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Prokrastinationsfragebogen für Studierende (PFS)

  • Autor/in: Glöckner-Rist, A., Engberding, M., Höcker, A., & Rist, F.
  • In ZIS seit: 2009
  • DOI: https://doi.org/10.6102/zis140
  • Zusammenfassung: Als Prokrastination bezeichnen wir Aufschieben dann, wenn persönlich wichtige zugunsten weniger wichtiger Tätigkeiten aufgeschoben werden und die tatsächlich durchgeführten ... mehr Handlungen nicht den eigenen Absichten zur Erreichung des wichtigeren Zieles entsprechen. Die Items des hier dokumentierten "Prokrastinationsfragebogen für Studierende" (PFS) sollen Prokrastination im universitären Lernen als situationsübergreifende weitgehend stabile Verhaltensdisposition erfassen, d.h. als Neigung, studienbezogene Aufgaben wie Hausarbeiten, Referate o.ä. später als geplant zu beginnen oder nicht zügig zu Ende zu führen. weniger
    Abstract: We call procrastination a postponement when personally important activities are postponed in favour of less important ones and the actions actually performed do not correspond to one's own intentio ... mehrns to achieve the more important goal. The items of the "Procrastination Questionnaire for Students" (PFS) documented here are intended to record procrastination in university learning as a largely stable behavioural disposition across situations, i.e. as a tendency to start study-related tasks such as homework, lectures, etc. later than planned or not to complete them quickly. weniger
  • Sprache Dokumentation: deutsch
  • Sprache Items: deutsch
  • Anzahl der Items: 7
  • Reliabilität: keine Angaben
  • Validität: Hinweise auf faktorielle, konvergente und Kriteriumsvalidität
  • Konstrukt: Prokrastination
  • Schlagwörter: Studenten, Lernen | students, learning
  • Item(s) in Bevölkerungsumfrage eingesetzt: nein
  • Entwicklungsstand: validiert
    • Instruktion

      Hier geht es vor allem um Schwierigkeiten beim Erledigen studienbezogener Tätigkeiten. Geben Sie bitte an, wie häufig die genannten Verhaltensweisen bei Ihnen vorkommen. Beziehen Sie Ihre Aussage dabei bitte auf die letzten 2 Wochen, in denen Sie etwas für Ihr Studium tun sollten (z.B. Lernen für eine Prüfung, Hausarbeiten, usw.).

       

      Items

      Nr.

      Beibehaltene Items

      Items, die auch für den PFS-4 beibehalten wurden

      1 (1)

      Ich schiebe den Beginn von Aufgaben bis zum letzten Moment hinaus.

      X

      2 (2)

      Ich schiebe die Erledigung bestimmter Tätigkeiten vor mir her.

       

      3 (3)

      Auch wenn ich mir vornehme mit einer Arbeit anzufangen, gelingt es mir nicht.

       

      4 (5)

      Ich warte mit dem Beginn einer Arbeit so lange, dass es mir schwer fällt, sie noch rechtzeitig zu beenden.

      X

      5 (9)

      Beim Bearbeiten einer Aufgabe merke ich, dass ich sie schon viel früher hätte erledigen können.

      X

      6 (10)

      Ich fange mit einer Aufgabe erst an, wenn ich unter Druck gerate.

      X

      7 (12)

      Ich schaffe es erst auf den letzten Drücker meine Aufgaben zu erledigen.

       

      Anmerkung: Die Nummern in Klammern entsprechen der Position der Items in der ursprünglichen 12 PFS Item Version*

       

      Antwortvorgaben

      Antwortvorgaben: 5-stufiges Antwortformat mit den Benennungen (Fast) nie, Selten, Manchmal, Häufig und (Fast) immer.

       

      Auswertungshinweise

      Da es sich um ein neues Instrument handelt, muss in weiteren Studien die faktorielle Struktur der Items auf jeden Fall erneut geprüft werden, bevor z.B. Summenwerte für die beiden Subskalen gebildet werden. Für erneute Prüfungen der Dimensionalität und von Itemkennwerten, ebenso für eine Prüfung theoriebezogener Untersuchungsfragen mit den hier dokumentierten Items, wird die Verwendung nichtlinearer Mess- und Strukturmodelle empfohlen.

       

