erprobt, validiert
Für Standarditems: Hoffmeyer-Zlotnik et al. (2016): Demographische Standards, Ausgabe 2016: Eine gemeinsame Empfehlung des ADM Arbeitskreis Deutscher Markt- und Sozialforschungsinstitute e. V., der Arbeitsgemeinschaft Sozialwissenschaftlicher Institute e. V. (ASI) und des Statistischen Bundesamtes. https://www.statistischebibliothek.de/mir/servlets/MCRFileNodeServlet/DEMonografie_derivate_00001549/Band17_DemographischeStandards1030817169004.pdf
und
Rat Für Sozial- und Wirtschaftsdaten. (2023). Standardfragenkatalog zur Erhebung soziodemographischer und krisenbezogener Variablen: Erstellt von der Arbeitsgruppe des RatSWD zur Vernetzung sozialwissenschaftlicher Forschung in gesellschaftlichen Krisen. RatSWD Output Series. https://doi.org/10.17620/02671.76
Das Lebensalter einer Befragungsperson wird meist aus dem Geburtsjahr und -monat (und ggf. -tag) und Informationen zum Erhebungszeitpunkt hergeleitet. Diese Art der Erfassung ist präziser und reliabler als die direkte Erfragung des Alters (United Nations, 2017, S. 200; United Nations Economic Commission for Europe, 2015, S. 94). Von einer Erhebung allein von Altersgruppen wird abgeraten (ESOMAR, 2022).
In diesem Abschnitt wird zunächst das von den „Demographischen Standards“ (Hoffmeyer-Zlotnik et al., 2016) empfohlene Fragebogenitem zur Erhebung von Geburtsjahr und -monat dargestellt. Diese soziodemographischen Standard-Fragebogenitems dienen der Vereinheitlichung der Stimuli bei der Erfassung soziodemographischer Merkmale mittels Fragebögen. Danach werden für die genannten Merkmale Standardvariablen vorgestellt, die über Datensätze hinweg konsistente Metadaten in Form standardisierter Variablennamen und -labels sowie Werte und Wertelabels spezifizieren. Soziodemographische Standardvariablen dienen der Vereinheitlichung soziodemographischer Variablen in Umfragedaten im Sinne einer Output-Harmonisierung. Standarditems und Standardvariablen ergänzen einander und haben zum Ziel, die Messung soziodemographischer Merkmale über Studien hinweg vergleichbar zu machen. Weitergehende Informationen zu soziodemographischen Standarditems und -variablen finden sich in Schneider et al. (2023).
Geburtsjahr und -monat werden direkt durch eine Einzelfrage erfragt. Tabelle 1 zeigt die grundlegenden Eigenschaften dieses Fragebogenitems im Überblick:
Tabelle 1: Eigenschaften des Erhebungsinstruments für die Merkmale Geburtsjahr und -monat
Nr. |
Merkmal |
offen/halboffen/geschlossen |
numerisch/kategorial |
Antwortformat |
2 |
Geburtsjahr |
offen (computergestützt: geschlossen) |
numerisch |
4-stellig (JJJJ) |
2 |
Geburtsmonat |
offen (computergestützt: geschlossen) |
numerisch |
2-stellig (MM) |
Tabelle 2 zeigt das empfohlene Fragebogenitem zur Erfassung von Geburtsjahr und -monat für persönlich-mündliche Interviews in den Demographischen Standards (Hoffmeyer-Zlotnik et al., 2016, S. 40):
Tabelle 2: Item zur Erfassung von Geburtsjahr und -monat in den Demographischen Standards für persönlich-mündliche und schriftliche Befragungen
Nr. |
Demographische Standards 2016 |
weiter mit |
2 |
Die Ergebnisse dieser Befragung werden auch für unterschiedliche Altersgruppen ausgewertet. Bitte nennen Sie dazu Monat und Jahr Ihrer Geburt. |
|
|
Geburtsmonat |
|
|
Geburtsjahr |
|
Dieses Item wird auch im Standardfragenkatalog des RatSWD (Rat für Sozial- und Wirtschaftsdaten, 2023, S. 9) empfohlen. Es wird hier jedoch leicht modifiziert, indem, den Empfehlungen eines Pretests (Lenzner et al., 2019) folgend, die Frageformulierung angepasst und für die Angabe des Geburtsmonats „(MM)“ und für die Angabe des Geburtsjahres „(JJJJ)“ als Hilfestellungen zum erbetenen Format hinzugefügt werden (s. hierzu auch Abschnitt „Nebengütekriterien“).
