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Politische Ideologien (POLID)

  • Author: Ulrich, M.
  • In ZIS since: 2021
  • DOI: https://doi.org/10.6102/zis313
  • Abstract: This scale measures the respondents‘ ideological profile. The special focus is to examine the com-plexity of people’s individual ideological predispositions and to enable researchers to compare ideo-l ... moreogical groups (e.g., in attitude research or studies about social milieus). To do this, respondents are given a score in four subdimensions: Economic libertarianism, conservatism, socialism, liberalism. These four subdimensions represent the four central ideologies in the western world. The scale was theoretically derived from the distinction between economic and social-cultural ideologies – a distinc-tion that is empirically confirmed in many studies in political science. It was already in use in the Aus-trian version of the second wave of the Values in Crisis Survey. less
  • Language Documentation: deutsch
  • Language Items: nein
  • Number of Items: 16
  • Survey Mode: CASI
  • Processing Time: 3.5 bis 5 Minuten
  • Reliability: Cronbachs Alpha = .61 bis .70; Raykovs Rho = .50 bis .82
  • Validity: Empirische Überprüfung von faktorieller Validität und Konstruktvalidität
  • Construct: Politische Ideologien (Ökonomischer Libertarismus, Konservativismus, Sozialismus, Liberalismus)
  • Catchwords: Politik, Ideologie, politische Einstellung, politische Haltung | politics, ideology, political attitude, poli-tical stance
  • Item(s) used in Representative Survey: ja
  • URL Website: Austrian Social Science Data Archive
  • URL Data archive: https://doi.org/10.7802/2332
  • Status of Development: validiert
    • Instruktion

      Viele Menschen in [Ländername einfügen] haben unterschiedliche Überzeugungen was Gerechtigkeit betrifft und wie der soziale Wandel gestaltet werden sollte. Wir bitten Sie um Ihre Einschätzungen zu den folgenden Aussagen.

       

      [Instruktion im österreichischen Values in Crisis Survey:

      Viele Menschen in Österreich haben unterschiedliche Überzeugungen was Gerechtigkeit betrifft und wie der soziale Wandel gestaltet werden sollte. Wir bitten Sie zum Abschluss unserer Erhebung noch um Ihre Einschätzungen zu den folgenden Aussagen.]

       

      Items

      Tabelle 1

      Items der POLID-Skala

      Nr.

      Item

      Polung

      Subskala

      1

      Gerechtigkeit bedeutet, dass ich nicht für Leute aufkommen muss, die nicht so viel leisten wie ich selbst.

      +

      A

      2

      Ein Anreiz für Leistung besteht nur dann, wenn die Unterscheide im Einkommen groß genug sind.

      +

      A

      3

      Am meisten bewundere ich Menschen, die sich selbst viel Wohlstand aufgebaut haben.

      +

      A

      4

      Wenn der Sozialstaat die Menschen zu gut versorgt, haben sie keinen Grund, sich um eine Arbeit zu bemühen.

      +

      A

      5

      Der Staat sollte sich vor allem auf die Bewahrung der gemeinsamen Kultur und Traditionen konzentrieren.

      +

      B

      6

      Vor allem unsere gemeinsame Kultur hält unser Land zusammen.

      +

      B

      7

      Man führt vor allem dann ein erfülltes Leben, wenn man sich unseren Traditionen verpflichtet fühlt.

      +

      B

      8

      Das wichtigste für mich ist, mich an unsere gemeinsamen Werte zu halten.

      +

      B

      9

      Es ist gerecht, wenn alle Gruppen in der Gesellschaft gleichgestellt werden.

      +

      C

      10

      Gleichheit bedeutet, dass am Ende des Tages Arm und Reich, Männer und Frauen, usw. gleichgestellt sind.

      +

      C

      11

      Das wichtigste, was man seinem Kind beibringen kann, ist Mitgefühl mit denen, die es schwerer haben.

      +

      C

      12

      Die meisten Einkommensunterschiede sind ungerecht, weil alle Menschen gleich sind.

      +

      C

      13

      Das wichtigste für mich ist, dass ich mein Leben so leben kann, wie ich es möchte - solange ich sonst niemandem schade.

      +

      D

      14

      Die Gesellschaft muss sicherstellen, dass jeder Mensch seine Freiheit ausleben kann, solange er niemandem schadet.

      +

      D

      15

      Es wäre das Beste für alle, wenn jeder tun und lassen könnte, was er will - solange er sonst niemandem schadet.

      +

      D

      16

      Freiheit bedeutet vor allem, dass jeder Mensch sein Leben so leben darf, wie er es für richtig hält, solange er niemand anderem schadet.

      +

      D

      Anmerkungen. Subskalen: (A) Ökonomischer Libertarismus, (B) Konservativismus, (C) Sozialismus, (D) Liberalismus

       

      Antwortvorgaben

      Vierstufige Ratingskala mit den Optionen „Stimme überhaupt nicht zu“ (1), „Stimme eher nicht zu“ (2), „Stimme eher zu“ (3) und „Stimme voll und ganz zu“ (4).

       

      Auswertungshinweise

      Jede der Subdimensionen wird durch jeweils vier Items abgebildet. Aus diesen werden zentrierte Mittelwerte berechnet. Das bedeutet, im ersten Schritt berechnet man den ungewichteten Durchschnittswert für jede der Subdimensionen. Anschließend wird davon der ungewichtete Durchschnittswert über alle 16 Items subtrahiert. Diese Ideologie-Scores sollen nur für die Befragten berechnet werden, die mindestens drei von vier Items bearbeitet haben. Zwei Items alleine bieten zu wenig Information, um einen Score angemessen zu berechnen. Gleichzeitig führt die Voraussetzung, dass alle Items beantwortet werden mussten, mitunter zu niedrigeren Fallzahlen, wenn man annimmt, dass 5% (oder mehr) der Befragten mindestens ein missing in der Skala aufweisen werden.

      Die Berechnung von zentrierten Mittelwerten entspricht der Logik, mit der auch die zentrierten Mittelwerte der Schwartz-Werte (1992; 2001) berechnet werden. Die Zentrierung der Mittelwerte hat den Vorteil, dass so der individuellen Skalenverwendung der Befragten Rechnung getragen werden kann. Außerdem gibt es bei den Schwartz-Werten einige Items, denen Befragte sehr häufig zustimmen (ob aus sozialer Erwünschtheit oder einer positiv verzerrten Selbstwahrnehmung), was zu einigen rechtssteilen Verteilungen führen kann. Die Zentrierung der Mittelwerte kann auf diese Effekte reagieren (Schwartz et al., 2015, S. 4–5). Bei der vorgestellten Ideologieskala gibt es ähnliche Effekte in Bezug auf den Liberalismus. Dieser ist die zentrale Ideologie der westlichen Welt (Duncan Bell, 2014, S. 689), insofern ist zu erwarten, dass die Items dieser Subdimension hohe Zustimmungen erzeugen. Mit der Berechnung zentrierter Mittelwerte kann diesem Umstand Rechnung getragen werden.

