Instruktion
Das Instrument kann sowohl für die Wahrnehmung von Studienanforderungen nach der Studieneingangsphase (Version A) als auch während des weiteren Studienverlaufs (Version B) eingesetzt werden.
Version A: Schätzen Sie ein, wie leicht bzw. schwer es Ihnen im ersten Studienjahr gefallen ist, mit den folgenden Anforderungen im Studium umzugehen.
Version B: Schätzen Sie ein, wie leicht bzw. schwer es Ihnen im vergangenen Studienjahr gefallen ist, mit den folgenden Anforderungen im Studium umzugehen.
Items
Alle Items des MWS sind positiv formuliert. Sie sind zusammen mit ihren korrespondierenden Subskalen in der Tabelle 1 dargestellt. Die Reihenfolge der Items kann variiert werden, in der Validierungsstudie wurden die Items in randomisierter Form präsentiert.
Tabelle 1
Items der Skala
Nr. |
Item |
Skala |
1 |
mit dem sozialen Klima im Studiengang zurechtzukommen (z.B. Konkurrenz aushalten) |
KK |
2 |
mit dem vorhandenen Lehrangebot zurechtzukommen (z.B. ungünstige Termine, eingeschränkte Themenwahl) |
SO |
3 |
mit Prüfungsergebnissen umzugehen (z.B. schlechte Noten) |
LD |
4 |
zu erkennen, wie man sinnvoll lernt (z.B. die richtige Methode wählen) |
LA |
5 |
sich die Wissenschaftssprache anzueignen (z.B. für Klausuren und Hausarbeiten) |
WM |
6 |
einen eigenen Stundenplan zu erstellen (z.B. interessengeleitet Veranstaltungen wählen, Studienplan bei der Auswahl berücksichtigen) |
SO |
7 |
mit Leistungsdruck umzugehen (z.B. mit Prüfungsstress oder eigenen Ansprüchen zurechtkommen) |
LD |
8 |
Studieninhalte mit Berufsvorstellungen zu verbinden (z.B. Berufsperspektiven entwickeln, berufliche Relevanz der Inhalte erkennen) |
StA |
9 |
Lernaktivitäten zeitlich sinnvoll zu strukturieren (z.B. Zeitpunkt und Dauer des Lernens) |
LA |
10 |
Teamarbeit zu organisieren (z.B. Lerngruppen finden) |
KK |
11 |
passende Informations- und Beratungsangebote zu finden (z.B. Ansprechpersonen finden) |
SO |
12 |
eigene Interessen zu erkennen und die Studiengangswahl zu überprüfen (z.B. die Frage, ob der Studiengang zu einem passt) |
StA |
13 |
die Menge an Lernstoff zu bewältigen (z.B. semesterbegleitende Aufgaben oder Lektüren) |
LA |
14 |
sich auf die wissenschaftlichen Herangehensweisen einzustellen (z.B. unterschiedlicher Umgang mit Inhalten in Schule und Uni) |
WM |
15 |
mit Prüfungsbedingungen zurechtzukommen (z.B. Benotungspraxis, Prüfungsdichte) |
LD |
16 |
Bezüge zwischen Theorie und Praxis herzustellen (z.B. Anwendungsbeispiele finden) |
StA |
17 |
Kontakte zu Mitstudierenden zu knüpfen (z.B. für Lerngruppen, Freizeit) |
KK |
18 |
eigene Belastbarkeit einzuschätzen (z.B. Lernumfang, Erholungsbedarf) |
LA |
19 |
mit ungünstigen Rahmenbedingungen umzugehen (z.B. Überfüllung, Zugangsbeschränkungen, Ausstattung) |
SO |
20 |
wissenschaftliche Arbeitsweisen zu erlernen (z.B. wissenschaftliche Texte bearbeiten, eine Fragestellung entwickeln) |
WM |
21 |
im Team zusammen zu arbeiten (z.B. gemeinsam Aufgaben bearbeiten, Referate vorbereiten) |
KK |
Anmerkung. WM = Wissenschaftsmodus; StA = Studienerwartungen & Anwendungsbezug; LA = Lernaktivität; LD = Leistungsdruck & Misserfolg; SO = Studienorganisation; KK = Kontakt & Kooperation
Antwortvorgaben
Fünfstufiges Antwortformat mit den Optionen 1 = sehr schwer, 2 = eher schwer, 3 = teils-teils, 4 = eher leicht, 5 = sehr leicht. Zusätzlich wurde die Antwortmöglichkeit „trifft auf mich/meinen Studiengang nicht zu“ angeboten.