Der Geburtstag wird nicht standardmäßig erhoben, da er keinen analytischen Mehrwert bietet, aber im Hinblick auf den Datenschutz problematisch ist. Eine Erhebung des Geburtstages bedarf daher einer guten Begründung. Panelstudien beispielsweise erheben den Geburtstag standardmäßig zur Re-identifikation von Panelbefragten, und nutzen dann nicht die oben genannte Standardfrage. Die Variable „Geburtstag“ wird aus Gründen des Datenschutzes jedoch nicht veröffentlicht. Einige Studien verzichten auch auf die Erhebung des Geburtsmonats zugunsten der Datensparsamkeit.
Liegen Informationen zum Geburtsdatum im Stichprobenrahmen vor, kann auf die Frage ganz verzichtet werden, um die Belastung von Befragten zu reduzieren, sofern die Information durch Befragte selbst nicht zur Plausibilisierung der Auswahl der Befragten (insbesondere in selbstadministrierten Befragungen) notwendig ist. Dann kann die Information den Befragungsdaten später zugespielt werden (ESOMAR, 2022).
Die Information über Jahr und Monat der Befragung wird verwendet, um das Lebensalter zum Zeitpunkt der Befragung abzuleiten und um aufzuzeichnen, wann die Befragung stattgefunden hat. Erhebungsjahr und -monat (und ggf. -tag) werden nur bei postalischen Erhebungen von den Befragten erfragt; hierfür liegen derzeit keine Standarditems vor. In computergestützten Befragungen werden diese Informationen automatisch durch die Erhebungssoftware erfasst.
Die Empfehlungen der Demographischen Standards 2016 für persönlich-mündliche und schriftliche sowie für telefonische Befragungen unterscheiden sich nicht. Bei Online-Befragungen sollte beim Monat unmissverständlich sein, ob der Name des Monats oder die entsprechende Zahl gefragt ist, z.B. indem ein drop-down-Menu mit dem entsprechenden Inhalt angeboten wird (s. Lenzner et al., 2019). Auch für das Jahr kann ein drop-down-Menu angeboten werden, wobei ESOMAR eine zweistufige Frage empfiehlt, um die Notwendigkeit zu scrollen zu verringern (ESOMAR, 2022). Damit würden beide Elemente geschlossen und somit stärker standardisiert erfasst als in den Demographischen Standards empfohlen. Bei schriftlichen Befragungen ist dies nicht möglich; es sollte aber darauf geachtet werden, dass die Antwortfelder groß genug für die Eintragungen der Befragten sind und das Antwortformat klar vorgeben wird (dies ist in der Vorlage in Tabelle 2 nicht der Fall). Lenzner et al. (2019) empfehlen dazu, hinter das Antwortfeld für den Geburtsmonat „(MM)“ zu schreiben, und hinter das Antwortfeld für das Geburtsjahr „(JJJJ)“.
Eine direkte Erhebung des Lebensalters kann auch international mit Schwierigkeiten verbunden sein, da es Kulturen gibt, in denen Neugeborene per Definition ein Jahr alt sind und/oder alle Mitglieder der Bevölkerung zu bestimmten Stichtagen kollektiv um ein Jahr altern (United Nations, 2017, S. 200). Auch könnte bei einer direkten Frage nach dem Alter unklar bleiben, ob das Alter des letzten oder des nächsten Geburtstages gemeint ist oder - auch aufgrund sozialer Erwünschtheit- auf- oder abgerundet wird. Zu guter Letzt ist das Alter für viele Befragte eine sensiblere Information als Geburtsjahr und -monat („Über das Alter spricht man nicht.“). Für internationale Bevölkerungszählungen wird daher für die präzise Messung des Alters die detaillierte Erhebung von Geburtsjahr, -monat und -tag empfohlen (United Nations, 2017, S. 200; United Nations Economic Commission for Europe, 2015, S. 94). Für amtliche europäische Erhebungen wird nur die Erhebung des Geburtsjahres sowie die Frage, ob die Befragungsperson im laufenden Jahr schon Geburtstag hatte, empfohlen (European Commission, 2020, S. 6). Letzterer Weg ist in deutschen Studien unüblich, und auch der Mikrozensus, der u.a. die Grundlage für die Europäische Arbeitskräfteerhebung darstellt, erfasst Geburtsjahr und -monat wie in den Demographischen Standards empfohlen. Im European Social Survey wird ebenso nicht nach dem Alter, sondern nur nach dem Geburtsjahr gefragt (European Social Survey, 2021, S. 45). Eine Erhebung des Geburtsmonats fehlt hingegen. Im Gegensatz dazu wird für die internationale Marktforschung die Erhebung des Alters (erst gruppiert, dann detailliert), ggf. ergänzt durch den Geburtsmonat, empfohlen, was jedoch durch die häufige Notwendigkeit der Stichprobenquotierung nach Alter begründet ist (ESOMAR, 2022).
