Instruktion
Auf den folgenden vier Seiten sind einige Situationen dargestellt. Versuche nun bitte, Dich in diese Situationen hineinzuversetzen. Kreuze dann in dem entsprechendem Kästchen an, ob die aufgeführten Gedanken, Gefühle oder Vorstellungen gewöhnlich auf Dich zutreffen oder nicht.
Items
Hinter den Items ist angegeben, zu welcher Oberstrategie das entsprechende Item gehört. "VIG" entspricht der Strategie Vigilanz und "KOV" der Strategie kognitive Vermeidung.
1 |
Stell Dir vor, Du hörst im Radio einen Bericht, dass sich in einem Atomkraftwerk in der Nähe Deines Wohnortes ein Störfall ereignet habe. "... Es besteht nach vorläufigen Ergebnissen kein Grund zur Beunruhigung. Das Expertenteam hat alles unter Kontrolle", sagt der Radiosprecher. In dieser Situation... |
Ober-strategie |
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fallen mir ähnliche Störfälle ein, von denen ich gehört habe. |
VIG |
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bin ich froh, dass ich durch solche Nachricht nicht so leicht aus der Ruhe zu bringen bin wie die meisten anderen. |
KOV |
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rufe ich beim Gesundheitsamt an und frage, wie ich mich gegen Strahlenschäden schützen kann. |
VIG |
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sage ich mir, dass der Defekt sicher schon behoben ist. |
KOV |
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nehme ich mir vor, beim nächsten Umzug darauf zu achten, dass sich kein Atomkraftwerk in der Nähe befindet. |
VIG |
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würde ich am liebsten ganz weit wegfahren. |
VIG |
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denke ich mir, dass es sich nur um einen unwesentlichen Störfall handelt, da Berichterstatter zu Übertreibungen neigen. |
KOV |
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bleibe ich ganz ruhig. |
KOV |
2 |
Stell Dir vor, Du gehst spätabends allein durch die Stadt. Aus einer Seitengasse nähert sich eine Gruppe von Leuten, die Dir irgendwie nicht ganz geheuer vorkommen. In dieser Situation... |
Ober-strategie |
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bin ich froh, dass ich nicht so leicht aus der Ruhe zu bringen bin wie die meisten anderen. |
KOV |
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denke ich, dass ich mit solchen Situationen nicht so gut fertig werde (z. B. nicht so ruhig und gelassen bleiben kann) wie die meisten meiner Bekannten. |
VIG |
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bleibe ich ganz ruhig. |
KOV |
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denke ich: "Die Leute sehen merkwürdig aus, sind aber vermutlich ganz harmlos." |
KOV |
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denke ich, dass es ziemlich übel für mich ausgehen kann. |
VIG |
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überlege ich angestrengt die verschiedenen Möglichkeiten, Hilfe herbeizuholen (z. B. Notrufsäule, Telefonzelle). |
VIG |
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sage ich mir: "Es wird schon nichts Schlimmes passieren." |
KOV |
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denke ich: "Nur schnell weg von hier." |
VIG |
3 |
Stell Dir vor, ein Bekannter berichtet Dir über die Verschmutzung des Grundwassers in der Bundesrepublik mit Schadstoffen (z. B. Schwermetallen) und führt aus, dass eine Umweltschutzorganisation geraten habe, Grundwasser nicht mehr zum Trinken und Kochen zu verwenden. In dieser Situation" |
Ober-strategie |
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denke ich: "Bisher hat mir das Grundwasser auch nicht geschadet". |
KOV |
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überlege ich mir, ob ich durch das Trinken von Grundwasser krank werden kann. |
VIG |
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erinnere ich mich an andere Berichte über Wasserverschmutzung. |
VIG |
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wäge ich die verschiedenen Möglichkeiten ab, auf das Grundwasser zu verzichten. |
VIG |
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bin ich froh, dass ich durch die Ratschläge von Umweltschützern nicht so leicht aus der Ruhe zu bringen bin wie die meisten anderen. |
KOV |
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denke ich: "So schlimm wird die Verschmutzung des Grundwassers schon nicht sein". |
KOV |
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sage ich mir, dass die Umweltschutzorganisationen dazu neigen, Gefährdungen zu übertreiben. |
KOV |
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nehme ich mir vor, weitgehend auf die Verwendung von Grundwasser zu verzichten. |
VIG |
4 |
Stell Dir vor, dass Du längere Zeit nicht beim Zahnarzt warst und jetzt in seinem Wartezimmer sitzt, weil Du Beschwerden mit den Zähnen hast. In dieser Situation" |
Ober-strategie |
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bleibe ich ganz ruhig. |
KOV |
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stelle ich mir vor, dass es wohl ziemlich unangenehm und schmerzhaft werden wird. |
VIG |
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möchte ich am liebsten aus dem Wartezimmer herausgehen. |
VIG |
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bin ich froh, dass ich nicht so leicht aus der Ruhe zu bringen bin wie die meisten anderen. |
KOV |
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sage ich mir: "Bislang waren meine Zähne eigentlich ganz in Ordnung, also wird´s wohl auch diesmal nichts Schlimmes sein." |
KOV |
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sage ich mir: "So schlimm wird es schon nicht werden." |
KOV |
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erinnere ich mich an frühere unangenehme Zahnbehandlungen. |
VIG |
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denke ich: "Mir bleibt auch nichts erspart." |
VIG |
Antwortvorgaben
Jedes Item erhält die dichotomen Antwortoptionen "Stimmt" und Stimmt nicht".