       

      Anwendungsbereich

      Diese Skala dient dazu, ein detailliertes ideologisches Profil der Befragten zu zeichnen. So kann mit Hilfe der vier Ideologie-Scores die ideologische Disposition des Befragten dargestellt werden. Auch Vergleiche zwischen Personengruppen (z.B. Männern und Frauen, Berufsgruppen, etc.) sind so möglich. Zusätzlich können die Ideologie-Scores als abhängige und unabhängige Variablen genutzt werden, um den Einfluss bzw. die Ursache von ideologischen Haltungen zu erforschen.

      Konkrete Anwendungsbeispiele wären die Lebensstil- und Milieuforschung, in der die Ideologie-Scores der Befragten mit ihrer Position innerhalb der Sozialstruktur (z.B. basierend auf Bildungsniveau oder Einkommen) in Verbindung gesetzt werden können. Auch die Einstellungsforschung kann von dieser Skala profitieren, indem die Scores mit der Zustimmung zu konkreten Einstellungen (z.B. bezgl. Frauenquoten, Homosexualität, Patriotismus, etc.) korreliert werden. Zuletzt kann der Zusammenhang zwischen Ideologien und Wertvorstellungen (z.B. anhand der Schwartz-Werte, Inglehart-Index, etc.) ebenfalls auf diese Weise untersucht werden.

      Der Vorteil dieser Skala gegenüber anderer Operationalisierungen (z.B. der Selbstplatzierung auf der Links-Rechts-Skala) ist die detailliertere Darstellung der ideologischen Profile der Befragten. Die Skala trägt der Komplexität ideologischer Einstellungen durch ihre theoriegeleitete Betrachtung von vier Subdimensionen Rechnung (siehe hierzu auch den Abschnitt „Theoretischer Hintergrund“).

      Die Skala wurde bisher v.a. in Online-Umfragen (CASI) genutzt, ist aber prinzipiell auch für PAPI, PATI und CATI anwendbar.

      Die durchschnittliche Bearbeitungszeit für die Skala wird auf 3.5 Minuten geschätzt (210.9 Sekunden). In dem verwendeten Datensatz wurden 28 Items abgefragt, von denen 16 die fertige Skala ausmachen (siehe Abschnitt „Skalenentwicklung“). Zusätzlich wurde die Bearbeitungszeit erhoben, im Datensatz liegt jedoch nur die summierte Bearbeitungszeit für alle 28 Items vor (im Mittel 369.1 Sekunden). Nimmt man an, dass die Befragten pro Item gleich viel Zeit verwendet haben, brauchten die Befragten im Mittel 13.2 Sekunden pro Item, was bei 16 Items eine durchschnittliche Bearbeitungszeit von 210.9 Sekunden ergibt.

      Die vorliegende Skala ist in der aktuellen Form für den deutschsprachigen Kontext uneingeschränkt einsetzbar. Die theoretische Struktur erlaubt prinzipiell auch die Anwendbarkeit für den anglo-sächsischen Raum, allerdings liegt dafür noch keine Übersetzung der Items vor. Die politischen Kontexte der Länder aus dem asiatischen, islamischen Raum (oder anderer) unterscheidet sich von dem der westlichen Länder, sodass die Anwendbarkeit für diese Länder an dieser Stelle nicht vorausgesetzt werden kann. In deutschsprachigen Ländern eignen sich jedoch prinzipiell alle Bevölkerungsgruppen als Zielgruppe. Die Skala wurde sowohl in einer Studierenden- als auch in einer Bevölkerungsumfrage angewandt und validiert.

      Besondere Qualifikationen sind zur Durchführung nicht erforderlich.

    Eine Ideologie wird oftmals definiert als ein System aus Überzeugungen, Konzepten, Ideen, Werten, etc., die von einer Gruppe bzw. einem Individuum vertreten werden (Arzheimer, 2009, S. 86; Converse, 2006, S. 3; Freeden, 1997, S. 3; Hamilton, 1987, S. 38; Jost et al., 2009, S. 309; Sartori, 1969, S. 405). Je nach Definition weisen Ideologien verschiedene Eigenschaften auf (z.B. dogmatisch, zeitlich stabil, widerspruchslos, etc.) (Gerring, 1997, S. 957).

    Für die Operationalisierung von Ideologien ist jedoch ein Punkt von besonderer Wichtigkeit: die interne Struktur der Ideologien, also die Netzwerkstruktur aus den Elementen der Ideologie. Zum einen ist nicht jeder Wert, jede Überzeugung für jede Ideologie von Interesse. Das Konzept der Freiheit ist für Liberale und Libertäre von großer Bedeutung, während sehr konservativ geprägte Individuen diesen Wert als nicht so bedeutend wie andere erachten (Bellamy, 2015, S. 26; Freeden, 2008, S. 144–154, 332-347; Freeden & Stears, 2015, S. 335–336; Gamble, 2015, S. 406; Kukathas, 2015, S. 39–41; Laborde, 2015, S. 518–521; Mannheim, 1970, S. 423–446; Smith, 1968, S. 281).

    Zum anderen stehen die Elemente – also Überzeugungen, Ideen, etc. – innerhalb derselben Ideologie in einer klaren Hierarchie. Manche von ihnen machen also soz. den harten Kern der Ideologie aus, während andere eine peripherere Rolle einnehmen. Die Elemente des harten Kerns bestimmen die Ausrichtung der Ideologie grundlegend, während die Peripherie an Lebensbedingungen oder aktuelle Ereignisse angepasst werden können. Daraus folgt auch, dass alle konkreten Einstellungsfragen auf der Abwägung dieser Kern-Überzeugungen basieren (Brandt et al., 2019, S. 1353; Converse, 2006, S. 3–4; Freeden, 2008, S. 75–91, 2015, S. 125–126).

    Die häufigste Operationalisierung von politischen Ideologien ist die Selbstplatzierung der Befragten auf einer eindimensionalen Skala zwischen „links“ und „rechts“ bzw. „liberal“ und „conservative“ im US-Kontext (Caughey et al., 2019, S. 674; Feldman, 2013, S. 594; Leader Maynard, 2013, S. 310).

    Diese Skala birgt jedoch einige Probleme. Zum einen ist es fraglich, ob Forscher und Befragte dasselbe unter den Labels „links“ und „rechts“ verstehen. In Deutschland und verstärkt in den USA machen Befragte ihr Verständnis der Labels an den Extrempunkten der Skala von Parteien oder politischen Organisationen abhängig. Das führt dazu, dass Befragte sich im Endeffekt zwischen Parteien oder anderen politischen Akteuren positionieren. Das eindimensionale Item misst also v.a. ihre Identifikation mit politischen Akteuren und nicht die tatsächlich vertretene Ideologie der Befragten (Bauer-Kaase, 2001, S. 217–225; Brandt et al., 2019, S. 1360; Camobreco, 2016, S. 474; Caughey et al., 2019, S. 674–675).