Für eine klare Erfassung von Geburtsjahr und -monat ist es erforderlich, dass Eindeutigkeit über den verwendeten Kalender besteht, da nicht überall der in Europa gebräuchliche gregorianische Kalender verwendet wird, der auch die Grundlage für ISO 8601, den internationalen Standard für Kalender- und Zeitformate, bildet. Sollten andere Kalender in der Phase der Datenerhebung genutzt worden sein, erfolgen Umrechnungen auf ein einheitliches Format nicht während des Interviews, sondern erst in der Phase der Datenaufbereitung (vgl. United Nations, 2017, S. 200 f.).
Die hier vorgestellten Fragebogenitems können für alle Befragten und in jedem Befragungsmodus genutzt werden; zu Anpassungen für verschiedene Modi s. Abschnitt „Anpassung an verschiedene Befragungsmodi“.
1.2 Standardvariablen
Um die Merkmale Geburtsjahr und -monat Erhebungsjahr und -monat und Lebensalter über Studien und Zeitverlauf hinweg einheitlich benennen, kodieren und damit besser vergleichen zu können, wurden fünf Standardvariablen entwickelt. Tabelle 3 listet deren Variablennamen, -labels und -formate auf.
Tabelle 3: Spezifikation der Standardvariablen für die Merkmale Geburtsjahr, -monat, Erhebungsjahr, -monat und Alter
Variablenname |
Variablenlabel DE |
Variablenlabel EN |
Format |
Version |
x_doby |
Geburtsjahr |
Year of birth |
numerisch, integer, YYYY |
1.0 |
x_inty |
Jahr der Befragung |
Year of interview |
numerisch, integer, YYYY |
1.0 |
x_dobm |
Geburtsmonat |
Month of birth |
numerisch, integer, MM |
1.0 |
x_intm |
Monat der Befragung |
Month of interview |
numerisch, integer, MM |
1.0 |
x_age |
Alter (in Jahren) |
Age (in completed years) |
numerisch, integer, XXX |
1.0 |
Tabelle 4 zeigt die Zuordnung der Standardvariable x_doby (Geburtsjahr) zum Fragebogenitem der Demographischen Standards. Es liegt eine direkte Korrespondenz der erfassten numerischen Werte vor. Die Spezifikation der Standardvariablen x_doby steht in maschinenlesbarer Form hier zum Download bereit.
Zur Herleitung des Alters wird darüber hinaus die Information über den Erhebungszeitpunkt gebraucht. Für die Standardvariable x_inty (Erhebungsjahr) gibt es kein Standarditem, da diese Variable meist in Form von Paradaten vorliegt; die Spezifikation der Standardvariablen findet sich hier zum Download. Wenn sich das Jahr des Beginns und des Endes des Interviews unterscheiden, soll hier das Jahr kodiert werden, in dem das Interview begonnen wurde.
Tabelle 4: Zuordnung der Standardvariablen x_doby zu Antwortmöglichkeiten der Demographischen Standards
Standardvariable x_doby, Version 1.0 |
Demographische Standards 2016 |
|||
Wert |
Wertelabels DE |
Wertelabels EN |
|
Wert |
cccc |
[Entfällt (numerische Variable)] |
Geburtsjahr |
cccc |
|
Tabelle 5 zeigt die Werte und Wertelabels für die Standardvariablen x_dobm (Geburtsmonat) und x_intm (Erhebungsmonat), basierend auf ISO 8601. Die Codeschemata für x_dobm und x_intm sind ebenfalls in maschinenlesbarer Form als Download verfügbar.