Auswertungshinweise
Zur Analyse des Coping-Stils wurden die Auswertungsschritte wiederholt, die v. Davier & Rost (1996) vorgeschlagen haben. Dabei wurden, dem üblichen Auswertungsschema der Angstbewältigungsinventare entsprechend, für die Oberstrategien Vigilanz (VIG) und kognitive Vermeidung (KOV) getrennt Summenwerte gebildet, die die Anzahl der als zutreffend bezeichneten Strategien wiedergeben. Insgesamt ergeben sich somit acht neue Variablen mit fünf Kategorien. Diese fünfstufigen Variablen wurden mit Hilfe der Latent-Class-Analyse (LCA) für polytome Daten (vgl. Rost, 1996a) analysiert. Zur Berechnung wurde das Programm Winmira (v. Davier, 1997) verwendet.
Ein Coping-Stil betrifft die antizipatorischen Bewältigungsreaktionen in einer Belastungssituation.
Nach Krohne (1974, 1985, 1991) werden hier zwei Coping-Stile, "Vigilanz" und "kognitive Vermeidung", unterschieden. Es kann zum einen versucht werden, die Bedrohung zu kontrollieren, indem gezielt die Aufmerksamkeit auf die Bedrohungsursache gerichtet wird (Vigilanz). Zum anderen kann die Bedrohung dadurch bewältigt werden, dass die Aufmerksamkeit abgewendet wird, z. B. durch Verdrängung oder Bagatellisierung (vgl. Krohne, 1991; Rost, Eigenbrodt, Davier & Senkbeil, 1992).
Als Grundlage wird das integrierte Handlungsmodell (vgl. Rost, 1996b; Martens & Rost, in Druck) genutzt, das den Prozess der Handlungsgenese über drei Phasen: die "Motivierungsphase", die "Handlungsauswahlphase" und die "Volitionsphase" beschreibt. Jede Phase ist durch ganz bestimmte handlungssteuernde bzw. -begleitende Kognitionen und Affekte gekennzeichnet, die den Prozess der Handlungsentstehung in unterschiedlicher Art und Weise beeinflussen können. Bestimmte kognitive und affektive Inhalte können zu ganz bestimmten Handlungstypen führen, andere wiederum zum Abbruch des Handlungsprozesses.
Die drei hier dargestellten Instrumente beziehen sich auf die Motivierungsphase. Ein weiteres Instrument "Schweregrad der Bedrohung" wird hier nicht dargestellt, da es sich in Revision befindet.
Als Ausgangspunkt einer Motivierung zum umweltgerechten Verhalten wird in der hier verwendeten theoretischen Konzeption (Rost, 1996b; Martens & Rost, in Druck) die Bedrohungswahrnehmung angenommen. Ursprünglich stammt das Konzept der Bedrohung aus dem Modell gesundheitlicher Überzeugungen (Health Belief-Modell, vgl. Becker, 1974; Rosenstock, 1966). In diesem geht es darum, wie stark sich jemand von einer Krankheit bedroht fühlt. Das Bedrohungskonzept wurde auch in anderen populären Theorien der Gesundheitspsychologie aufgegriffen, so z. B. in der Schutzmotivationstheorie (Protection Motivation Theory) von Rogers (1983). Dabei muss ein Bedrohungsbegriff, der sich nur auf die eigene körperliche Unversehrtheit bezieht, für den Bereich Umwelthandeln systematisch erweitert werden. Eine perzipierte Bedrohung kann sich auch auf andere Objekte richten, nämlich auf:
- Andere Menschen: Je näher einer Person andere Menschen stehen, desto mehr wird ihre Gefährdung Bedrohungsgefühle auch bei ihr auslösen. Dabei kann sich das Bedrohungsgefühl auch auf unbekannte Personen an anderen Orten oder in der Zukunft ("folgende Generationen") beziehen.