Auswertungshinweise
Es wird empfohlen, die Subskalen getrennt auszuwerten, da sie unterschiedliche Inhaltsdimensionen abbilden. Die Angaben der Items werden der jeweiligen Subskala zugeordnet und ungewichtet zu einem Mittelwert pro Subskala zusammengefasst. Alle Items sind positiv gepolt, wodurch keine Items rekodiert werden müssen. Nicht bearbeitete Items und Items, die mit „trifft auf mich/meinen Studiengang nicht zu „ beantwortet wurden, können zu fehlenden Werten kodiert und somit ausgeschlossen werden. Sollten die Voraussetzungen für eine Imputation erfüllt sein (data missing completely random), können fehlende Werte nicht bearbeiteter Items dadurch ersetzt werden (für mehr Informationen s. Lüdtke, Robitzsch, Trautwein & Köller, 2007). Allerdings wird empfohlen, bei einer Online-Befragung die Items als Pflichtfragen zu markieren, um fehlende Werte zu vermeiden, und zusätzlich die Antwortmöglichkeit „trifft auf mich/meinen Studiengang nicht zu“ in die Erhebung aufzunehmen.
Anwendungsbereich
Die Skala eignet sich für schriftliche Befragungen von Studierenden im paper-pencil- und online-Format. Sie kann sowohl in der Grundlagen- als auch in der Anwendungsforschung wie beispielsweise bei der Evaluation von Maßnahmen zur Verbesserung von Studienbedingungen und Lehrqualität eingesetzt werden, eignet sich aufgrund niedriger Reliabilitätswerte (s. 5 Gütekriterien) jedoch nicht für die Individualdiagnostik.
Angesichts relativ hoher Studienabbruchquoten und der zunehmenden Bedeutung der Studieneingangsphase für den Studienerfolg (Heublein, 2014) wächst der Bedarf für ein Analyseinstrument, das Ansatzpunkte für eine verbesserte Gestaltung von Studium und Lehre sowohl in der Studieneingangsphase als auch im weiteren Studienverlauf sichtbar macht. Hierzu wurde das Messinstrument für die Wahrnehmung von Studienanforderungen (MWS) entwickelt, das der standardisierten Erfassung fachübergreifender Anforderungen dient und damit bereits vorliegende Instrumente für fächerspezifische Anforderungen (Methodik zur Ermittlung und Validierung von Anforderungen an Studierende, MEVAS, für Wirtschaftswissenschaften: Hell, Ptok & Schuler, 2007; oder für das Lehramt: Bohndick & Buhl, 2014) ergänzt.
Den theoretischen Ausgangspunkt für das entwickelte Messinstrument bilden etablierte Modelle der Studierendenforschung, nach denen sich Studienabbruch bzw. Studienerfolg aus dem Wechselverhältnis von Individuum und Institution ergibt (Tinto, 1975; Heublein et al., 2017). In empirischen Studien werden individuelle Faktoren zur Vorhersage von Studienerfolg (Richardson, Abraham & Bond, 2012) üblicherweise getrennt von Einschätzungen der institutionellen Lernumwelt (Schaeper & Weiß, 2016) erhoben. Allerdings legt der interaktionistische Ansatz der theoretischen Modelle nahe, auch die Schnittstelle von Individuum und Institution näher zu untersuchen. Deshalb fokussiert das entwickelte Messinstrument die Wahrnehmung von Studienanforderungen, die sowohl auf den individuellen Voraussetzungen und Fähigkeiten der Studierenden als auch auf den institutionellen Studienbedingungen der jeweiligen Hochschule beruht (Bosse & Trautwein, 2014).
Die Untersuchung von Studienanforderungen knüpft an die Transitionsforschung (Ecclesone, Biesta & Hughes, 2010) sowie an den internationalen Forschungsstand zum Übergang an die Hochschule an (Coertjens, Brahm, Trautwein & Lindblom-Ylänne, 2017; Noyens, Donche, Coertjens & Van Petegem, 2017) und folgt jüngeren Arbeiten der Studierendenforschung, die die Bewältigung von Studienanforderungen als subjektorientiertes und studienverlaufsbezogenes Kriterium für Studienerfolg betrachten (Dahm & Kerst, 2016; Wolter et al., 2017). Zudem wurden in qualitativen Interviewstudien (Bosse & Trautwein, 2014; Trautwein & Bosse, 2017) bereits diejenigen Studienanforderungen identifiziert, die Studierende als kritisch für das Gelingen des ersten Studienjahrs wahrnehmen. Die ermittelten Anforderungen lassen sich thematisch gruppieren und einer inhaltlichen, personalen, sozialen und organisatorischen Anforderungsdimension zuordnen, die wie folgt definiert sind: Die inhaltlichen Anforderungen, die Studierende als kritisch wahrnehmen, beziehen sich auf die Besonderheiten der Studienfächer und Curricula und bestehen z. B. darin, sich die wissenschaftlichen Arbeitsweisen anzueignen. Die personalen Anforderungen ergeben sich dagegen aus der im Studium verlangten Selbst- und Lernorganisation, wie z. B. Lernaktivitäten zeitlich zu strukturieren. Soziale Anforderungen (z. B. im Team zusammenarbeiten) betreffen wiederum studienbezogene Kontakte und Kooperation, während organisatorische Anforderungen (z. B. Orientierung im Hochschulbetrieb) auf den formalen Studienvorgaben und Rahmenbedingungen beruhen.
