, d.h. es weist keine substantiellen Residuenkorrelationen mehr aus.
Die vierfaktorielle Struktur erwies sich auch dann als die Beste, wenn nur die Antworten zu den 19 Items der Originalversion in die Prüfung der oben beschriebenen Modelle einbezogen wurden, d.h. sie ist nicht lediglich auf die Aufnahme von neuen Items in die TAF-d zurückzuführen.
Antworthäufigkeiten (%; 0 = Stimme gar nicht zu, 1 = Stimme nicht zu, 2 = Weder noch, 3 = Stimme zu, 4 = Stimme sehr zu), Mittelwerte (M) und Faktorladungen (FL) für die TAF Items
Item |
0 |
1 |
2 |
3 |
4 |
M |
FL |
Moral-Allgemein |
|||||||
1. |
18 |
27 |
21 |
27 |
7 |
1.77 |
.52 |
4. |
38 |
32 |
14 |
14 |
2 |
1.10 |
.78 |
6. |
29 |
38 |
14 |
17 |
2 |
1.24 |
.78 |
8. |
17 |
26 |
15 |
35 |
8 |
1.90 |
.66 |
11. |
19 |
24 |
18 |
33 |
6 |
1.84 |
.69 |
13. |
35 |
34 |
16 |
13 |
2 |
1.12 |
.86 |
15. |
19 |
27 |
19 |
31 |
5 |
1.75 |
.77 |
17. |
30 |
28 |
20 |
19 |
3 |
1.38 |
.73 |
18. |
19 |
24 |
15 |
31 |
11 |
1.91 |
.63 |
21. |
25 |
25 |
19 |
26 |
5 |
1.61 |
.74 |
23. |
30 |
34 |
18 |
15 |
2 |
1.25 |
.79 |
25. |
31 |
31 |
18 |
16 |
5 |
1.33 |
.79 |
27. |
50 |
26 |
15 |
6 |
3 |
0.84 |
.72 |
Moral-Religion |
|||||||
3. |
43 |
24 |
14 |
16 |
3 |
1.12 |
.80 |
10. |
39 |
25 |
17 |
16 |
3 |
1.21 |
.90 |
19. |
43 |
27 |
17 |
11 |
2 |
1.03 |
.79 |
Wahrscheinlichkeit-Andere |
|||||||
2. |
70 |
18 |
8 |
3 |
1 |
0.47 |
.79 |
5. |
71 |
19 |
6 |
4 |
1 |
0.46 |
.95 |
7. |
71 |
20 |
6 |
4 |
1 |
0.44 |
.97 |
9. |
70 |
20 |
7 |
3 |
0 |
0.44 |
.96 |
20. |
70 |
21 |
6 |
3 |
0 |
0.43 |
.91 |
28. |
69 |
21 |
7 |
2 |
1 |
0.44 |
.87 |
Wahrscheinlichkeit-Selbst |
|||||||
12. |
49 |
22 |
11 |
16 |
1 |
0.97 |
.88 |
14. |
52 |
23 |
12 |
11 |
2 |
0.88 |
.91 |
16. |
48 |
19 |
12 |
18 |
2 |
1.08 |
.83 |
22. |
47 |
21 |
14 |
16 |
2 |
1.05 |
.81 |
24. |
55 |
23 |
10 |
11 |
1 |
0.81 |
.92 |
26. |
40 |
19 |
12 |
24 |
4 |
1.32 |
.81 |
Itemkennwerte
Die Faktorladungen in Tabelle 1, nach dem akzeptierten vier-dimensionalen Modell belegen die formale Validität bzw. Reliabilität aller 28 Items der TAF-d und sprechen somit auch dafür, dass die neun zur Originalversion hinzugefügten Items die gleichen Konstruktfacetten wie die Originalitems erfassen.
Reliabilität
Die formale Validität bzw. Reliabilität der 28 Items der erweiterten deutschen TAF Version wird durch die Faktorladungen in Tabelle 1 nach dem akzeptierten vier-dimensionalen Modell belegt. Nach diesen erfassen die neun neu aufgenommenen Moral- und Wahrscheinlichkeit-TAF Items wie intendiert die entsprechenden Konstruktfacetten der TAF Originalversion.