    Aufschieben nennen wir die Verlagerung einer Entscheidung oder einer Aktivität von einem früheren auf einen späteren Zeitpunkt. Bei der freien Gestaltung von Arbeitsabläufen sind immer wieder Entscheidungen zwischen verschiedenen möglichen Aktivitäten nötig, bei denen eine Aktivität zugunsten einer anderen aufgeschoben wird. Das Aufschieben von Tätigkeiten ist deshalb häufig, alltäglich und nicht primär dysfunktional, sondern entspricht einer flexiblen Handlungskontrolle. Das englische "to procrastinate" geht auf das lateinische Verb procrastinare zurück, das ohne negative Konnotation als "aufschieben", "vertagen" (pro crastinus, auf morgen) zu übersetzen ist. Ursprünglich wurde damit also eine eher positiv bewertete Verhaltensweise bezeichnet, nämlich das Aufschieben von schwerwiegenden Entscheidungen bis zu einem für den Erfolg einer Handlung günstigeren Zeitpunkt. Im englischen Sprachgebrauch der Neuzeit überwiegt jedoch die negative Konnotation im Sinne von zögern, zaudern, eine Sache nicht in Angriff nehmen, obwohl das möglich wäre, gegenüber der ursprünglichen Interpretation von Aufschieben als gegensätzlich zu ungestümem und unüberlegtem Handeln. Als Prokrastination bezeichnen wir Aufschieben dann, wenn persönlich wichtige zugunsten weniger wichtiger Tätigkeiten aufgeschoben werden und die tatsächlich durchgeführten Handlungen nicht den eigenen Absichten zur Erreichung des wichtigeren Zieles entsprechen. In einigen Definitionsversuchen wird betont, dass die aufgeschobenen Tätigkeiten von den Betroffenen als aversiv empfunden werden, und dass die vorgezogenen Tätigkeiten dadurch charakterisiert sind, dass sie kurzfristig anfallen und schnell zu erledigen sind (vgl. Rist et al., 2006).

    Bei chronischer Prokrastination werden Tätigkeiten zur Erreichung persönlich wichtiger Ziele so oft oder bei so vielen Zielen aufgeschoben, dass der Lebensvollzug beeinträchtigt ist und aus dem Aufschieben persönliche Nachteile von erheblichem Ausmaß resultieren. Diese Nachteile umfassen sowohl objektive Leistungseinbußen (z.B. schlechte Noten, verlängerte Ausbildungszeiten, nicht erreichte Ausbildungsabschlüsse), Belastungen zwischenmenschlicher Beziehungen (Ärger und Enttäuschung Anderer über nicht eingehaltene Leistungsversprechen) und Beeinträchtigungen des eigenen Wohlbefindens (z.B. Stressgefühl, Schlafstörungen, Depressivität bis zur manifesten Depression). In Bevölkerungsstichproben aus den USA, Australien und England mit normierten Fragebogen zur Prokrastination stellten sich ca. 20 % der Befragten in diesen Ländern als chronische Prokrastinierer dar (Ferrari, O´Callaghan, Newbegin, 2005).

    In zahlreichen Querschnittsuntersuchungen wurde der Zusammenhang der Prokrastinationstendenz als Persönlichkeitsdimension mit anderen Persönlichkeitsmerkmalen geprüft (vgl. Steel, 2008). Starke Zusammenhänge bestehen mit Gewissenhaftigkeit, Angst vor negativer Bewertung und "self-handicapping". Die meisten Untersuchungen zur Prokrastination stammen aus dem englischsprachigen Raum, und von diesen befassen sich 90% mit "akademischer Prokrastination", d.h. Prokrastination bei Studierenden. Aus Deutschland gibt es nur vereinzelte Beiträge zur Forschung in diesem Gebiet (vgl. Rist et al., 2006).

    Zur Erfassung der Prokrastinationstendenz wurden unterschiedliche, zumeist aber auf den akademischen Kontext zugeschnittene Erhebungsinstrumente entwickelt (vgl. Steel, 2006). Bekannt ist die Aitken Procrastination Scale (APS; Aitken, 1982). Sie soll drei als zusammengehörig betrachtete Dimensionen des Aufschiebens, des Planens (mangelnde Vorausschau) und der Unpünktlichkeit erfassen. Eine deutsche Fassung dieses Instruments erstellten und prüften erstmals Helmke und Schrader (2000). Die Dimensionalität und weitere psychometrische Merkmale der APS wurden mit den Daten einer studentischen Stichprobe der Universität Münster weiterführend geprüft. Dabei stellte sich jedoch heraus, dass auch einige Items des Hauptfaktors Zentrale Prokrastination psychometrisch unbefriedigend sind: Substantielle Residuenkorrelationen und Nebenladungen legen nahe, dass die Beantwortung dieser Items offensichtlich noch durch zusätzliche und spezifisch durch diese angesprochene Aspekte mit beeinflusst werden, d.h. sie sind offensichtlich mehr- statt eindimensional. Drei Residuenkorrelationen (Abbildung 1) für Items der Dimension Zentrale Prokrastination, an denen jeweils die Items 5, 7, und 9 beteiligt sind, thematisieren alle die Wichtigkeit zu erledigender Tätigkeiten. Sie könnten somit eine weitere Subfacette des Faktors Zentrale Prokrastination "Wichtigkeit von Tätigkeiten" indizieren. Tatsächlich passt ein vierdimensionales Modell nach einer Reanalyse der Daten von Patzelt und Opitz und den Daten der beiden hier berücksichtigten Stichproben etwas besser als das von Patzelt und Opitz vorgestellte dreidimensionale Modell. Es hat zudem den Vorteil, keine Nebenladungen für die drei Items 6, 10 und 11 nahezulegen. Item 14 ordnet sich in der vierdimensionalen Lösung jedoch dem ersten Faktor zu. Den hier vorgestellten Prüfungen der Kriteriumsvalidität des dreidimensionalen Modells analoge Prüfungen des vierdimensionalen Modells führten jedoch weder zu anderen noch informationsreicheren Ergebnissen. Deshalb wird hier der Einfachheit halber nur die dreidimensionale Lösung betrachtet.