    Zum anderen ist die eindimensionale Skala zu unterkomplex. Ideologien decken viele verschiedene Themenbereiche ab, die in der Links-Rechts-Platzierung auf eine Achse heruntergebrochen werden. Tatsächlich wurde in der Psychologie und der Politologie festgestellt, dass man zumindest zwischen zwei Achsen unterscheiden muss: einer ökonomischen, die sich auf Themen der Umverteilung und Einkommensunterschiede bezieht, und eine sozialkulturelle, die sich mit ethnischen oder Gender-Ungleichheiten befasst. Obwohl diese Achsen oft korrelieren – die Stärke und Richtung hängt dabei vom jeweiligen politischen Kontext ab –, sind sie distinkt (Conover & Feldman, 2004, S. 201; Feldman, 2013, S. 596ff.; Feldman & Johnston, 2014, S. 343–344; Johnston & Ollerenshaw, 2020, S. 95; Malka et al., 2017, S. 1045ff.).

    Daraus folgt auch, dass Befragte nicht nur eine allesumfassende Ideologie vertreten, sondern mehrere themenspezifische gleichzeitig. Jemand, der Werten wie Konformität oder Sicherheit eine hohe Stellung einräumt (siehe Schwartz (1992; 2001)), kann gleichzeitig neoliberale Werte vertreten – wie die Republikanische Partei in den USA – oder sozialistische, was über viele Jahre für das Arbeitermilieu kennzeichnend war. Eine eindimensionale Skala wird dieser Komplexität nicht gerecht.

    Die zweithäufigste Operationalisierung ist die Gruppierung der Befragten in ideologische Cluster auf Basis von konkreten Einstellungsfragen – bspw. der Zustimmung/Ablehnung von Frauenquoten, der Todesstrafe, der Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe, etc. (z.B. Wilson (1973b), Everett (2013), Feldman und Johnston (2014), Hanel et al. (2019), usw.). Der Vorteil dieser Operationalisierung ist, dass die Komplexität von Ideologien besser abgebildet werden kann als mit der eindimensionalen Selbstplatzierung. Der Nachteil ist jedoch, dass die Zustimmung/Ablehnung von solchen Items die Begründung der Antwort des Befragten nicht berücksichtigt. Ein Prostitutionsverbot kann sowohl aus konservativer als auch aus feministischer Perspektive gefordert werden. Eine Skala, die nur auf konkrete Einstellungsfragen aufbaut, garantiert somit keine fehlerfreie Zuordnung in ideologisch homogene Cluster.

    Eine geeignete Operationalisierung sollte sich also auf die Kern-Überzeugungen der Ideologien fokussieren. Tatsächlich gibt es Skalen, die genau das versuchen (z.B. White et al. (2020), Adorno et al. (1950), Altemeyer (2004), Aichholzer (2019), etc.). Aber meistens wird dabei nur eine Ideologie erhoben. Meist sind das der Konservativismus, Autoritarismus, Neoliberalismus oder Ethnozentrismus. Eine Liberalismus- oder Sozialismus -Skala liegt zum momentanen Zeitpunkt nicht vor.

    Die hier vorgestellte Skala soll also (1) auf die Kern-Überzeugungen von politischen Ideologien abzielen und (2) die wichtigsten Ideologien im politischen Spektrum des Westens abdecken. Hierzu wurde auf die oben erwähnte und empirisch nachgewiesene Unterscheidung zwischen ökonomischen und soziokulturellen Ideologien als Ausgangspunkt zurückgegriffen. An den Endpunkten der beiden Achsen stehen jeweils gegensätzliche Ideologien: Auf der soziokulturellen Achse stehen sich der Liberalismus und der Konservativismus gegenüber. Auf der ökonomischen Achse stehen der ökonomische Libertarismus und der Sozialismus in Konflikt. Dadurch ergibt sich die Darstellung in Abb. 1. Die Skala ist so konstruiert, dass die Befragten insgesamt vier Scores sammeln – einen für jede der vier Ideologien. Das bedeutet, dass sie gleichzeitig Punkte in alle vier Richtungen sammeln können. Daraus ergibt sich für jeden Befragten ein individuelles ideologisches Spinnenprofil.

     

    Abbildung 1. Ideologie-Spinnenprofil

    Die Kernelemente der Ideologien lauten wie Folgt: Der ökonomische Libertarismus betont die Freiheit des Einzelnen und die des Marktes. Zusätzlich sind Ungleichheiten, die auf Leistung beruhen, gerechtfertigt. Das äußert sich in einer Ablehnung von sozialstaatlichen Leistungen, da diese der neoliberalen Idee der Leistungsgerechtigkeit widersprechen (Buckle, 2013, S. 227; Gamble, 2015, S. 406–418; Jackson, 2015, S. 359; Kukathas, 2015, S. 39–41; Mack, 2011, S. 673–675).

    Der Konservativismus sieht den Zusammenhalt von Gesellschaften vor allem durch eine gemeinsame Kultur gesichert. Diese leichtfertig abzulegen würde bedeuten, diesen Zusammenhalt zu gefährden, weil sich die Menschen in voneinander abgegrenzte Kollektive aufspalten. Das schließt Skepsis gegenüber zu schnellem gesellschaftlichen Wandel mit ein. Zusätzlich ist für den Konservativismus die Sicherheit der Menschen von großer Bedeutung. Freiheit kann somit nur dann ausgelebt werden, wenn die Gesellschaft durch klare Regeln sicherstellt, dass andere einem nicht schaden können. Diese Idee wurde von Mannheim (1970) als qualitative Freiheit bezeichnet (Arzheimer, 2009, S. 88; Buckle, 2013, S. 227; Freeden, 2008, S. 332–347; Jost et al., 2003, S. 342–343; Mannheim, 1970, S. 423–446; Mendilow, 1996, S. 221; Muller, 2015, S. 685–686; O'Sullivan, 2015, S. 293–294; White et al., 2020, S. 21).

    Sozialistisch geprägte Menschen sind überzeugt, dass die Welt in Begünstigte und Benachteiligte aufgeteilt ist, wobei letztere häufig auch aktiv ausgebeutet werden. Das kann sich sowohl auf ökonomische als auch auf sozialkulturelle Themen beziehen. Folglich betonen Sozialisten die (Ergebnis-)Gleichheit zwischen verschiedenen Gruppen. Individuelle Freiheit wird kollektiver Gleichheit oft untergeordnet. Zusätzlich ist die Inklusion ein wichtiger Wert für Sozialisten, weil Exklusion ein Werkzeug der Ausbeutung darstellt. Um die Ausbeutung zu beenden wird ein radikaler gesellschaftlicher Wandel gefordert (Arzheimer, 2009, S. 89; Daniel Bell, 1968, S. 507; Buckle, 2013, S. 227; Freeden, 2008, S. 425–438; Jászi, 1967, S. 188; Lorwin, 1967, S. 94).