- Tiere, Pflanzen und physische Umwelten: Das Sterben von Tieren und Pflanzen, die Veränderung von Landschaften kann Bedrohungsgefühle hervorrufen.
So unterscheiden auch Schmidt und Gifford (1989) zwischen einer Bedrohung des Selbst und einer Bedrohung der Umwelt. Stern, Dietz und Kalof (1993) differenzieren zwischen egoistischen, das menschliche Wohl und die Biosphäre betreffenden Konsequenzüberzeugungen. In verschiedenen Bereichen ist das Konzept der Bedrohung schon eingesetzt worden, so z. B. beim Energiesparen (Hass, Bagley & Rogers, 1975) oder bei der Hilfe für gefährdete Tierarten (Shelton & Rogers, 1981).
Es wird erwartet, dass der Coping-Stil eine wesentliche Rolle in der Motivationsgenese spielt. Bevorzugen die Versuchspersonen einen kognitiv vermeidenden Coping-Stil, ist die weitere Motivation für ein umweltgerechtes Handeln stark eingeschränkt.
Itemkonstruktion und Itemselektion
Das hier vorgestellte Instrument "Bedrohung: Vulnerabilität" wurde vom Kieler Projekt "Identifikation von kognitiven, affektiven und sozialen Faktoren des Umwelthandelns" der Arbeitsgruppe "Multidisziplinäre Ansätze zur Verhaltensveränderung" des DFG-Schwerpunktprogramms "Mensch und globale Umweltveränderungen" entwickelt.
Die Grundlage für die umweltspezifische Operationalisierung des Coping-Stils haben Rost, Eigenbrodt, v. Davier & Senkbeil (1992) gelegt. Eine Kurzform mit acht Situationen haben v. Davier & Rost (1996) entwickelt, von denen hier vier Situationen eingesetzt werden.
Der Coping-Stil wird dabei mit Fragebögen gemessen, die Situationsbeschreibungen mit Bedrohungscharakter enthalten. Gefragt wird nach den antizipatorischen Bewältigungsreaktionen in der jeweiligen Belastungssituation (vigilant vs. kognitiv vermeidend). In dieser Untersuchung werden zwei Umweltsituationen eingesetzt: Störung im Kernkraftwerk (ATOM) und Grundwasserverschmutzung (WASSER), sowie 2 physisch bedrohliche Situationen: abends allein in der Stadt (GASSE) und Zahnarztbesuch (ZAHNARZT). Diese Situationen wurden nach ihrer Angemessenheit für Jugendliche ausgesucht.
Im Unterschied zur Originalform von v. Davier & Rost (1996) werden die Versuchspersonen in bei der Bearbeitung dieses Instruments geduzt, da es sich um Jugendliche handelt.
Stichproben
Die Items wurden im Rahmen eines größeren Fragebogens zur Erfassung der kognitiven, affektiven und sozialen Faktoren des Umwelthandelns dargeboten. Mit diesem Fragebogen wurden 1302 Schülerinnen und Schüler der 8. - 12. Schulklasse an 4 Gymnasien (2 Gymnasien in Kiel, 1 Gymnasium in Schleswig und 1 Gymnasium in Hamburg) befragt.
Itemanalysen
Um zu beurteilen, wie viele Klassen oder Subpopulationen bei der Analyse mit dem Mixed-Rasch-Modell am angemessensten erscheinen, wird hier der CAIC-Index verwendet (vgl. Bozdogan, 1987; Rost, 1996a). Das Mixed-Rasch-Modell, das die Eigenschaften der Rasch-Analyse und der Latent-Class-Analyse kombiniert, erweitert die strengen Modellanahmen der Latent-Class-Analyse. Dieses Modell geht davon aus, dass die Items in den verschiedenen Klassen rasch-skalierbar sind. Dies bedeutet, dass jeder Person in einer bestimmten Klasse ein unterschiedlich hohes Erwartungswertprofil zugeordnet werden kann. Die Profilhöhe stellt also eine quantitative Dimension dar.
Nach dem CAIC-Index für die verschiedenen Lösungen der Latent-Class-Analyse ist zwar die 3-Klassen-Lösung die angemessenste. Aufgrund theoretischer Erwägungen wird hier aber die 4-Klassen-Lösung (siehe Tabelle 1) präferiert.