Itemkonstruktion und Itemselektion
Die genannten qualitativen Untersuchungen zu Studienanforderungen (Bosse & Trautwein, 2014; Trautwein & Bosse, 2017) dienten als Vorstudien für die Itemkonstruktion. Beide Untersuchungen basieren auf insgesamt 50 halbstandardisierten Leitfadeninterviews mit Studierenden (N = 25) und Angehörigen des Lehr- und Verwaltungspersonals (N = 25). Die Stichprobe beruht auf der Strategie des Purposive Sampling (Patton, 1990), die mit der Auswahl von Interviewpersonen aus verschiedenen Studienphasen und Studiengängen aller Fakultäten einer Universität darauf ausgerichtet war, möglichst vielfältige Perspektiven auf die Herausforderungen der Studieneingangsphase zu gewinnen. Zudem richtete sich die Zahl der erhobenen Fälle nach dem Prinzip der theoretischen Sättigung (Glaser & Strauss, 1967), d. h. die Akquise von Interviewpersonen wurde abgeschlossen, nachdem in der parallelen Datenauswertung keine neuen Erkenntnisse mehr für die Forschungsfrage zu generieren waren. Die Interviewgestaltung orientierte sich an den für Anforderungsanalysen etablierten Verfahren (Hell, Ptok & Schuler, 2007) und folgte den Prinzipien der Critical Incident Technique nach Flanagan (1954). Die Interviewten wurden zunächst nach ihrem Verständnis von gelingendem Studieren gefragt und dann gebeten, Situationen in der Studieneingangsphase zu schildern, die sie selbst als kritisch erlebt haben bzw. als kritisch für Studierende einschätzen. Insgesamt wurden 32 Einzelanforderungen aus den Schilderungen kritischer Situationen herausgearbeitet und thematisch zu einer der vier Dimensionen (inhaltlich, personal, sozial und organisatorisch) zugeordnet. Um eine Generalisierbarkeit der Ergebnisse über die untersuchte Hochschule hinaus zu gewährleisten, wurden die identifizierten Anforderungen anhand von 19 weiteren Interviews mit Bachelor-Studierenden im ersten Studienjahr aus verschiedenen Studiengängen an zwei Universitäten und zwei Fachhochschulen in verschiedenen Bundesländern (Hamburg und Hessen) überprüft. Aufgrund der Replizierbarkeit der Anforderungen wurden sie als repräsentativ für die Studieneingangsphase in Bachelor-Studiengängen verschiedener Hochschultypen und Standorten angenommen.
Die Entwicklung der Items für das MWS baut auf den qualitativ identifizierten Studienanforderungen auf und folgte den Richtlinien zur Item- und Skalenentwicklung nach Bühner (2011) und nach Bortz und Döring (2002). Die Grundlage bildeten die Einzelanforderungen und deren thematische Unterscheidung in vier Dimensionen. Je nach inhaltlicher Breite der einzelnen Dimensionen wurde eine unterschiedliche Anzahl an Items entwickelt, die die Einzelanforderungen widerspiegeln: Für die inhaltliche Dimension wurden zehn Items erstellt, für die personalen Anforderungen waren es zwölf Items, die soziale Dimension umfasst neun Items und auch für die organisatorischen Anforderungen wurden neun Items entwickelt. Insgesamt wurden also 40 Items generiert, um die qualitativ identifizierten Einzelanforderungen mit der für das Messinstrument notwendigen inhaltlichen Trennschärfe abzubilden.