Tabelle 5: Codeschema für die Standardvariablen x_dobm und x_intm
Standardvariable x_dobm und x_intm, Version 1.0 |
||
Wert |
Wertelabels DE |
Wertelabels EN |
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 |
Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember |
January February March April May June July August September October November December |
Das Lebensalter ist als Zeitspanne zwischen Datum der Geburt und Datum der Erhebung in vollständig abgeschlossenen (Sonnen-)Jahren definiert (United Nations, 2017, S. 200). Es wird daher aus dem Geburtsdatum und dem Erhebungsdatum abgeleitet, indem Ersteres von Letzterem subtrahiert wird. Für die Berechnung des Alters (und damit auch der Bestimmung von Alterskohorten bzw. -gruppen) bei Studien, in denen nur das Jahr und der Monat (aber nicht der Tag) der Geburt der Befragten erfasst werden (wie in den Demographischen Standards empfohlen), kann das Vorgehen des ALLBUS genutzt werden. Hier wird das Alter als Differenz von Befragungsjahr und Geburtsjahr (x_age = x_inty - x_doby) berechnet. Liegt der Befragungsmonat vor dem Geburtsmonat (x_intm < x_dobm), ist der Geburtstag im jeweiligen Jahr also noch nicht erfolgt, wird das Alter um ein Jahr reduziert (GESIS-Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften, 2019, S. 174). Bei Umfragen, die nur nach dem Geburtsjahr fragen, und bei fehlenden Angaben zum Geburtsmonat, wird das Geburtsjahr vom Jahr der Umfrage abgezogen. Bei Erhebungen, in denen nur direkt nach dem Alter gefragt wird, wird diese Information unmittelbar in diese Variable übernommen. Die Spezifikation für die Standardvariable x_age steht hier zum Download bereit.
Einzelne Studien erheben das Alter möglicherweise nur gruppiert. Da es keine Standards für die Altersgruppierung gibt, die eine Herleitung konsistenter Altersgruppen für alle diese Studien ermöglichen würde, verzichten wir auf eine Standardvariable, die Altersgruppen definiert. Hier muss im Zuge einer Harmonisierung zwischen konkreten Datensätzen genau analysiert werden, welche gemeinsamen Altersgruppen möglich sind. Diese können dann auch, passend für die jeweilige Forschungsfrage, aus der Standardvariable x_age hergeleitet werden für Datensätze, die das Alter differenziert erhoben haben.
1.2.1 Auswertungshinweise
Das Alter, Altersgruppen oder (Geburts-)Kohorten können als unabhängige Variablen eingesetzt werden, um Alters-, Altersgruppen- oder Kohorteneffekte zu modellieren. Wenn Alters-, Altersgruppen und Kohorteneffekte nicht im Zentrum der Fragestellung stehen, sollte bei altersheterogenen Stichproben das Alter, die Altersgruppe oder die Geburtskohorte in statistischen Analysen kontrolliert werden.
Dabei werden diese Variablen, je nach Fragestellung, unterschiedlich modelliert. Häufig wird Alter einfach als kontinuierliches Merkmal mit linearen Effekten modelliert. Manchmal werden quadrierte Alterseffekte ergänzt, um mögliche nicht-lineare Effekte zu modellieren. Häufig werden auch für die jeweilige Fragestellung theoretisch sinnvolle Altersgruppen oder Gruppen von Jahrgängen (d.h. Geburtskohorten) gebildet, die dann als Dummy-Variablen in die Analyse einfließen.
Eine separate Schätzung von Alters-, Kohorten- und Periodeneffekten ist nicht möglich, da diese drei Größen perfekt miteinander zusammenhängen (für einen Überblick s. beispielsweise Fosse & Winship, 2019).
Das Lebensalter einer Person hängt mit biologischen und psychologischen Entwicklungs-, Reifungs- und Alterungsprozessen und mit soziokulturell definierten Phasen des Lebensverlaufs eng zusammen. Es ist damit eines der wichtigsten demographischen Merkmale. Das Alter wird, zusammen mit dem Geschlecht, in den meisten multivariaten statischen Modellen kontrolliert. Einstellungen, Verhaltensweisen, sozio-ökonomische Merkmale und insbesondere Gesundheit korrelieren mit dem Alter (Klein, 2016). Auch eine Diskriminierung auf der Basis des Alters ist möglich, beispielsweise wenn eine Person als für eine berufliche Tätigkeit, die sie gerne ausüben würde, als „zu jung“ oder „zu alt“ gesehen wird.