     

    Abbildung 1. Messmodell des APS nach Pakelt und Opitz

     

    Deshalb wurde der PFS mit der Absicht konstruiert, ein möglichst homogenes Maß zur Erfassung der Aufschiebetendenz Studierender zu erhalten, ohne diese z.B. mit Konsequenzen des Prokrastinierens für Stimmung und Leistung, oder mit Beurteilungen der Aversivität der aufgeschobenen und der Attraktivität der vorgezogenen Aktivitäten zu konfundieren. Auch der PFS soll dabei Prokrastination im universitären Lernen als situationsübergreifende weitgehend stabile Verhaltensdisposition erfassen, d.h. die Neigung von Studierenden, studienbezogene Aufgaben wie Hausarbeiten, Referate o.ä. später als geplant zu beginnen, und die dafür gesetzten Fristen nicht einzuhalten. Anders als die meisten existierenden Verfahren sollen also keine Items aufgenommen werden, die inhaltlich verwandte, aber auch unabhängig von Prokrastination auftretende Phänomene wie Unpünktlichkeit, mangelnde Vorausschau oder Aversivität indizieren.

    Der PFS wurde in einem Forschungs- und Behandlungsprojekt zu Prokrastination am Psychologischen Institut der Westfälischen Wilhelms-Universität entwickelt. Die hier analysierten Daten aus zwei studentischen Stichproben der Universität Münster wurden im Rahmen von zwei Diplomarbeiten erhoben (Deters, 2004; Frings, 2008). Psychometrische Eigenschaften des PFS wurden bisher jedoch nur mit konventionellen linearen Methoden untersucht, d.h. seine Dimensionalität wurde nur mit Hauptkomponenten- statt Faktorenanalysen geprüft und die Konstruktvalidität nur korrelationsstatistisch unter Verwendung der Skalenwerte der dafür herangezogenen weiteren Konstrukte bzw. Konstruktdimensionen. Wie auch sonst bei sozialwissenschaftlichen Erhebungsinstrumenten ist jedoch zu bezweifeln, dass die Kategorien der Antwortskala des PFS als äquidistant wahrgenommen werden. Zudem ist insbesondere für eine nicht nach Prokrastination selektierte Stichprobe zu erwarten, dass zumindest die Antworten für einen Teil der Items nicht normal, sondern schief verteilt sind. Deshalb erfolgt hier eine Reanalyse der psychometrischen Eigenschaften des PFS mit nichtlinearen konfirmatorischen Faktorenanalysen (CFA) und Strukturmodellen. Diese Verfahren berücksichtigen anders als konventionelle lineare Methoden mögliche nicht kontinuierliche Verteilungen von Antworten sowie nicht lineare Assoziationen zwischen diesen und ihren zugrundeliegenden Konstrukten. Zudem kann mit diesen Verfahren eine auf Messmodellen statt Summenwerten basierende Untersuchung der Konstruktvalidität erfolgen - mit den bekannten Vorteilen einer Attenuationskorrektur der Antwortreliabilitäten und der eventuell erforderlichen Spezifizierung korrelierter Antwortresiduen.

    Ein zweites Ziel war eine eventuelle Reduzierung der Itemzahl des PFS, sowohl um zu hohe semantische Redundanzen der Items zu verringern als auch um die Anwendung des Instruments zu vereinfachen.

     

    Itemkonstruktion und Itemselektion

    Die Items des hier dokumentierten "Prokrastinationsfragebogen für Studierende" (PFS) sollen Prokrastination im universitären Lernen als situationsübergreifende weitgehend stabile Verhaltensdisposition erfassen, d.h. als Neigung, studienbezogene Aufgaben wie Hausarbeiten, Referate o.ä. später als geplant zu beginnen oder nicht zügig zu Ende zu führen. Im Unterschied zu den meisten existierenden Verfahren sollen die Items also keine inhaltlich verwandten, aber auch unabhängig von Prokrastination auftretenden Phänomene wie Unpünktlichkeit, mangelnde Vorausschau oder Aversivität von Tätigkeiten indizieren. Zu diesem Zweck konstruierte die Münsteraner Prokrastinationsarbeitsgruppe 12 Items, zum Teil auch in Anlehnung an bereits existierende und in das Deutsche übertragene Verfahren wie die Aitken Prokrastination Scale (APS; Helmke & Schrader, 2000) und das Academic Procrastination State Inventory (APSI; Helmke & Schrader, 2000).