CAIC-Index für das Instrument „Coping-Stil“
Anzahl der latenten Klassen |
CAIC |
1 |
31731.41 |
2 |
31123.01 |
3 |
31030.10 |
4 |
31051.32 |
5 |
31138.72 |
Itemkennwerte
Im Folgenden sind die Erwartungswertprofile der 4-Klassen-Lösung mit den polytomen Indikatoren dargestellt. Diese Profile geben für die vier Klassen an, wie viele vigilante (VIG) bzw. kognitiv vermeidende Strategien (KOV) in den Situationen durchschnittlich als zutreffend bezeichnet werden. Die Summenwerte der KOV Skalen sind zur besseren Übersicht in Abbildung 1 umkodiert, so dass für die rigiden Klassen VIG bzw. KOV durchweg hohe bzw. niedrige Werte zu erwarten sind.
Die Ergebnisse zur Berechnung des Diskriminationsindex liegen in Tabelle 2 vor.
Abbildung 1. Erwartungswertprofile der vier Klassen
Diskriminationsindex (DI) für das Instrument „Coping-Stile“
|
DI |
VIG_ATOM |
.32719 |
KOV_ATOM |
.62401 |
VIG_WASSER |
.25814 |
KOV_WASSER |
.34239 |
VIG_GASSE |
.47790 |
KOV_GASSE |
.66929 |
VIG_ZAHN |
.66252 |
KOV_ZAHN |
.86791 |
Anmerkungen. VIG = vigilante vermeidende Strategien, KOV = kognitiv vermeidende Strategien in den vier Situationen.
Für die Latent-Class-Analyse kann untersucht werden, welche Items besonders stark zur Trennung der verschiedenen Klassen beitragen. Dies leistet der Diskriminationsindex (vgl. Rost, 1996a). Er ist definiert als das Verhältnis der Varianz der erwarteten Itemantworten zwischen den Klassen zur mittleren Varianz der Itemantworten innerhalb der Klassen. Je größer der Diskriminationsindex, desto stärker trennt ein Item zwischen den Klassen.
Reliabilität
Den theoretischen Überlegungen gemäß werden hier keine Reliabilitäten berechnet. Die Zuordnungswahrscheinlichkeiten für die hier präferierte 4-Klassen-Lösung (CAIC-Index) betragen:
- für Klasse 1 = 0.824,
- für Klasse 2 = 0.882,
- für Klasse 3 = 0.841,
- für Klasse 4 = 0.862.
Validität
Erste Auswertungen zeigen, dass der verwendete Coping-Stil mit der Umsetzung von Handlungsvorsätzen zusammenhängt. So sind Schülerinnen und Schüler, die den kognitiv-vermeidenden Coping-Stil (KOV) zeigen, am wenigsten motiviert umweltgerechte Handlungen durchzuführen. Differenziertere Analysen zum Zusammenhang mit dem tatsächlichen Handeln sind in Arbeit (vgl. Martens & Rost, in Druck).
Deskriptive Statistiken
Die Mittelwerte und die Standardabweichungen der Items liegen in Tabelle 3 vor.
Mittelwerte (M) und Standardabweichungen (SD) für die Items zu den vier Situationsvignetten des Instruments „Coping-Stil“
|
M |
SD |
Atom 1 |
.89 |
.31 |
Atom 2 |
.31 |
.46 |
Atom 3 |
.37 |
.48 |
Atom 4 |
.20 |
.40 |
Atom 5 |
.63 |
.48 |
Atom 6 |
.70 |
.46 |
Atom 7 |
.24 |
.43 |
Atom 8 |
.38 |
.48 |
Gasse 1 |
.39 |
.49 |
Gasse 2 |
.38 |
.48 |
Gasse 3 |
.47 |
.50 |
Gasse 4 |
.52 |
.50 |
Gasse 5 |
.52 |
.50 |
Gasse 6 |
.50 |
.50 |
Gasse 7 |
.67 |
.47 |
Gasse 8 |
.66 |
.47 |
Wasser 1 |
.57 |
.49 |
Wasser 2 |
.79 |
.41 |
Wasser 3 |
.67 |
.47 |
Wasser 4 |
.61 |
.49 |
Wasser 5 |
.43 |
.49 |
Wasser 6 |
.44 |
.50 |
Wasser 7 |
.43 |
.50 |
Wasser 8 |
.47 |
.50 |
Zahn 1 |
.66 |
.47 |
Zahn 2 |
.44 |
.50 |
Zahn 3 |
.30 |
.46 |
Zahn 4 |
.59 |
.49 |
Zahn 5 |
.67 |
.47 |
Zahn 6 |
.81 |
.40 |
Zahn 7 |
.40 |
.49 |
Zahn 8 |
.43 |
.48 |