    Der Liberalismus betont im Gegensatz zum Kollektivismus des Sozialismus‘ die individuelle Freiheit. Starre gesellschaftliche Regeln (sowohl von konservativer als auch sozialistischer Seite) grenzen diese zu stark ein und werden deswegen abgelehnt. Die einzige legitime Begrenzung der individuellen Freiheit ist die Rücksichtnahme auf das Wohl und die Freiheit des nächsten. So hat jedes Individuum trotz Autonomie die Verantwortung, sich mitmenschlich zu verhalten (Arzheimer, 2009, S. 87–88; Bellamy, 2015, S. 26; Buckle, 2013, S. 234–236; Freeden, 2008, S. 144–154, 335-336; Ruggiero, 1967, S. 435–436; Smith, 1968, S. 281).

    Itemkonstruktion und Itemselektion

    Die Items der Skala waren auf die Zustimmung/Ablehnung der Kernüberzeugungen der Ideologien fokussiert. Hierzu wurden die meisten Items von Grund auf neu formuliert, vier Items sind von anderen Skalen inspiriert: Item 2 entstammt der Skala von Stark et al. (2014); Item 9 ist  eine inverse Formulierung eines Items der SDO-Kurzskala von Aichholzer (2019), Item 11 ist inspiriert durch ein Item der F-Skala von Adorno et al. (1950, S. 226-227) und Item 12 ist die freie Übersetzung eines Items von Houtman (2003, S. 92).

    Im Rahmen von kognitiven Pretests und Beobachtungstests wurden die ursprünglichen Items iterativ weiterentwickelt und verfeinert. Items wurden entweder umformuliert, neue hinzugefügt oder unbrauchbare Items aussortiert. Im Anschluss an diese Phase fasste die erste Arbeitsversion insgesamt 72 Items, die in einer Studierendenumfrage an der Universität Salzburg (Oktober bis November 2020) eingesetzt und validiert werden sollte. Aus den 72 Items entstand durch Item- und Faktorenanalysen eine Version mit insgesamt 16 Items.

    Diese Items wurden ein letztes Mal mit Hilfe der Expertenmeinungen von DissertantInnen, Postdocs und ProfessorInnen der Universität überarbeitet, um sie für Bevölkerungsumfragen anwendbar zu machen. Hierzu wurden Items umformuliert und zwölf weitere entwickelt, bevor sie in der zweiten Welle der österreichischen Version des Values in Crisis Surveys eingesetzt wurden (siehe Aschauer et al. (2021)).

    Aus den 28 abgefragten Items wurden wieder 16 für die fertige Skala ausgewählt. Ausgeschlossen wurden Items mit zu rechts- oder linkssteiler Verteilung, weil diese von nahezu allen Befragten befürwortet oder abgelehnt wurden. Diese Items hätten somit nicht zur Trennung zwischen Befragten mit hohen und niedrigen Scores beigetragen. Ebenfalls ausgeschlossen wurden Items, die in der Faktorenanalyse keine angemessenen Faktorladungen erzeugten. Unter der Berücksichtigung des Zieles, dass jede Subdimension die gleiche Anzahl an Items zählen soll, entstand so die finale Skala mit 16 Items.

     

     

    Stichproben

    Die Values in Crisis Panel-Studie wurde von Christian Welzel ins Leben gerufen. Es handelt sich dabei um ein Panel, das die Veränderung der Werte der Menschen im Zuge der Covid19-Pandemie in 18 Ländern in drei Wellen beobachtet. Dabei werden die Wertüberzeugungen der Befragten nach Schwartz, ihre Wahrnehmung der Krise und des Krisenmanagements der Regierung, Persönlichkeitsdimensionen und weitere politische Konzepte (u.a. Autoritarismus, Vertrauen in die Regierung, psychische Verfassung, etc.) erhoben.[1] Insgesamt nehmen Forscher-Teams aus 18 Ländern an der Panel-Studie teil (u.a. Deutschland, Österreich, UK, Italien, Schweden, Japan, China, etc.). Hierzu wurde auf ein Consumer Online Panel zurückgegriffen, das durch weitere gezielte Quotenbefragungen ergänzt wurde, um die österreichische Bevölkerung möglichst gut abzubilden.[2]

    Die Skala wurde in der zweiten Welle der österreichischen Version des Values in Crisis Surveys verwendet (Aschauer et al. (2021)). Sie wurde randomisiert der Hälfte der Befragten präsentiert. Dadurch reduziert sich die Stichprobe, an der die Ideologieskala getestet wurde auf ca. 1.000 Befragte. Zusätzlich wurden jene Befragten von der Analyse ausgeschlossen, die eine zu kurze Bearbeitungszeit für die Skala aufweisen (unter 135 Sekunden; dieser Wert basiert auf Beobachtungstests). Somit bleiben insgesamt 767 Befragte für die Validierung der Ideologieskala übrig. Tabelle 2 zeigt die demographische Zusammensetzung des Panels insgesamt, sowie die der verbleibenden Stichprobe im Vergleich zur Grundgesamtheit der österreichischen Bevölkerung.2

     

    Tabelle 2

    Beschreibung der Stichprobe im Vergleich zur österreichischen Bevölkerung (Prozentwerte)

     

     

    Ungewichtetes Sample (VIC2)*

    Ungewichtetes Sample

    (N=767)

    Statistic Austria (2021)*

    Weiblich

    14-19 Jahre

    3.1

    2.4

    3.3

    20-29 Jahre

    8.2

    5.1

    7.1

    30-39 Jahre

    8.0

    7.6

    7.8

    40-49 Jahre

    8.4

    9.0

    7.6

    50-59 Jahre

    9.3

    11.6

    9.1

    60-69 Jahre

    9.3

    8.6

    6.8

    70 Jahre oder älter

    7.4

    7.7

    9.4

    Summe

    50.4

    51.9

    51.2

    Männlich

    14-19 Jahre

    2.6

    1.8

    3.5

    20-29 Jahre

    8.4

    5.0

    7.5

    30-39 Jahre

    7.8

    7.0

    8.0

    40-49 Jahre

    8.4

    7.6

    7.7

    50-59 Jahre

    9.6

    10.6

    9.1

    60-69 Jahre

    7.7

    9.5

    6.3

    70 Jahre oder älter

    5.1

    6.4

    6.8

    Summe

    49.6

    47.9

    48.8

    Bundesland

    Vorarlberg

    4.0

    3.5

    4.5

    Tirol

    8.1

    7.3

    8.5

    Salzburg

    6.3

    5.6

    6.3

    Steiermark

    14.3

    14.3

    14.0

    Kärnten

    6.3

    6.1

    6.3

    Oberösterreich

    17.5

    17.3

    16.7

    Niederösterreich

    18.9

    19.8

    18.9

    Wien

    20.9

    21.3

    21.5

    Burgenland

    3.6

    4.7

    3.3

    Bildung

    Pflichtschule (9 Jahre)

    14.0

    12.3

    25.1

    Ausbildung

    45.8

    45.6

    31.3

    Berufliche mittlere Ausbildung

    10.8

    12.5

    13.9

    Allgemeine oder berufliche sekundäre Ausbildung

    18.7

    18.1

    15.3

    Universitäre Ausbildung

    10.8

    11.5

    14.4

    *Diese Werte stammen aus dem Methods Report der VIC-2 Studie (Fußnote 2).