    Auf der Basis der hier berichteten Analysen wurden die sieben trennschärfsten und validesten Items in die Endform übernommen (PFS-7). Eine Kurzform mit nur vier dieser Items (PFS-4) wurde zusätzlich für einen möglichst ökonomischen Einsatz z.B. in Mehrthemenbefragungen oder als Screeninginstrument zusammengestellt und psychometrisch geprüft.

     

    Stichproben

    Die Daten für die hier berichteten Analysen stammen aus zwei Studierendenstichproben der Universität Münster, die beide an einer Onlinebefragung zu Prokrastination teilnahmen.

    An einer ersten Onlinebefragung (Studierendenstichprobe S1; Deters, 2006) beteiligten sich insgesamt 851 Studierende aus zehn Studienfächern, d.h. ca. 2.2% der im Sommersemester 2005 an der Universität Münster eingeschriebenen Studierenden. Da die "Verschulung" bzw. Strukturiertheit von Studienfächern auch nach Untersuchungen des Münsteraner Prokrastinationsprojekts die Prokrastinationstendenzen ihrer Studierenden bedeutsam mit beeinflusst (Patzelt & Opitz, 2005 a, b), wurden die zehn Studienfächer (Tabelle 1) so ausgewählt, dass sie bzgl. dieses Merkmals möglichst heterogen waren. Von den per Email kontaktierten 8102 Studierenden dieser Studienfächer (ca. 21% der im Sommersemester 2005 eingeschriebenen Studierenden der Universität Münster) beteiligten sich 851 an der Studie.


     

    Tabelle 1

    Prozentsatz der Teilnehmer aus verschiedenen Studienstichprobe in der gesamten Stichproben (GS; N = 834) und in der hier analysierten Teilstichprobe (S1; N = 457)

    Studienfach

    GS

    S1

    Deutsche Philologie

    9.9

    9.1

    Kommunikationswissenschaft

    14.0

    12.8

    Lehramt Deutsch

    13.7

    13.9

    Medizin

    17.7

    18.5

    Pharmazie

    5.4

    7.0

    Physik

    8.0

    6.5

    Politikwissenschaft

    12.1

    11.3

    Psychologie

    10.9

    12.0

    Soziologie

    3.5

    3.9

    Zahnmedizin

    3.2

    3.3

    Keine Angabe

    1.6

    1.7

     

    Die Untersuchung erfolgte in zwei Schritten (s.u.). An beiden Befragungsteilen nahmen 473 (56%) der 851 Studierenden teil. Nur die Daten von 457 von diesen wurden jedoch in die hier berichteten Analysen einbezogen (ca. 2.1% der im Sommersemester 2005 in Münster eingeschriebenen Studierenden), da nur diese den PFS und alle zur Validierung herangezogenen Itembatterien hinreichend vollständig beantwortet (mindestens 50% gültige Antworten) und alle demografischen Angaben gemacht haben. 299 (65.2%) von ihnen waren weiblich. Der Anteil weiblicher Studierender in dieser Stichprobe liegt damit über ihrem Anteil an allen Münsteraner Studierenden. Das Alter der Probanden variierte zwischen 20 und 47 Jahren (M = 24.6; SD = 3.35).

    An der zweiten Onlinebefragung (Studierendenstichprobe S2; Frings, 2008) beteiligten sich insgesamt 1264 Studierende unterschiedlicher Studiengänge. Zwar konnten diesmal nur vollständig ausgefüllte Fragebogen abgeschickt werden. Die Daten von 36 Probanden wurden jedoch aufgrund inkonsistenter oder widersprüchlicher Antworten nicht berücksichtigt (vgl. dazu Frings, 2008). Die verbleibenden 1228 Teilnehmer der Stichprobe entsprechen ca. 3% der im Wintersemester 2006/2007 an der Universität Münster immatrikulierten Studierenden.

    717 (58.4%) von ihnen waren weiblich. Der etwas höhere Anteil weiblicher Studierender ist anders als der deutlich höhere in der S1 repräsentativ für ihren Anteil an allen Münsteraner Studierenden. Das Alter der Befragten variierte zwischen 19 und 61 Jahren (M = 23.9; SD = 3.13).

     

    Durchführung der Studien

    Studierendenstichprobe 1 (S1): Diese Onlinebefragung erfolgte in zwei Schritten, um zu vermeiden, dass eine relativ lange Bearbeitungszeit von der Teilnahme abhalten oder zu deren Abbruch führen würde. In einem kurzen ersten Screeningteil des Fragebogens wurden nur die 13 Items der Aitken Procrastination Scale (APS) vorgegeben, die Zentrale Prokrastination erfassen sollen sowie einige Fragen zu personen- und studienbezogenen Merkmalen. Am Ende dieses Teils wurden die Befragten zum Ausfüllen eines zweiten Teils gebeten, entweder sofort oder später. Dieser umfasste neben den restlichen Items der APS vier weitere Itembatterien, darunter den hier untersuchten PFS und eine Itembatterie zu Gründen für das Aufschieben von Prüfungslernen (GAP) ebenfalls als weiteres und neues Maß für Prokrastination. Um Reihenfolgeeffekte zu minimieren, wurden diese Itembatterien in zufälliger Abfolge vorgegeben.