Nach eingehender Analyse wurde die finale Zahl auf 21 Items reduziert, die sich den in der explorativen Faktorenanalyse gefundenen sechs Skalen zuordnen lassen. Der Ausschluss bestimmter Items ist durch geringe Ladungen und/oder einer niedrigen Bedeutung für Cronbachs α der Skala begründet. Durch diese Itemselektion wurde die inhaltliche Breite einzelner Dimensionen reduziert und der jeweilige Untersuchungsfokus geschärft. Beispielsweise umfassten die personalen Anforderungen ursprünglich auch den Bereich der Lebensorganisation (z. B. persönliche und finanzielle Probleme meistern), während sich die finale Version auf die Lern- und Selbstorganisation beschränkt. Die finale Version beinhaltet die folgenden Subskalen: Die inhaltliche Dimension umfasst die beiden Faktoren Wissenschaftsmodus (3 Items, Beispiel: sich die Wissenschaftssprache anzueignen) und Studienfachinteresse & Anwendungsbezug (3 Items, Beispiel: Studieninhalte mit Berufsvorstellungen zu verbinden). Die personale Dimension untergliedert sich in die Organisation von Lernaktivitäten (4 Items, Beispiel: zu erkennen, wie man sinnvoll lernt) und den Umgang mit Leistungsdruck & Misserfolg (3 Items, Beispiel: mit Prüfungsergebnissen umzugehen). Für die organisatorische Dimension (Studienorganisation; Beispielitem: mit dem vorhandenen Lehrangebot zurechtzukommen) und die soziale Dimension (Kontakt & Kooperation; Beispielitem: im Team zusammenzuarbeiten) ergibt sich jeweils ein Faktor mit je vier Items.
Stichproben
Die verwendeten Daten wurden im Rahmen des Begleitforschungsprojekts „Studierfähigkeit – institutionelle Förderung und studienrelevante Heterogenität“ (StuFHe)[1] erhoben, das das Zusammenspiel institutioneller und individueller Bedingungsfaktoren für gelingendes Studieren untersucht. In dieser Panelstudie wurden alle Studierenden von insgesamt vier Hochschulen (zwei Universitäten und zwei Fachhochschulen[2]), die ihr Bachelorstudium zum Wintersemester 2015/2016 begonnen haben, zu drei Messzeitpunkten mit jeweils einem Jahr Abstand zu einer Onlinebefragung eingeladen. Die Daten der vorliegenden Testentwicklung wurden in der zweiten (Wintersemester 2016/2017) und dritten Befragung (Wintersemester 2017/2018) erhoben. Die zweite Befragung bildet die Grundlage der Itemselektion (Stichprobe 1) und die dritte Befragung bildet die Grundlage der Überprüfung der Faktorenstruktur (Stichprobe 2). Alle Studierende, die an beiden Befragungen teilgenommen haben, bilden die Grundlage für die Validitätsüberprüfung (Stichprobe 3). Fehlende Werte wurden zugelassen, für Stichprobe 1 liegen die fehlenden Werte der sechs Subskalen zwischen 1.5 und 2.0 Prozent, während die fehlenden Werte der Subskalen in Stichprobe 2 lediglich 0.0 bis 0.6 Prozent ausmachen.
Stichprobe 1 – Stichprobe für die Itemselektion
Für die Stichprobe 1 wurden alle Studierenden im dritten Fachsemester (N = 12628) aller Fachrichtungen der Hochschulen sechs Wochen nach Semesterbeginn zur Teilnahme an der Online-Umfrage eingeladen. Alle Teilnehmenden hatten zu beiden Erhebungen die Möglichkeit, einen von insgesamt 30 Büchergutscheinen in Wert von 30 Euro zu gewinnen. Insgesamt 1684 Studierende (Rücklaufquote: 13.3 Prozent) haben sich an der Umfrage beteiligt. Aus der weiteren Datenanalyse wurden alle Studierenden ausgeschlossen, die keine gültigen Werte für das MWS aufweisen. Nach dieser Bereinigung ergab sich ein finales N von 1260 Studierenden. Von den Teilnehmenden waren 62.2 Prozent weiblich und das durchschnittliche Alter lag bei 23.0 Jahren (SD = 5.04). Am stärksten waren die Fachgruppen Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften (34.1%), Ingenieurwissenschaften (24.1%) und Lehramt (12.5%) vertreten. Zur Prüfung der Repräsentativität wurden die herkömmlichen Merkmale aus verschiedenen Hochschulstatistiken herangezogen. Es zeigte sich, dass die vorliegende Stichprobe als repräsentativ anzunehmen ist. Leichte Verzerrungen ergeben sich für das Geschlecht und das Alter: Die Stichprobe der Studie beinhaltet etwas mehr weibliche Teilnehmende und jüngere Studierende.[3] Anhand dieser Stichprobe wurden sowohl eine exploratorische Faktorenanalyse sowie die Reduktion der Itemanzahl durchgeführt.