     

    Der Fragebogen der Values in Crisis Studie bot Befragten für diese Skala keine Ausweichoption und verlangte die Bearbeitung aller Items, bevor die Befragung fortgesetzt werden konnte. Deswegen gibt es in dieser Stichprobe keine nonresponse missings bei den Items zur Ideologie-Skala.

    Zu Zwecken der Validierung wurde die Stichprobe (N=767) randomisiert in drei Substichproben aufgeteilt. Das erste Sample (N=269) wurde für die Hauptkomponentenanalyse verwendet. Das zweite Sample (N=260) wurde für die konfirmatorische Faktorenanalyse benutzt, und das dritte Sample (N=238) dient zur Konstruktvalidierung.[3]

     

     

    Itemanalysen

    Sämtliche Berechnungen wurden in STATA (Version 16.1) durchgeführt. Vor der Faktorenanalyse wurden Items mit zu links- oder rechtssteilen Verteilungen ausgeschlossen (siehe oben). In weiteren Schritten wurden jene Items entfernt, die zu niedrige Faktorladungen und/oder zu starke Querladungen aufwiesen. Unter zusätzlicher Berücksichtigung, dass jede Subskala dieselbe Anzahl an Items aufweisen soll, konnte folgende Faktorenstruktur der finalen 16 Items nachgewiesen werden.

    Die explorative Faktorenanalyse mit dem ersten Subsample (N=269) (Hauptkomponentenanalyse; KMO=0,75) weist vier Faktoren mit Eigenwerten größer 1 aus (Eigenwerte: 2.96, 2.83, 1.52, 1.07). Nach nicht-orthogonaler/obliquer Promax-Rotation spiegelt Faktor 1 den Konservativismus wider, Faktor 2 den Liberalismus, Faktor 3 den ökonomischen Libertarismus und Faktor 4 den Sozialismus. Die Faktorladungen sind in Tabelle 3 aufgeführt, die Korrelationen zwischen den Hauptkomponenten in Tabelle 4.

     

    Tabelle 3

    Ladungsmatrix der Faktoren nach obliquer Promax-Rotation

    Item

    Faktor 1

    Faktor 2

    Faktor 3

    Faktor 4

    Kommunalitäten

    5

    .83

     

     

     

    .65

    6

    .72

     

     

     

    .50

    7

    .61

     

    .20

     

    .51

    8

    .66

     

     

     

    .51

    13

     

    .71

    .15

     

    .53

    14

     

    .72

     

    .15

    .59

    15

     

    .72

    -.27

    -.23

    .53

    16

     

    .67

     

    .20

    .58

    1

     

     

    .52

    -.25

    .40

    2

    -.20

     

    .78

     

    .55

    3

     

     

    .55

     

    .35

    4

    .16

     

    .69

     

    .59

    9

     

     

     

    .67

    .54

    10

     

    .37

    .16

    .62

    .63

    11

    .28

    -.18

     

    .69

    .54

    12

     

    .15

     

    .54

    .38

    Anmerkungen: Faktorladungen unter ±.15 werden nicht dargestellt; N=269

     

    Tabelle 4

    Korrelationen zwischen den Hauptkomponenten

     

    Faktor 1

    Faktor 2

    Faktor 3

    Faktor 4

    Faktor 1

    1

     

     

     

    Faktor 2

    .03

    1

     

     

    Faktor 3

    .35

    .00

    1

     

    Faktor 4

    .01

    .18

    -.18

    1

    Anmerkungen: N=269

     

     

    Zusätzlich wurde mit dem zweiten Subsample (N=260) eine konfirmatorische Faktorenanalyse berechnet. Hierzu wurde ein SEM (Maximum Likelihood Schätzer) mit Kovarianzen zwischen den latenten Variablen der Ideologien berechnet. Diese wurden aufgenommen, da jede Person aus diesen vier Ideologien ein individuelles ideologisches Profil entwickelt und somit Korrelationen zwischen den latenten Variablen erwartbar sind. Auf Basis des Modification Indexes wurde ebenfalls eine Korrelation zwischen dem 13. und 16. Item aufgenommen. Eine Korrelation zwischen diesen beiden (bivariate Korrelation zwischen Item 13 und 16: r=.56; N=260) zeigte sich vermutlich deswegen, da sie sich beide auf die Freiheit, die jede Person genießen sollte, beziehen.

    Somit wurde ein Modell erstellt, dass einen guten Fit aufweist (Χ2(97) = 139.37; p = .00; RMSEA = .04; CFI = .96; SRMR = .05; BIC = 9315.82). Das Modell ist in Abbildung 2 dargestellt.

    Abbildung 2. Konfirmatorische Faktorenanalyse (N = 260). SOZ = Sozialismus, LIB = Liberalismus, NEO = Libertarismus, KON = Konservatismus.

     

    Zwischen den latenten Variablen wurden drei signifikante Korrelationen festgestellt. SOZ und NEO korrelieren negativ, dieses Ergebnis entspricht dem theoretischen Modell, da diese Ideologien entgegengesetzte Extrema auf der Ebene der ökonomischen Ideologien sind. Darüber hinaus korrelieren NEO und KON positiv, was mit dem bisherigen Forschungsstand vereinbar ist (Azevedo et al., 2019, S. 76; Buckle, 2013, S. 231–232; Malka et al., 2017, 1058-1059). Dementsprechend kann auch die Korrelation zwischen SOZ und LIB als jeweilige Gegenpole von NEO und KON erklärt werden. Die Korrelationen zwischen SOZ und KON bzw. NEO und LIB sind nicht signifikant, genauso wie die zwischen LIB und KON. Diese Ergebnisse sind überraschend, da man aufgrund des bisherigen Forschungsstandes negative Korrelationen erwarten könnte. Allerdings basiert ein Großteil dieses Forschungsstandes auf den USA, die einen sehr polarisierten und binären politischen Kontext aufweisen. Liberal bezeichnet dort sowohl Liberalismus als auch Sozialismus; conservative Konservativismus und Libertarismus. Es ist möglich, dass Österreich durch sein Mehrparteiensystem und andere Aspekte des politischen Kontexts andere Strukturen zwischen diesen vier Ideologien aufweist. Insofern könnten diese Ergebnisse ein Länderspezifikum darstellen (Johnston & Ollerenshaw, 2020, S. 95).

    Zuletzt muss auf die niedrige Ladung des dritten Items auf die latente Variable NEO verwiesen werden (.29). Diese hat ebenfalls einen Einfluss auf den vergleichsweise niedrigen Alpha- und Rho-Wert dieser Subskala (siehe Tabelle 6). Allerdings erscheint diese Schwäche im Kontext der zufriedenstellenden Fit-Maße des Modells nicht ausschlaggebend. Außerdem wurde diese Auswahl der Items durch die EFAs und die Betrachtungen ihrer Verteilungen ausgewählt. Insofern deutet die niedrige Ladung dieses einzelnen Items nicht auf eine mangelnde Validität der Skala hin, sondern zeigt lediglich, dass Item Nr. 3 einen etwas anderen Aspekt des ökonomischen Libertarismus erfasst als die anderen drei Items und deswegen mehr item uniqueness aufweist.