    Um möglichst viele Studierende unterschiedlicher Fachbereiche für die Teilnahme zu gewinnen und dadurch Rückschlüsse auf die Gesamtheit aller Studierender der Uni Münster zu ermöglichen, wurden alle Studierenden der zehn oben erwähnten Studienfächer per Email über das Anliegen der Studie informiert und um eine Teilnahme an der Befragung unter Angabe einer entsprechenden Internetverbindung gebeten.

    Der Fragebogen konnte von Juli bis August 2005 bearbeitet werden. Anonymität der Befragung wurde zugesichert. Mit einer ersten Email konnten 560 Studierende zur Teilnahme gewonnen werden. Der größte Teil von ihnen beantwortete den Fragebogen noch am selben Tag. Nach zwei Wochen wurden nur noch vereinzelt Fragebogen zurückgesandt. Auf eine zweite Email hin, in der den bisherigen Teilnehmern gedankt und erneut auf die Untersuchung hingewiesen wurde, beantworteten 291 weitere Studierende den Fragebogen. Insgesamt nahmen also 851 Studierende an der Untersuchung teil. Die Rücklaufquote lag somit bei 10.5 %. Nur 457 (56%) von diesen bearbeiteten jedoch auch den zweiten Teil hinreichend vollständig. Nur ihre Daten werden deshalb hier berücksichtigt.

    Studierendenstichprobe 2 (S2): Der Onlinefragebogen für diese Stichprobe konnte in ca. 12 Minuten beantwortet werden. Neben dem PFS enthielt er u.a. auch noch eine Itembatterie zu Gründen für das Aufschieben von Prüfungslernen (GAP).

    Die Probanden dieser zweiten Onlinebefragung wurden im Wintersemester 2006/2007 auf zwei unterschiedliche Weisen rekrutiert. Zunächst wurden an den am häufigsten aufgesuchten Mensen Münsters 1000 Flyer verteilt. Außerdem wurden in verschiedenen Universitätsgebäuden Handzettel ausgeteilt und Plakate aufgehängt. So konnten 305 Personen zum Aufruf der Internetseite mit dem von Unipark erstellten Onlinefragebogen bewogen werden. 222 von ihnen füllten diesen komplett aus. Die Abbruchquote betrug somit ca. 27%. 1302 weitere Teilnehmer wurden über eine Email gewonnen, welche vom Zentrum für Informationsverarbeitung an 4500 zufällig ausgewählte Studierende der Universität Münster verschickt wurde. 1042 von diesen füllten den Onlinefragebogen vollständig aus, d.h. die Abbruchquote betrug ca. 20%. Somit liegen aus dieser Untersuchung vollständige Daten von 1264 Studierenden vor. Wegen inkonsistenter oder widersprüchlicher Antworten wurden jedoch die von 36 ausgeschlossen (vgl. dazu Frings, 2008), so dass hier noch die von 1228 analysiert werden.

     

    Variablen und Auswertungsmethode

    Statt linearer wurden nonlineare Faktorenanalysen (FA) und Strukturgleichungsmodelle (SEM Modelle) eingesetzt, um die Ordinalität der mit 5-kategorialen Beurteilungsskalen erhobenen Antworten angemessen zu berücksichtigen. Gewählt wurde dazu eine Klasse nichtlinearer Modelle, die speziell für eine Analyse binär und ordinal verteilter Daten entwickelt wurde und mit Mplus (Muthén & Muthén, 2007; vgl. http://www.statmodel.com) in einem verallgemeinerten Strukturgleichungsmodellierungsansatz (SEM) spezifiziert werden kann: Das 2 Parameter Normalogiven Item Response Theorie (IRT) Modell. Es analysiert auf der Basis der beobachteten Antwortkovarianzen geschätzte tetrachorische Korrelationen (zsf. Glöckner-Rist & Hoijtink, 2003). Alle Ergebnisse wurden mit einem robusten, mittelwerts- und varianzadjustierten Weighted Least Squares Schätzer (WLSMV) ermittelt. Im Vergleich zum traditionellen WLS Schätzer führt er häufig zu stabileren und weniger inflationierten Parameterschätzungen (vgl. Flora & Curran, 2004, 473).