Stichprobe 2 – Stichprobe für die Überprüfung der Faktorenstruktur
Insgesamt wurden 13184 Studierende, die im fünften Semester ihres Bachelorstudiengangs immatrikuliert waren, im Wintersemester 2017/2018 erneut zur Teilnahme der Umfrage aufgerufen. Nach Bereinigung der Stichprobe ergab sich eine finale Stichprobe von N = 1165 Studierenden, von denen 68.1 Prozent der Befragten weiblich waren. Diese Stichprobe kann im Hinblick auf die Verteilung der Fachgruppen als repräsentativ angenommen werden (Bildungsberichterstattung, 2017; Middendorff et al., 2017; Statistisches Bundesamt, 2017). Die Studierenden waren im Durchschnitt 24.1 Jahre alt (SD = 5.05) und setzten sich aus unterschiedlichen Fachgruppen zusammen: am stärksten vertreten waren erneut die Fachgruppen Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften (32.2%), Ingenieurwissenschaften (19.4%) und Lehramt (17.8%). Die Stichprobe 2 wurde genutzt, um eine konfirmatorische Faktorenanalyse durchzuführen (s. Itemanalysen).
Stichprobe 3 - Stichprobe für die Validitätsüberprüfung
Insgesamt nahmen N = 320 sowohl an der ersten als auch an der zweiten Befragung teil. Von ihnen waren 70.0 Prozent weiblich und das durchschnittliche Alter zum ersten Messzeitpunkt lag bei 22.8 Jahren (SD = 4.8). Am stärksten vertreten waren die Fachgruppen der Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften (34.0%) und der Ingenieurwissenschaften (25.0%). Somit lässt sich festhalten, dass weibliche Teilnehmerinnen in der längsschnittlichen Stichprobe etwas stärker vertreten waren, das Alter und die Verteilung der Fachgruppen entsprechen weitestgehend der Querschnitt-Stichprobe zum ersten Messzeitpunkt.
Itemanalysen
Explorative Faktorenanalyse
Eine Hauptkomponentenanalyse der Antworten zu der 21 Item-Version des MWS führt zu einer entsprechend den theoretischen Vorannahmen erzeugte Sechs-Komponentenlösung mit Varimax-Rotation, die sich auch nach dem Eigenwerteverlauf rechtfertigen lässt (6.92, 2.00, 1.42, 1.14, 1.02, 0.87). Es kann 64% der Varianz erklärt werden. Fehlende Werte wurden fallweise aus der Analyse ausgeschlossen. Die sechs Komponenten sind die folgenden (angegeben nach absteigendem Eigenwert): Leistungsdruck & Misserfolg, Kontakt & Kooperation, Wissenschaftsmodus, Studienerwartungen & Anwendungsbezug, Lernaktivität und Studienorganisation. Der niedrige Eigenwert von Studienorganisation erklärt sich durch teilweise niedrige Faktorladungen der diesem Faktor zugordneten Items.
Konfirmatorische Faktorenanalyse
Die angenommenen sechs Dimensionen des Messinstruments wurden durch eine konfirmatorische Faktorenanalyse mit der Software Mplus 7.31 (Muthén & Muthén, 2012) überprüft. Aufgrund der Verletzung der Normalverteilungsannahme wurde das Modell mit robuster Maximum Likelihood Schätzung (MLR) geschätzt. Das Modell liefert mit Daten der Stichprobe 2 einen zufriedenstellenden Fit mit Chi2 = 634.62, df = 174, p < .001; CFI = .93; RMSEA = .05 (90%CI = .04-.05), wodurch die Struktur des MWS belegt wurde (s. Abbildung 1). Die latenten Faktoren der Subskalen korrelieren hochsignifikant miteinander (s. Tabelle 2).
Abbildung 1. Messmodell für das MWS mit standardisierten Pfadkoeffizienten, WM = Wissenschaftsmodus; StA = Studienerwartungen & Anwendungsbezug; LA = Lernaktivität; LD = Leistungsdruck & Misserfolg; SO = Studienorganisation; KK = Kontakt & Kooperation, N = 1163. Auf die Fehlerterme ε wurde aus Platzgründen verzichtet.
Tabelle 2
Korrelationen zwischen den Subskalen des MWS
|
Subskala |
1 |
2 |
3 |
4 |
5 |
6 |
1 |
Wissenschaftsmodus |
- |
.50 |
.62 |
.49 |
.43 |
.26 |
2 |
Studienerwartungen & Anwendungsbezug |
|
- |
.53 |
.43 |
.50 |
.34 |
3 |
Lernaktivität |
|
|
- |
.92 |
.64 |
.45 |
4 |
Leistungsdruck & Misserfolg |
|
|
|
- |
.65 |
.46 |
5 |
Studienorganisation |
|
|
|
|
- |
.45 |
6 |
Kontakt & Kooperation |
|
|
|
|
|
- |
Anmerkung. N = 1163; Alle latenten Faktoren korrelieren hochsignifikant (p < .001) miteinander.