     

     

    Itemkennwerte

    Tabelle 5 stellt die Mittelwerte, Standardabweichungen und Trennschärfen (Item-Rest-Korrelation für die jeweilige Subdimension) der Skalenitems dar.

     

    Tabelle 5

    Mittelwerte, Standardabweichungen, Schiefe, Kurtosis und Trennschärfen der manifesten Items

     

    M

    SD

    Schiefe

    Kurtosis

    Trennschärfe

    Item 1

    2.60

    .87

    -.05

    2.32

    .41

    Item 2

    2.42

    .83

    .06

    2.44

    .37

    Item 3

    2.76

    .87

    -.25

    2.37

    .30

    Item 4

    2.79

    1.05

    -.38

    1.93

    .40

    Item 5

    2.70

    .85

    -.19

    2.43

    .60

    Item 6

    2.80

    .80

    -.37

    2.79

    .51

    Item 7

    2.35

    .83

    .04

    2.38

    .58

    Item 8

    2.98

    .74

    -.50

    3.21

    .52

    Item 9

    2.83

    .80

    -.25

    2.56

    .52

    Item 10

    3.11

    .82

    -.72

    3.06

    .54

    Item 11

    3.15

    .69

    -.61

    3.64

    .37

    Item 12

    2.49

    .89

    .06

    2.26

    .46

    Item 13

    3.42

    .66

    -1.03

    4.27

    .49

    Item 14

    3.29

    .65

    -.58

    3.25

    .53

    Item 15

    2.67

    .89

    -.11

    2.26

    .43

    Item 16

    3.43

    .64

    -.84

    3.51

    .57

    Anmerkung: Skala von 1 (Stimme überhaupt nicht zu) bis 4 (Stimme voll und ganz zu), = 767.



    [1] WVS Database (worldvaluessurvey.org) (letzter Zugriff: 30.08.2021)

    [2] Method Report - VIC2 (letzter Zugriff: 9.11.2021)

    [3] Diese drei Samples unterscheiden sich nicht nach Geschlecht, Alter, Bildung oder Bundesland. Auch die erzielten Ideologie-Scores unterscheiden sich nicht signifikant zwischen den Substichproben.

    Objektivität

    Die Skala wurde in einer standardisierten Online-Umfrage angewandt, in der kein Kontakt zwischen Befragten und Forschern bestand. Auch die Formulierungen und das Erscheinungsbild waren für jeden Befragten gleich. Die Durchführungsobjektivität ist somit gewährleistet. Da für die Berechnung der Ideologie-Scores ein klares Vorgehen vorliegt (Berechnung mittelwertszentrierter Scores, siehe Abschnitt „Auswertungshinweise“), ist auch die Auswertungsobjektivität gewährleistet. Da auch der Werterange der Scores durch die Skala angegeben ist (siehe Abschnitt „Instrument“) und durch die Berechnung von mittelwertszentrierten Scores der Aussagegehalt dieser Punktwerte festgelegt ist, ist auch die Interpretationsobjektivität gegeben. Hohe Punktwerte deuten auf eine stärkere Vertretung der entsprechenden Ideologie hin. Positive Werte zeigen eine Prägung durch diese Ideologie an, die über die Prägung durch andere hinausgeht. Negative Werte zeigen dagegen, dass das Individuum die jeweilige Ideologie weniger stark vertritt als die anderen.

     

    Reliabilität

    Die interne Konsistenz bzw. Reliabilität der Skalen wird in Tabelle 6 mit Hilfe von Cronbach’s Alpha bzw. Raykov’s Rho dargestellt.

     

    Tabelle 6

    Cronbach's Alpha und Raykov’s Rho der Subdimensionen

     

    Libertarismus

    Konservativismus

    Sozialismus

    Liberalismus

    Cronbach’s Alpha

    .61

    .70

    .62

    .68

    Raykov’s Rho

    .50

    .82

    .73

    .72

    Anmerkungen: N=269

     

     

    Hier sollte berücksichtigt werden, dass Alpha-Werte mit der Anzahl der Items, die in einer Skala mit verrechnet werden, ansteigt (vgl. Kopalle & Lehmann, 1997). Die Subdimensionen dieser Skala bestehen aus jeweils vier Items. Vor diesem Hintergrund sind die Alpha-Werte der Subdimensionen (.61 und höher) durchaus zufriedenstellend und deuten auf eine angemessene Zuverlässigkeit der Skala hin.

     

    Validität

    Da die Skalenitems stets theoriegeleitet und unter Rückgriff auf den bisherigen Forschungsstand entwickelt wurden, wird die Inhaltsvalidität der Skala als hoch eingeschätzt. Ein weiterer Hinweis darauf ist, dass die Ausführungen der Teilnehmer in kognitiven Pretests bestätigten, dass die Items die Ideologien abbilden, die sie auch abbilden sollten.

    Eine zusätzliche inhaltliche Validierung liefern die Pearson-Korrelationen zwischen den einzelnen zentrierten Ideologie-Scores. Auch wenn die Befragten prinzipiell in alle Richtungen Punkte sammeln können, gehen manche Ideologien häufiger miteinander einher als andere. Sozialismus und Libertarismus bzw. Liberalismus und Konservativismus sollten negativ korrelieren, da sie gegenüberstehende Extrempunkte auf den ökonomischen und soziokulturellen Achsen sind. Diese Annahme wird in Tabelle 7 bestätigt. Diese Korrelationen wurden mit dem dritten Subsample berechnet, das nur für die Konstruktvalidierung der Skalen verwendet wurde.

     

    Tabelle 7

    Korrelationen zwischen den Ideologie-Scores

     

    Libertarismus

    Konservativismus

    Sozialismus

    Liberalismus

    Libertarismus

    -

     

     

     

    Konservativismus

    -.03

    -

     

     

    Sozialismus

    -.64***

    -.47***

    -

     

    Liberalismus

    -.45***

    -.44***

    .05

    -

    Anmerkung: N=238; *p<.05; **p<.01; ***p<.001

     

    Auch faktorielle Validität liegt vor, da die Faktorenstruktur der EFA den theoretischen Vorannahmen über das Auftreten von vier Subdimensionen bzw. Ideologien entspricht und alle Items ihre Hauptladung auf dem theoretisch zugeordneten Faktor aufweisen. Die Faktorenstruktur wurde anschließend anhand einer CFA bestätigt.