    Der PFS wurde neu konstruiert. Über seine Dimensionalität liegen deshalb noch keine hinreichenden empirischen Ergebnisse vor. Zudem ist auch zu prüfen, ob alle ursprünglich vorgesehenen Items beibehalten werden sollten. Deshalb wurden zunächst die Daten der beiden Stichproben getrennten explorativen FA (EFA) unterzogen, um die faktorielle Struktur der ursprünglich 12 vorgesehenen PFS Items zu identifizieren. In einem zweiten Schritt wurden mögliche plausible Lösungen mit konfirmatorischen FA (CFA) ebenfalls für jede Stichprobe weiterführend untersucht. Ziel war es dabei, eventuell semantisch redundante oder auch andere als zentrale Prokrastination indizierende Items auszusondern, um ein möglichst reliables, valides und ökonomisches Instrument zu konstruieren. In einem dritten Schritt wurden schließlich a) die faktorielle und b) die Kriteriumsvalidität der in den ersten Schritten ausgewählten Items ermittelt. Dazu wurde a) die Messinvarianz dieser Items mit multiplen Vergleichen der Daten aus beiden Stichproben geprüft. In diesen wurde jeweils ein Basis- bzw. Messinvarianzmodell, welches gleiche Faktorladungen und Itemschwellen, d.h. Itemschwierigkeiten für die beiden Studierendenstichproben postulierte, mit zwei weniger restringierten Modellen verglichen, die entweder über die Stichproben variierende Faktorladungen oder Itemschwierigkeiten spezifizierten. Ferner wurde das Geschlecht als Kovariate in das akzeptierte Messmodell einbezogen, um mögliche geschlechtsspezifische Antworteinflüsse (vgl. Steel, 2007) zu identifizieren. Abschließend wurde b) die Kriteriumsvalidität geprüft, indem die akzeptierten PFS Messmodelle simultan mit dem für die APS (Abbildung 1) in einem erweiterten Messmodell zur Schätzung der Zusammenhänge zwischen den jeweils von ihnen postulierten Prokrastinationsdimensionen analysiert wurden. Ferner wurden neben diesen Modellen mit ungerichteten Beziehungen zwischen Konstrukten und ihren Dimensionen auch Modelle mit gerichteten Beziehungen geprüft, in denen die durch den PFS erfasste Prokrastinationstendenz durch die Prokrastinationsfacetten nach der APS vorhergesagt wurde. Wie die erste Analysestrategie hat die zweite den Vorteil, dass die Konstruktzusammenhangsanalysen gemeinsam mit Messmodellanalysen erfolgen und dass die Itembeantwortungen somit automatisch Reliabilitätsattenuationskorrekturen unterzogen werden. Darüber hinaus ermöglicht sie es, die Stärke der Beziehungen von jeweils zwei Konstruktdimensionen bei Kontrolle des Einflusses jeweils der anderen Dimensionen auf diese zu schätzen (Partialkorrelationen).

    Für die Beurteilung der allgemeinen Modellpassung werden die üblichen Angaben zur Chi-Quadrat Teststatistik angeführt, obwohl sie wegen ihrer hohen Teststärke bei Stichprobengrößen wie den hier berücksichtigten zu häufig eine Ablehnung von Modellen nahelegt (vgl. u. a. Bollen, 1989). Die Modellbeurteilungen erfolgten deshalb vorrangig gestützt auf deskriptive Anpassungsmaße: Den Comparative Fit Index (CFI), den Tucker Lewis Index (TLI) und den Root Mean Square Error of Approximation (RMSEA). Nach allgemein üblichen Entscheidungskriterien sprechen Werte von >.90 bzw. >.95 der ersten beiden Indices sowie Werte des RMSEA von < .10 bzw. < .06 für eine akzeptable bzw. gute Passung (vgl. u. a. Bollen, 1989). Zusätzlich wird für konfirmatorische Modelle das unmittelbar aus den Residuen abgeleitete Weighted Root Mean Square Residual (WRMR) berücksichtigt. Ist dieses kleiner als 1, spricht dies für eine hinreichende Kovarianzaufklärung durch ein Modell. Alle Testungen hierarchisch genesteter Modelle erfolgten mit einem von Mplus zur Verfügung gestellten Chi-Quadrat Differenzentest, der korrigierend berücksichtigt, dass Differenzen von Chi-Quadrat Werten, die mit adjustierten Schätzern wie dem WLSMV ermittelt werden, selbst nicht Chi-Quadrat verteilt sind.

    Datenaufbereitung: Fehlende Werte einschließlich von "Weiß nicht" Antworten wurden mit einem von Mplus zur Verfügung gestellten Imputationsalgorithmus ersetzt. Er basiert auf Annahmen (missing at random) und statistischen Verfahren (EM-Schätzung) von Little und Rubin (1987; vgl. Muthén & Muthén, 2007). Um eine stabile Schätzung der Chi-Quadrat basierten Parameter zu erzielen, wurden für alle Items die Antwortkategorien so zusammengelegt, dass jede Kategorie mindestens 5% der Antworten enthält.

     

    Itemanalysen

    Getrennte nonlineare explorative Faktorenanalysen (EFA; 2 Parameter Normalogivenmodell) der Daten jeweils aus S1 und S2 weisen jeweils nur einen Eigenwert größer als 1 aus (9.00 und 7.60; zweite Eigenwerte: .74 und .95). Sie legen somit eine eindimensionale Strukturierung (Tabelle 2) der Antworten zu allen 12 Prokrastinationsitems des PFS nahe.