Itemkennwerte
In Tabelle 3 sind die Itemkennwerte des MWS abgebildet. Die deskriptive Analyse zeigt, dass in beiden Stichproben im Mittel eher die Tendenz zur leichteren Wahrnehmung der Studienanforderungen vorherrscht. Die Standardabweichungen deuten zugleich auf eine hinreichende Streuung hin. Außerdem ist die Trennschärfe als gut einzustufen.
Tabelle 3
Mittelwerte, Standardabweichungen und Trennschärfen der manifesten Items
|
Mittelwert |
Standardabweichung |
Trennschärfe |
|||
|
SP1 |
SP2 |
SP1 |
SP2 |
SP1 |
SP2 |
Item 1 |
3.98 |
3.97 |
0.97 |
0.98 |
.49 |
.48 |
Item 2 |
3.32 |
3.16 |
0.94 |
1.05 |
.48 |
.55 |
Item 3 |
3.43 |
3.46 |
1.02 |
1.03 |
.51 |
.46 |
Item 4 |
3.34 |
3.43 |
1.02 |
0.99 |
.60 |
.58 |
Item 5 |
3.51 |
3.52 |
1.03 |
1.05 |
.62 |
.66 |
Item 6 |
3.80 |
3.74 |
1.05 |
1.14 |
.44 |
.44 |
Item 7 |
3.02 |
3.01 |
1.07 |
1.05 |
.60 |
.56 |
Item 8 |
3.23 |
3.18 |
1.08 |
1.12 |
.53 |
.55 |
Item 9 |
3.04 |
3.18 |
1.05 |
1.08 |
.60 |
.59 |
Item 10 |
3.49 |
3.57 |
1.11 |
1.11 |
.61 |
.64 |
Item 11 |
3.18 |
3.26 |
1.04 |
1.05 |
.39 |
.37 |
Item 12 |
3.85 |
3.82 |
1.01 |
1.02 |
.45 |
.44 |
Item 13 |
3.01 |
3.01 |
0.96 |
1.00 |
.56 |
.58 |
Item 14 |
3.61 |
3.65 |
0.93 |
0.94 |
.63 |
.65 |
Item 15 |
3.31 |
3.25 |
1.04 |
1.01 |
.54 |
.54 |
Item 16 |
3.39 |
3.41 |
0.96 |
1.02 |
.55 |
.56 |
Item 17 |
3.73 |
3.65 |
1.10 |
1.14 |
.68 |
.59 |
Item 18 |
3.26 |
3.24 |
1.01 |
1.01 |
.47 |
.53 |
Item 19 |
3.21 |
3.23 |
0.98 |
0.98 |
.48 |
.44 |
Item 20 |
3.34 |
3.33 |
0.97 |
0.99 |
.67 |
.71 |
Item 21 |
3.87 |
3.74 |
0.94 |
1.02 |
.59 |
.66 |
Anmerkung. Skala von 1 (sehr schwer) bis 5 = sehr leicht, Stichprobe 1 (SP1): N = 791-1161; Stichprobe 2 (SP2): N = 830-1120. Stichprobengröße variiert aufgrund des fallweisen Ausschluss.
[1] Das Projekt wird aus den Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung unter dem Förderkennzeichen 01PB14005 gefördert. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei den Autorinnen.
[2] Zu den Partnerhochschulen zählen die Universität Kassel, die Technische Hochschule Mittelhessen, die Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg und die Universität Hamburg.
[3] Zur Überprüfung der Repräsentativität wurden die Hochschulstatistiken der 21. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks (Middendorff et al., 2017), des Bildungsbericht 2016 der Autorengruppe (Bildungsberichterstattung, 2017) sowie die des Statistischen Bundesamts (Statistisches Bundesamt, 2017) genutzt.
Das MWS zeigt aufgrund des standardisierten Vorgehens mit randomisierter Itemreihenfolge eine hohe Durchführungsobjektivität auf. Durch die einfache Mittelwertbildung der sechs Subskalen kann ebenfalls Auswertungs- und Interpretationsobjektivität angenommen werden.
Reliabilität
Die interne Konsistenz der einzelnen Skalen liegt zwischen α = .69 und α = .80 in Stichprobe 1 beziehungsweise zwischen α = .67 und α = .82 in Stichprobe 2. Da die Modelle, die den Subskalen zu Grunde liegen, unterschiedliche Faktorladungen aufweisen und folglich tau-kongenerisch sind, kann Cronbachs α keine zuverlässige Schätzung der Reliabilität liefern (Cortina, 1993). Daher wird zusätzlich zu Cronbachs α Raykovs ρ herangezogen (Raykov, 1997). Die Ergebnisse der Schätzung sind in Tabelle 4 dargestellt.