Das biologische Alter, d.h. der Zustand des Körpers, wird nicht durch das Lebensalter determiniert, sondern hängt von genetischen Faktoren, dem sozio-ökonomischen Status (insbes. Bildung), Umwelt und Lebensstil (z.B. Ernährung, Suchtverhalten, Bewegung und Schlafgewohnheiten) ab. Biologische Alterungsprozesse verlaufen somit hochgradig individuell. Medizin und Molekularbiologie versuchen, das biologische Alter anhand von Biomarkern zu messen (z.B. Horvath & Raj, 2018; Jazwinski & Kim, 2019; Jylhävä et al., 2017).
Die Lebensverlaufsperspektive (z.B. Mayer, 1995; Voges, 1987) betrachtet ein Menschenleben als zeitliche Aneinanderreihung sozial-kulturell geprägter Lebensphasen mit dazugehörigen Altersnormen (z.B. (frühe) Kindheit, Jugend, Erwachsenenalter, "das“ Alter). Diese sind durch unterschiedliche institutionelle Umwelten gekennzeichnet, z.B. orientiert an der männlichen „Normalbiographie“ von Kindergarten, Schule, Erwerbsleben und Ruhestand. In der Lebensverlaufsforschung wird besonderes Augenmerk daraufgelegt, wie frühe Erfahrungen spätere Ereignisse oder Entscheidungen im Sinne von Pfadabhängigkeiten beeinflussen, wie die Übergänge von einer Phase in die nächste funktionieren, und wie sich die Entwicklung in parallel gelagerten Umwelten vollzieht (z.B. im Spannungsfeld von Berufstätigkeit und Verantwortung für die Familie).
Aus der Information zum Geburtsjahr und -monat können unter Hinzunahme weiterer Jahresangaben auch weitere altersbezogene Variablen hergeleitet werden, bspw. das Alter zum Zeitpunkt der Zuwanderung oder das Heiratsalter.
Das Geburtsjahr dient darüber hinaus der Definition von Geburtskohorten. „Eine Kohorte ist eine Teilpopulation der Bevölkerung, die durch ein gemeinsames Startereignis charakterisiert ist“ (Klein, 2016, S. 26). Geburtskohorten zeichnen sich dadurch aus, dass sie die gleichen prägenden gesamtgesellschaftlichen Ereignisse und Lebensumstände in ihrer Kindheit und Jugend erfahren haben (Ryder, 1985). Diese können vielfältige Auswirkungen auf ihr späteres Leben haben. Sollen historisch unterschiedliche Sozialisationsbedingungen analysiert werden, sind für die Forschungsfrage relevante Geburtskohorten zu definieren. Für eine Bestimmung der Geburtskohorte ist das Geburtsjahr ausreichend. Bei der Herleitung anderer Kohorten (bspw. Einschulungskohorten) hilft der Geburtsmonat bei der genaueren Identifikation der Kohorten.
3.1. Konstruktion der Standarditems
Bereits in der „ZUMA-Standarddemographie“ (Pappi, 1979, Anhang A) war ein Vorschlag zur Erfassung des Geburtsjahres enthalten. In der ersten Version der Demographischen Standards (Ehling et al., 1992) wurde der Fragetext angepasst und es wurde empfohlen, zusätzlich zum Geburtsjahr auch den Geburtsmonat zu erfassen. In den Demographischen Standards von 2010 (Hoffmeyer-Zlotnik et al., 2010) wurde der Vorschlag zur Messung von Geburtsjahr und -monat letztmalig angepasst, indem eine Erläuterung ergänzt wurde, warum die Angabe von Geburtsjahr und -monat gebraucht werden, um Bedenken von Befragten in Bezug auf ihre Anonymität zu begegnen.
3.2 Konstruktion und Selektion der Standardvariablen
Die Standardvariablen für Alter, Geburtsjahr und -monat sowie Erhebungsjahr und -monat wurden 2022/2023 im KonsortSWD-Teilprojekt TA3-M1 „Harmonized Variables – Umfragedaten leichter kombinieren durch standardisierte und harmonisierte Variablen“ entwickelt. Da die Ausprägungen dieser Variablen bereits hochgradig standardisiert sind, mussten für die Spezifikation der Standardvariablen nur Variablennamen, -labels und -formate sowie Regeln zur Herleitung des Alters festgelegt werden.