    Um die Konstruktvalidität zu messen, werden die zentrierten Ideologie-Scores mit anderen Variablen korreliert. Auch hierzu werden die Fälle des dritten Subsamples genutzt (N=238). Zunächst ist laut der These des Alterskonservativismus‘ zu erwarten, dass der Konservativismus-Wert positiv mit einem höheren Lebensalter (berechnet aus Geburtsjahr) korreliert (Cornelis et al., 2009, S. 51–53; Wilson, 1973a, S. 14). Außerdem ist zu erwarten, dass Menschen mit hohem Einkommen libertärer, und Menschen mit niedrigem Einkommen eher sozialistisch eingestellt sind. Beides geht auf das rationale Eigeninteresse dieser Personen zurück. Entsprechende Korrelationen zwischen den Ideologie-Scores und dem Nettomonatseinkommen des Befragten (gemessen durch eine gruppierte ordinale Skala mit 14 Ausprägungen, die als Intervallskala behandelt werden kann) sollten dies bestätigen (Feldman & Johnston, 2014, S. 344–345; Geiger, 1987, S. 82–105). Als letzte sozialstrukturelle Variable wird die Bildung betrachtet (gemessen durch eine ordinale Skala mit 13 Ausprägungen, die als Intervallskala behandelt werden kann). Der bisherige Forschungsstand, der meist aus den USA stammt, legt nahe, dass hohe Bildung mit Liberalismus einhergeht (Feldman & Johnston, 2014, S. 344–345; Gerber et al., 2010, S. 119–123).

    Darüber hinaus werden Skalen zur Messung verwandter Konstrukte herangezogen. Hierzu dient der Zusammenhang der Ideologie-Scores mit der Selbstplatzierung zwischen „links“ und „rechts“ (vgl. Breyer, 2015). Der Range liegt bei dieser Variable zwischen 1 (links) und 10 (rechts). Hohe Libertarismus- bzw. Konservativismus-Werte sollten mit einer Selbsteinschätzung Richtung „rechts“ einhergehen, hohe Werte beim Sozialismus oder Liberalismus entsprechend mit einer Positionierung Richtung „links“.

    Der Values in Crisis Survey bietet auch eine Kurzskala zum Thema Sexismus. Diese besteht aus 3 Items („Alles in allem sind Männer bessere Politiker als Frauen“, „Eine Hochschulausbildung ist für Jungen wichtiger als für Mädchen“ und „Wenn die Arbeitsplätze knapp sind, haben Männer eher ein Recht auf Arbeit als Frauen“). Diesen Items konnten die Befragten auf einer vierstufigen Skala zustimmen bzw. sie ablehnen. Aus diesen Items wurde zur Validierung der individuelle Durchschnittswert berechnet. Hohe Konservativismus-Werte sollten höhere Sexismus-Werte erzielen, Sozialismus- bzw. Liberalismus-Scores dafür einen niedrigeren Sexismus-Wert. Da im bisherigen Forschungsstand die Ideologie von Befragten durch die Selbstplatzierung zwischen links und rechts bzw. liberal und conservative operationalisiert wird, kann oft nicht zwischen Konservativismus und Libertarismus unterschieden werden. Da jedoch eine eher rechte bzw. conservative Haltung mit Sexismus einhergeht (vgl. Hoyt et al., (2019)), wird hier angenommen, dass der Libertarismus ebenfalls mit einem höheren Sexismus-Wert korreliert.

    Das entgegengesetzte Muster ist bei der Korrelation mit der Rechtfertigung von Verhaltensweisen (Homosexualität, Abtreibung, Scheidung) zu erwarten. Hierzu wurden die Befragten zu diesen drei Schlagwörtern gebeten, sich jeweils auf einer 10stufigen Skala zu verorten („in keinem Fall gerechtfertigt“ (1) vs. „in jedem Fall gerechtfertigt“ (10)).

    Zuletzt werden die Ideologie-Scores mit den übergeordneten Schwartz-Werten (1992; 2001) korreliert (vgl. Schwartz et al., 2015). Die Werte der Leistung und Macht (zusammengefasst im übergeordneten Wert der Selbsterhöhung) betonen den Erfolg durch eigene Kompetenz und das Erreichen von sozialem Prestige bzw. der Rechtfertigung der Dominanz der Eigengruppe (1992, S. 8–9). Diese Wertüberzeugungen müssten insb. mit einem erhöhten Libertarismus-Wert einhergehen. Die konservativen Werte der Sicherheit, der Tradition und der Konformität (1992, S. 9–10) müssten entsprechend positiv mit dem Konservativismus-Score korrelieren. Ein erhöhter Liberalismus-Score dürfte v.a. in Verbindung mit den Werten der Offenheit (Unabhängigkeit, Hedonismus und Stimulation) auftreten. Unabhängigkeit betont die individuelle Autonomie, Stimulation das Verlangen nach neuen Erfahrungen (1992, S. 5–8). Zuletzt dürften die Selbsttranszendenz-Werte (Benevolenz, Universalismus) mit dem Sozialismus korrelieren. Beide Schwartz-Werte betonen den Schutz von anderen, entweder im eigenen sozialen Netzwerk oder der Gesellschaft als Ganzem (1992, S. 11–12). Da der Sozialismus sich auf den Schutz von Schwächeren und das Ausgleichen von Ungleichheiten fokussiert, dürften diese Werte mit dieser Ideologie am stärksten korrelieren.

    Wie Tabelle 8 zeigt, treffen die meisten theoretischen Annahmen zu. Die ausbleibende negative Korrelation zwischen der Rechtfertigung von Abtreibungen und Konservativismus ist überraschend, allerdings wird dies durch die positive Korrelation mit Liberalismus aufgewogen. Außerdem tritt die erwartete Korrelation auf, wenn man sie mit dem Gesamtsample (N=767) berechnet (r=-.14; p<.001).

    Auch die ausbleibenden Korrelationen zwischen Liberalismus und Bildung sind auf den ersten Blick überraschend, allerdings erklärt sich dies durch die niedrigen Fallzahlen. Berechnet man diese Korrelation mit dem ganzen Sample (N=767) zeigt sich der erwartete positive Zusammenhang (r=.12; p<.01).

     

    Tabelle 8

    Konstruktvalidität der Ideologieskala

     

     

    Libertarismus

    Konservativismus

    Sozialismus

    Liberalismus

    Alter

     

    -.05

    .30***

    -.12

    -.10

    Einkommen

     

    .15*

    .02

    -.13

    -.05

    Bildung

     

    -.03

    .04

    -.11

    .07

     

     

     

     

     

     

    Links-Rechts-Selbstplatzierung

    .36***

    .21**

    -.43***

    -.14*

     

     

     

     

     

     

    Sexismus

    .21**

    .34***

    -.38***

    -.15*

     

     

     

     

     

     

    Rechtfertigung für Verhaltensweisen

    Homosexualität

    -.16*

    -.25***

    .20**

    .22***

    Abtreibung

    -.07

    -.10

    .00

    .20**

    Scheidung

    -.11

    -.21**

    .11

    .23***

     

     

     

     

     

     

    Übergeordnete Schwartz-Werte

    Selbstverbesserung

    .37***

    -.12

    -.27***

    -.01

    Konservativismus

    -.01

    .37***

    -.10

    -.25***

    Selbsttranszendenz

    -.45***

    -.10

    .44***

    .13

    Offenheit

    .08

    -.18**

    -.06

    .16*

    Anmerkung: N=238; p<.10; *p<.05; **p<.01; ***p<.001

     

     

     

    Deskriptive Statistiken

    Mittelwerte und Standardabweichungen für die Ideologie-Scores finden sich in Tabelle 9. Es zeigt sich, dass der Libertarismus von den Befragten am schwächsten vertreten wird. Wirtschaftlich libertäre Haltungen sind somit in der österreichischen Bevölkerung nicht breit geteilt. Auch der Konservativismus zählt im Mittel zu den weniger einflussreichen Ideologien. Vielmehr stellt der Liberalismus – also die Betonung individueller Freiheit – die zentralste politische Ideologie dar. Hinzu kommt der Sozialismus, der der Gleichheit eine hohe Bedeutung zuweist. Allerdings könnten sich Bildungsgruppen, Schichten, etc. in ihren ideologischen Profilen unterscheiden bzw. von diesem Bevölkerungsdurchschnitt abweichen.