Tabelle 4
Cronbachs α und Raykovs ρ für die Subskalen des MWS
Subskala |
N |
Items |
Cronbachs α |
Raykovs ρ |
|||
|
SP1 |
SP2 |
|
SP1 |
SP2 |
SP1 |
SP2 |
Wissenschaftsmodus |
1095 |
1079 |
3 |
.80 |
.82 |
.79 |
.82 |
Studienerwartungen & Anwendungsbezug |
1092 |
1080 |
3 |
.69 |
.70 |
.70 |
.71 |
Lernaktivität |
1161 |
1120 |
4 |
.76 |
.77 |
.76 |
.77 |
Leistungsdruck & Misserfolg |
1103 |
1100 |
3 |
.73 |
.70 |
.73 |
.71 |
Studienorganisation |
791 |
830 |
4 |
.66 |
.67 |
.66 |
.66 |
Kontakt & Kooperation |
1027 |
998 |
4 |
.78 |
.78 |
.79 |
.79 |
Anmerkung. SP1 = Stichprobe 1: N = 791-1161; SP2 = Stichprobe 2: N = 830-1120. Die Stichprobengrößen variieren aufgrund des fallweisen Ausschluss.
Validität
Inhaltliche und faktorielle Validität
Aufgrund der Fundierung der Items auf den Ergebnissen der qualitativen Vorstudie (Bosse & Trautwein, 2014; Trautwein & Bosse, 2017) kann auf inhaltliche Validität geschlossen werden. Nach Durchführung einer explorativen Faktorenanalyse wurden unter Berücksichtigung der vier Dimensionen – inhaltlich, personal, sozial und organisatorisch – die sechs Faktoren (Wissenschaftsmodus, Studienerwartungen & Anwendungsbezug, Lernaktivität, Leistungsdruck & Misserfolg, Studienorganisation und Kontakt & Kooperation) ermittelt, die die Annahme von inhaltlicher Validität unterstützen. Zu der inhaltlichen Dimension werden die Faktoren Wissenschaftsmodus und Studienerwartungen & Anwendungsbezug gezählt, während Lernaktivität und Leistungsdruck & Misserfolg die personale Dimension abbilden. Die soziale Dimension wird durch den Faktor Kontakt & Kooperation erfasst und der Faktor Studienorganisation wird bei der organisationalen Dimension eingeordnet. Diese faktorielle Struktur konnte an der Stichprobe 2 repliziert werden.
Prädiktive Kriteriumsvalidität
Für die Ermittlung der prädiktiven Kriteriumsvalidität wurde eine längsschnittliche Analyse mit den Daten von Stichprobe 3 durchgeführt. Die Wahrnehmung von Studienanforderungen wurde beim ersten Messzeitpunkt erfasst. Zum zweiten Messzeitpunkt wurde dann der Studienerfolg mit der Single‐Item‐Skala (Becker, 2000a, 2000b) erhoben: Die Studierenden wurden gebeten, ihre subjektive Studienleistung im fünften Semester auf einer siebenstufigen Skala von 1 (sehr schlecht) bis 7 (sehr gut) einzustufen. Als weiterer Indikator für den Studienerfolg wurde darüber hinaus die aktuelle Studienzufriedenheit (Westermann, Elke, Spies & Trautwein, 1996) mit drei Items auf einer Skala von 1 (trifft überhaupt nicht zu) bis 4 (trifft völlig zu) gemessen (Cronbachs α = .82).
In einem ersten Schritt wurden Bravais-Pearson-Korrelationen berechnet. Es zeigt sich, dass alle Subskalen des MWS signifikant sowohl mit der Studienleistung als auch mit der Studienzufriedenheit zusammenhängen (s. Tabelle 5). Am stärksten ist der Zusammenhang zwischen Studienleistung und Lernaktivität (β = .44, p < .001) sowie zwischen Studienzufriedenheit und Studienerwartungen & Anwendungsbezug (β = .37, p < .001). Insgesamt zeigen die Ergebnisse, dass als leicht wahrgenommene Studienanforderungen mit hoher subjektiver Studienleistung und hoher Studienzufriedenheit im fünften Fachsemester einhergehen.
Tabelle 5
Korrelationen zwischen den Subskalen des MWS und der Studienleistung und -zufriedenheit
Subskala |
Studienleistung |
Studienzufriedenheit |
Wissenschaftsmodus |
.22*** |
.23*** |
Studienerwartungen & Anwendungsbezug |
.23*** |
.37*** |
Lernaktivität |
.44*** |
.32*** |
Leistungsdruck & Misserfolg |
.36*** |
.20*** |
Studienorganisation |
.26*** |
.29*** |
Kontakt & Kooperation |
.16** |
.20*** |
Anmerkung. N = 320; *p < .05. **p < .01. ***p < .001.