4.1 Objektivität
Im Allgemeinen führen Standarditems und Standardvariablen zu einer Erhöhung der Durchführungs- und Auswertungsobjektivität – vor allem über verschiedene Studien hinweg. So tragen Standarditems durch die Harmonisierung der Frage zu einer standardisierten Durchführung bei. Standardvariablen führen durch ihr standardisiertes Codeschema zu einer objektiven Auswertung. Zusammengefasst erhöhen die hier vorgestellten Standarditems und Standardvariablen die Unabhängigkeit in der Erfassung des Geburtsjahrs und -monats bzw. Lebensalters von den spezifischen Forschenden.
Der Geburtstag einer Person wird heute in Deutschland wie in vielen anderen Ländern in der Geburtsurkunde und in allen Ausweispapieren festgehalten. Bei den Merkmalen Geburtsjahr und -monat handelt es sich daher um objektiv messbare Merkmale, über die Befragte in Deutschland sehr gut Auskunft geben können. Trotz der Angabe durch die Befragten selbst ist von einer hohen Objektivität der Messung auszugehen, wenn nach Geburtsjahr und -monat gefragt wird. Bei der direkten Erfragung des Alters ist eher mit Effekten der sozialen Erwünschtheit zu rechnen.
4.2 Reliabilität
Da soziodemographische Merkmale typischerweise mit nur einem Item pro Merkmal gemessen werden, sind psychometrische Verfahren zur Reliabilitätsschätzung nicht anwendbar. Eine Einschätzung der Reliabilität über Test-Retest-Verfahren ist prinzipiell möglich, wird aber nur selten durchgeführt (s. bspw. Porst & Zeifang, 1987). Porst und Zeifang berichten für Alter, gemessen über die Erfassung von Geburtsjahr, -monat und -tag im ALLBUS 1984 (GESIS-Leibniz-Institut Für Sozialwissenschaften, 1996, S. 7), dass 96,8% der Befragten über Befragungswellen hinweg konsistente Antworten gaben, was für eine hochgradig zuverlässige Messung spricht (Porst & Zeifang, 1987, S. 196). Die Messung des Alters kann als eine der reliabelsten Messungen in Umfragen gelten.
4.3 Validität
Da die Standardvariablen zu Lebensalter, Geburtsjahr, Geburtsmonat, Jahr der Befragung und Monat der Befragung im Gegensatz zu einigen anderen soziodemographischen Standardvariablen eindeutig und objektiv definiert sind entfällt eine Validierung. Beim Alter ist von einer hohen Validität der Messung auszugehen.
4.4 Nebengütekriterien
Die Frage nach dem Alter aus den Demographischen Standards 2016 (Hoffmeyer-Zlotnik et al., 2016) wurde 2018/19 einem kognitiven Pretest in mehreren Befragungsmodi unterzogen (Lenzner et al., 2019). Sie war weitestgehend unproblematisch, wobei die Formatierung der Antwortmöglichkeiten dem Befragungsmodus besser angepasst werden sollten. Es wurde auch eine klarere Formulierung angeregt, um Missverständnissen v.a. bei nicht-Muttersprachler*innen zu vermeiden: „Bitten nennen Sie dazu den Monat und das Jahr, in dem Sie geboren wurden“ (statt: „Bitte nennen Sie dazu Monat und Jahr Ihrer Geburt.“). Beide Empfehlungen wurden im Standardfragenkatalog des RatSWD (2023) bereits umgesetzt.
Danksagung
Herzlichen Dank an Ivet Solanes Ros und Franziska Quoß für ihr Feedback zu den soziodemographischen Standardvariablen im Rahmen ihrer Implementierung im ALLBUS 2021.
Die Entwicklung der soziodemographischen Standardvariablen und Erarbeitung dieses ZIS-Eintrags wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), Projektnummer 442494171, finanziert.
Silke Schneider, GESIS – Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften in Mannheim, Silke.Schneider@gesis.org
Wollen Sie die Standardvariable für ihre Befragungsdaten umsetzen? Bitte informieren Sie mich und denken Sie an eine entsprechende Zitation in Ihrer Datendokumentation.