     

    Tabelle 9

    Deskriptive Statistiken der Subskalen

     

    M

    SD

    Minimum

    Maximum

    Schiefe

    Kurtosis

    Libertarismus

    -.22

    .50

    -1.69

    1.38

    -.15

    2.95

    Konservativismus

    -.16

    .46

    -1.88

    1.13

    -.33

    3.36

    Sozialismus

    .03

    .51

    -1.75

    2.06

    -.07

    3.97

    Liberalismus

    .34

    .43

    -.94

    1.81

    .17

    3.10

    Anmerkung: Antwortskala 1 (Stimme überhaupt nicht zu) bis 4 (Stimme voll und ganz zu); Werte sind zentriert (s. Auswertungshinweise); N=767

     

     

    Nebengütekriterien

    Für die Skala wird eine mittlere Bearbeitungszeit von 3.5 bis 5 Minuten geschätzt. Somit ist sie zeitintensiver als die Links-Rechts-Skala, aber sie bietet zusätzlich ein differenzierteres und detaillierteres Bild über die ideologischen Dispositionen der Befragten. Dieser Nutzen wiegt den Zeitkostenfaktor auf, zumal eine Skala mit dieser Bearbeitungszeit in den meisten Studien problemlos integrierbar ist. Die Skala kann somit als ökonomisch angesehen werden.

    Die Verfälschbarkeit der Skala wird niedrig eingeschätzt. Es gibt zwar Items, die eine erhöhte Zustimmungstendenz aufweisen (inbs. im Liberalismus), das ist jedoch aus zwei Gründen kein Anzeichen auf Verfälschbarkeit. Zum einen ist der Liberalismus die am meisten verbreitete Ideologie der westlichen Welt, insofern würde eine zu niedrige Zustimmung auf ein Validitätsproblem hinweisen. Zum anderen bietet die Verwendung mittelwertzentrierter Skalenscores (siehe oben) bei der POLID eine geeignete Möglichkeit zum Umgang mit dieser erhöhten Zustimmungstendenz.

     

    Zusätzlich wurde die Messinvarianz der Skala zwischen Männern und Frauen bzw. Befragten mit einem Alter bis zu 49 Jahren und jenen über 50 Jahren getestet. Die entsprechenden Kennwerte sind in Tabelle 10 dargestellt. Sämtliche konfiguralen Modelle erreichen akzeptable Werte in CFI, RMSEA und SRMR. Das bedeutet, dass die Faktorenstruktur zwischen den verglichenen Gruppen vergleichbar ist.

    Um die metrische und skalare Messinvarianz zu testen, wird auf die Kennwerte von Chen (2007) zurückgegriffen. Metrische Messinvarianz liegt vor, wenn der Chi2-Differenztest insignifikant ist bzw. die Verringerung des CFIs .010 nicht überschreitet und gleichzeitig RMSEA nicht um mehr als .015 oder SRMR nicht um mehr als .030 steigt. Wie Tabelle 10 zeigt, sind diese Bedingungen sowohl für die Geschlechts- als auch für die Altersgruppen erfüllt. Die einzige Ausnahme ist der Chi2-Differenztest für Geschlecht, doch dieser ist nur schwach signifikant. Darüber hinaus ist dieser Test bei großen Stichproben in der Regel zu streng. Deswegen liegt der Fokus hier mehr auf den CFI-, RMSEA- und SRMR-Differenzwerten. Daraus folgt, dass auch die Kovarianzen zwischen den latenten Variablen (also den vier Ideologien) zwischen den Gruppen vergleichbar sind.

    Darüber hinaus liegt auch skalare Messinvarianz vor. Chen (2007) setzt für die Unterscheidung zwischen dem metrischen und dem skalaren Modell fest, dass das CFI nicht um mehr als .010 sinken soll. Gleichzeitig soll sich RMSEA nicht um mehr als .015 oder SRMR nicht um mehr als .010 erhöhen. Diese Bedingungen sind erfüllt. Das CFI sinkt zwar sowohl beim Geschlecht als auch bei den Altersgruppen um mehr als .010, allerdings liegt der Zuwachs sowohl im RMSEA als auch im SRMR jeweils unter dem kritischen Cutoff. Somit können auch die latenten Mittelwerte zwischen den Gruppen verglichen werden.

     

     

    Tabelle 10

    Kennwerte zur Prüfung der konfiguralen, metrischen und skalaren Messinvarianz

     

     

    Χ2

    df

    p des Modells

    p des Chi2-

    Differenztests

    CFI

    RMSEA

    SRMR

    Geschlecht

    Konfigural

    331.64

    194

    <.001

    <.05

     

    .943

    .043

    .049

    Metrisch

    358.08

    210

    <.001

    <.001

    .938

    .043

    .058

    Skalar

    405.02

    226

    <.001

     

    .925

    .046

    .058

    Alter

    Konfigural

    360.20

    194

    <.001

    .41

     

    .931

    .047

    .053

    Metrisch

    376.76

    210

    <.001

    <.001

    .931

    .046

    .059

    Skalar

    474.25

    226

    <.001

     

    .897

    .054

    .060

     

     

    Danksagung

    Der Autor bedankt sich herzlich bei Beat Fux, Wolfgang Aschauer, Alexander Seymer, Hemma Zmugg, Benjamin Baisch, Laurenz Bub, Franz Höllinger, Dženeta Karabegović, Mona Röhm, Victoria Reitter und Lara Zwittlinger für die anregenden Diskussionen. Außerdem bedankt der Autor sich bei Melanie Partsch für ihr hilfreiches Feedback während des Review-Prozesses. Zusätzlicher Dank geht an alle Teilnehmer der Pretests und Beobachtungstests.

    Martin Ulrich, Paris Lodron Universität Salzburg, Fachbereich Politikwissenschaft und Soziologie, Abteilung Soziologie und Kulturwissenschaft, Rudolfskai 42, 5020 Salzburg, E-Mail: martin.ulrich@plus.ac.at

     

    Der Values in Crisis Datensatz (Wellen 1 und 2 zusammengespielt) ist auf dem Austrian Social Science Data Archive (AUSSDA) im Open Access erhältlich (siehe Aschauer et al. (2021), https://doi.org/10.11587/6YQASY).

    Das Do-File über die obigen Auswertungen ist hier erhältlich: https://doi.org/10.7802/2332