     

    Tabelle 2

    Standardisierte Faktorladungen (konfirmatorisches 2 Parameter Normalogivenmodell) bei Einschluss der Antworten zu den ursprünglich 12 PFS Items (12) und für die sieben (7) und vier Item (4) PFS Versionen nach den Daten aus Stichprobe 1 (S1; N = 458), Stichprobe 2 (N = 1686) und von allen Probanden (G; N = 1686) sowie signifikante Chi-Quadrat Differenztestwerte (Chi-Quadrat, df, p) für Items mit unterschiedlichen Schwierigkeiten  in S1 und S2

     

     

    S1

    S2

    G

    Chi Difftest

    *1

    12

    .91

    .86

    .90

    14.3, 4, .01

     

    7

    .95

    .87

    .91

     

     

    4

    .96

    .91

    .92

     

    *2

    12

    .87

    .78

    .82

    15.5, 4, .02

     

    7

    .88

    .80

    .84

     

     

    4

    .88

    .77

    .81

     

    3

    12

    .85

    .76

    .80

     

     

    7

    .86

    .78

    .81

     

    4

    12

    .87

    .79

    .82

     

     

    7

    .83

    .75

    .79

     

    *5

    12

    .85

    .76

    .80

     

     

    7

    .86

    .75

    .80

     

     

    4

    .85

    .80

    .82

     

    *6

    12

    .89

    .83

    .85

     

     

    7

    .87

    .85

    .86

     

     

    4

    .88

    .82

    .84

     

    7

    12

    .89

    .88

    .84

     

     

    7

    .84

    .87

    .85

     

    A4

    12

    .64

    .52

    .51

    ----

    A6

    12

    .82

    .72

    .73

    ----

    A7

    12

    .88

    .73

    .78

    ----

    A8

    12

    .91

    .87

    .85

    ----

    A11

    12

    .88

    .81

    .85

    ----

    Anm. * Items des PFS-4. Beibehaltene Items: *1. Ich schiebe den Beginn von Aufgaben bis zum letzten Moment hinaus (1). *2. Ich schiebe die Erledigung bestimmter Tätigkeiten vor mir her (2). 3. Auch wenn ich mir vornehme mit einer Arbeit anzufangen, gelingt es mir nicht (3). 4. Ich warte mit dem Beginn einer Arbeit so lange, dass es mir schwer fällt, sie noch rechtzeitig zu beenden (5). *5. Beim Bearbeiten einer Aufgabe merke ich, dass ich sie schon viel früher hätte erledigen können (9). *6. Ich fange mit einer Aufgabe erst an, wenn ich unter Druck gerate (10). 7. Ich schaffe es erst auf den letzten Drücker meine Aufgaben zu erledigen (12). Ausgeschlossene Items: A4. Ich schaffe es nicht, meine Aufgaben in der gesetzten Frist fertig zu stellen (4). A6. Durch mein Aufschieben leiste ich weniger, als ich eigentlich leisten könnte (6). A7. Ich kann mich nur schwer aufraffen mit einer Aufgabe anzufangen (7). A8. Kurz vor Ablauf einer Frist muss ich mich sehr beeilen, um es noch rechtzeitig zu schaffen (8). A11. Durch das späte Anfangen mache ich mir unnötigen Stress (11).

     

    Nach RMSEA (Tabelle 3) Werten von .14 und .13 erklärt dieses einfaktorielle Modell jedoch noch zu wenig Antwortkovarianz. Einem zweiten Faktor ordnen sich jedoch jeweils nur die Items 4 und 5 zu.

     

    Tabelle 3

    Chi-Quadrat Werte (Chi), Freiheitsgrade (df), Signifikanzniveau (p), Root Mean Square Error of Approximation (RMSEA), Comparative Fit Index (CFI) und Tucker Lewis Index (TLI) für die Passung ein- und zweidimensionaler (1dim, 2dim) EFA Modelle zu den Antworten zu den ursprünglich 12 PFS Items aus den Studierendenstichproben S1 (N = 457) und S2 (N=1228) sowie für die Passung eines eindimensionalen CFA Modells für die 7 und 4 Item PFS Versionen zu denselben Daten

     

    Chi

    df

    p

    RMSEA

    CFI

    TLI

    EFA/CFA: 12 Items

     

     

     

    S1

     

     

     

     

     

     

    1dim

    316.0

    31

    .00

    .14

    .97

    .99

    2dim

    226.8

    30

    .00

    .12

    .98

    .99

    S2

     

     

     

     

     

     

    1dim

    860.2

    40

    .00

    .13

    .93

    .98

    2dim

    472.7

    33

    .00

    .11

    .96

    .99

    CFA: 7 Items 1dim

     

     

     

    S1

    83.9

    12

    .00

    .11

    .99

    1.00

    S2

    98.9

    13

    .00

    .07

    .99

    1.00

    CFA: 7 Items 1dim + 3 Residuenkor.

     

     

     

    S1

    31.4

    10

    .00

    .04

    1.00

    1.00

    S2

    29.2

    9

    .00

    .07

    1.00

    1.00

    CFA: 4 Items + 1 Residuenkor.