In einem zweiten Schritt wurden Regressionsanalysen durchgeführt, um die Stärke des Zusammenhangs von den Studienanforderungen auf den Studienerfolg zu bestimmen. Es wurde angenommen, dass für beide Indikatoren des Studienerfolgs unterschiedliche Prädiktoren identifiziert werden können. Die Ergebnisse der multiplen Regressionen bestätigen diese Annahme:
Für die Studienleistung zeigte sich (s. Tabelle 6), dass sowohl Lernaktivität als auch Leistungsdruck & Misserfolg signifikante Prädiktoren für die Studienleistung im fünften Semester sind. Insgesamt wird darin 19 Prozent der Varianz durch die unabhängigen Variablen erklärt. Für die Studienzufriedenheit erweisen sich Studienerwartungen & Anwendungsbezug, Lernaktivität und Studienorganisation als signifikante Prädiktoren. Es können in der Varianz der Studienzufriedenheit insgesamt 17 Prozent erklärt werden.
Tabelle 6
Ergebnisse der multiplen Regressionen
|
Studienleistung |
Studienzufriedenheit |
||||
|
B |
SE B |
β |
B |
SE B |
β |
(Konstante) |
2.62 |
0.41 |
|
1.71 |
0.21 |
|
Wissenschaftsmodus |
0.02 |
0.08 |
0.01 |
0.03 |
0.04 |
0.05 |
Studienerwartungen & Anwendungsbezug |
0.00 |
0.09 |
0.00 |
0.19 |
0.05 |
0.26*** |
Lernaktivität |
0.54 |
0.11 |
0.35*** |
0.12 |
0.06 |
0.15* |
Leistungsdruck & Misserfolg |
0.20 |
0.09 |
0.15* |
0.07 |
0.05 |
0.10 |
Studienorganisation |
0.01 |
0.11 |
0.01 |
0.12 |
0.06 |
0.14* |
Kontakt & Kooperation |
0.02 |
0.08 |
0.01 |
0.04 |
0.04 |
0.05 |
R² |
|
.19 |
|
|
.17 |
|
Anmerkung. N = 320; B = Unstandardisierter Koeffizient, SE B = Standardfehler von B, β = standardisierter Koeffizient. *p < .05. **p < .01. ***p < .001.
Deskriptive Statistiken
Fast alle Skalen weisen eine negative Schiefe auf, d.h. es handelt sich um eine linksschiefe Datenverteilung mit vielen größeren Mittelwerten. Lediglich die Schiefe von Lernaktivität befindet sich beim Nullpunkt, weshalb für diese Subskala keine Schiefe angenommen werden muss (s. Tabelle 7).
Der Exzess ist für Wissenschaftsmodus, Studienerwartungen & Anwendungsbezug, Lernaktivität und Leistungsdruck & Misserfolg negativ, was auf eine eher flache Verteilung hindeutet. Dahingegen haben Studienorganisation und Kontakt & Kooperation positive Werte für den Exzess, wodurch eine spitze Verteilung angenommen wird.
Tabelle 7
Mittelwert, Standardabweichung, Schiefe und Exzess der manifesten Items
|
M |
SD |
Schiefe |
Exzess |
||||
|
SP1 |
SP2 |
SP1 |
SP2 |
SP1 |
SP2 |
SP1 |
SP2 |
Wissenschaftsmodus |
3.49 |
3.51 |
0.83 |
0.85 |
.28 |
.28 |
.21 |
.21 |
Studienerwartungen & Anwendungsbezug |
3.50 |
3.47 |
0.82 |
0.85 |
.27 |
.18 |
.21 |
.32 |
Lernaktivität |
3.16 |
3.23 |
0.77 |
0.79 |
.00 |
.09 |
.19 |
.31 |
Leistungsdruck & Misserfolg |
3.28 |
3.25 |
0.84 |
0.83 |
.21 |
.29 |
.20 |
.13 |
Studienorganisation |
3.43 |
3.41 |
0.73 |
0.75 |
.29 |
.30 |
.22 |
.04 |
Kontakt & Kooperation |
3.75 |
3.73 |
0.83 |
0.83 |
.68 |
.69 |
.33 |
.32 |
Anmerkung. SP1 = Stichprobe 1: N = 1216-1223; SP2 = Stichprobe 2: N = 1156-1163. Aufgrund fehlender Werte variieren die Stichprobengrößen.
Nebengütekriterien
Mit einer Ausfülldauer von fünf bis acht Minuten sowie der kurzen Auswertungsdauer von 1 Minute ist das MWS ein ökonomisches Instrument, das in unterschiedlichen Studiengängen und Studienphasen eingesetzt werden kann.