Validität
Die Ergebnisse der Prüfung eines Modells (siehe Abbildung 1), in das die folgenden Konstrukte als Prädiktoren für die in den Messmodellanalysen identifizierten TAF Facetten einbezogen wurden, waren weitgehend theoriekonform: 1. der Summenwert für das Maudsley Obsessive-Compulsive Inventory (MOCI), 2. ein eindimensionales Messmodell für Depressivität nach dem PHQ und 3. die Stärke der auf einer Analogskala beurteilten Religiosität.
1. Zwar korreliert der MOCI Summenwert substantiell mit beiden Wahrscheinlichkeit-TAF Dimensionen .15 (Wahrscheinlichkeit-Selbst) und .22 (Wahrscheinlichkeit-Andere), p<.01), auch nach vorausgegangenen Studien (einen Überblick gibt Berle et al., 2005). Bei einer simultanen Berücksichtigung von ihm und Depressivität nach dem PHQ als Prädiktoren für TAF beeinflusst er jedoch nur die Antworten zu den Wahrscheinlichkeit-Andere TAF Items signifikant, nicht jedoch auch die zu den Wahrscheinlichkeit-Selbst TAF Items. Wahrscheinlichkeit-Andere ist danach für Zwangsstörungen die wesentliche TAF Form. Zwangsymptome nach dem MOCI beeinflussen in dieser nicht-klinischen Population Wahrscheinlichkeit-Selbst TAF jedoch nur indirekt über Depressivität (.09, p<.01).
2. Depressivität nach dem PHQ korreliert signifikant mit beiden TAF Wahrscheinlichkeitsdimensionen (.20 und 21). Bei Einbezug von Depressivität und Zwangssysmptomen als Prädiktoren sagen die PHQ Ausprägungen jedoch nur Wahrscheinlichkeit-Selbst, nicht aber auch Wahrscheinlichkeit-Andere TAF signifikant vorher. Nur die Befürchtung, dass einem aufgrund negativer Gedanken auch eher das entsprechende Unglück zustoßen könnte, wird also durch Depressivität gefördert.
3. Wie erwartet, ist Moral-TAF umso stärker ausgeprägt, je höher die eigene Religiosität eingestuft wird. Religiositätsstärke ist zwar auch ein signifikanter Prädiktor für Moral- und Wahrscheinlichkeit-Andere TAF. Sie klärt jedoch für diese deutlich weniger Varianz auf.
Abbildung 1. Modell Thought Action Fusion (TAF-d)
Deskriptive Statistiken (Normierung)
Itemkennwerte und deskriptive Kennwerte für die TAF Subskalen liegen in Tabelle 1 und Tabelle 2 vor. Danach sind die Antworten zu den Wahrscheinlichkeit-Andere TAF Items deutlich linksschief verteilt. Die Wahrscheinlichkeit-Items sind zudem schwieriger als die Moral-Items. Am schwierigsten ist Item 20 (Wenn ich mir vorstelle, dass ein Freund/Verwandter seine Prüfung nicht bestehen könnte, dann erhöht sich dadurch das Risiko, dass er seine Prüfung tatsächlich nicht besteht).
Tabelle 2
Itemanzahl (N), Mittelwerte (M) und Standardabweichungen (SD) für die TAF Subskalen
Subskala |
N |
M |
SD |
Moral-Allgemein |
13 |
19.05 |
10.73 |
Moral-Religion |
3 |
3.37 |
2.98 |
Wahrscheinlichkeit-Selbst |
6 |
6.11 |
5.73 |
Wahrscheinlichkeit-Andere |
6 |
2.68 |
4.10 |
Anmerkung. Berechnungen erfolgten mit SPSS
Dipl.-Psych. Isabelle Drenckhan, E-Mail: i.drenckhan@uni-muenster.de, Westfälische Wilhelms-Universität Münster, Psychotherapie-Ambulanz, Fliednerstr. 21, 48149 Münster, Tel. 0251 - 83 34145.