     

     

     

    S1

    4.3

    1

    .04

    .07

    1.00

    1.00

    S2

    .9

    1

    .35

    .01

    1.00

    1.00

     

    Sein Einbezug reduziert zudem die RMSEA (Tabelle 3) Werte nicht so, dass sie eine akzeptable Passung für ein zweidimensionales Modell nahelegen würden. Offensichtlich ist eine eindimensionale Lösung für alle 12 PFS-Items also zwar angemessen, nicht aber die zusätzlich durch das EFA Modell angenommene Unabhängigkeit der Residuen für alle 12 Items. Um die Residuenstruktur angemessen beurteilen und spezifizieren zu können, wurden die Daten beider Stichproben deshalb erneut jeweils einer eindimensionalen CFA unterzogen. Da in den EFA derselbe Schätzer (WLSMV) wie in diesen CFA verwendet wurde, führen sie zu denselben faktorenanalytischen Ergebnissen (Tabelle 2) und Anpassungsschätzungen (Tabelle 3) wie das eindimensionale EFA Modell. Nur in CFA werden jedoch die aus allen SEM Programmen bekannten Modifikationsindizes (MI) zur Identifizierung potentiell bedeutsamer bivariater Residuenkorrelationen berechnet. Nur diese erlauben es zudem, diese, wenn theoretisch plausibel, als von Null abweichend zu spezifizieren.

    Nach diesen CFA und der Inspektion der durch sie ermittelten MI sind wie nach der EFA zu erwarten, nicht nur die Residuen der Items 4 und 6 jeweils nach den Daten aus beiden Stichproben hoch korreliert, sondern u.a. auch das Residuum von Item 8 mit dem der Items 1, 3,7 und 12 sowie das von Item 12 mit dem der Items 3, 6, 7, 9 sowie das Residuum von Item 10 mit dem der Items 6 und 11. Nur wenn jeweils die fünf stärksten dieser Residuenkorrelationen als von Null verschieden mit in die eindimensionalen CFA Modelle für die beiden Stichproben einbezogen werden, sind diese auch nach dem RMSEA (.08 und .07) akzeptabel. Sie spiegeln offensichtlich jedoch keine spezifischen Einflüsse anderer Konstrukte auf die Beantwortung entsprechender Itempaare wieder, sondern vorrangig spezifische Auswirkungen semantisch stark ähnlicher Itemformulierungen (Beginn von Aufgaben, mit Aufgaben anfangen) bzw. spezifischer Aspekte der durch diese erfragten Merkmale des Prokrastinationsverhaltens (z.B. unter Druck geraten, auf den letzten Drücker erledigen).

    Wegen dieser hohen semantischen Redundanz, aber auch wegen Unzulänglichkeiten mehrerer Itemformulierungen wurden zunächst weitere Analysen unter Ausschluss der Antworten zu folgenden Items durchgeführt: von Item 4, auch wegen seiner im Vergleich zu den anderen Items auffällig geringen formalen Validität, der Items 6 und 11, die anders als alle anderen Items auch Konsequenzen von Prokrastination thematisieren, sowie der Items 7 und 8 wegen der höchsten und meisten Korrelationen ihrer Residuen mit denen anderer Items. CFA (Tabelle 2) der Antworten zu den verbleibenden sieben Items durch die Studierenden aus S1 und aus S2 bestätigen (Tabelle 3) ihre Eindimensionalität. Insbesondere der RMSEA (Tabelle 3) für S1 legt jedoch nahe, dass einzelne Antwortkovarianzen noch besser erklärt werden sollten. Dies kann durch Setzen von drei als signifikant von Null abweichenden Korrelationen der Residuen der Items 12 und 10 (.31), 12 und 5 (.27) sowie 9 und 1 (-.35) erreicht werden (Tabelle 3). Diese spezifischen Antwortzusammenhänge sind auch für Stichprobe 2 bedeutsam (.28, .22 und -.21) und ihre Modellierung erhöht auch die Passung (Tabelle 3) der Daten aus dieser Stichprobe deutlich. Erneut sind sie jedoch offensichtlich nur auf spezifische semantische Überlappungen der Aussagen dieser Items zurückzuführen. Werden deshalb zusätzlich die Antworten zu den Items 4, 6, und 12 aus einer erneuten Prüfung des eindimensionalen CFA Modells ausgeschlossen, führt dies bei Beibehaltung der Residuenkorrelation für die Items 1 und 9 (-.39 bzw. -.32) zu guten bzw. sehr guten Anpassungswerten (Tabelle 3) und befriedigenden Faktor-Indikator Assoziationen (Tabelle 2) für die verbleibenden vier Items. Somit eignet sich nicht nur die auf sieben (PFS-7), sondern auch die auf vier Items gekürzte PFS Version (PFS-4) zur Erfassung zentraler Prokrastinationstendenzen. Letztere könnte besonders dann nützlich sein, wenn z.B. für Mehrthemenbefragungen möglichst ökonomische, d.h. sehr kurze Itembatterien benötigt werden.

     

    Itemkennwerte

    Nach den Faktorladungen (Tabelle 2) beurteilt sind die formale Validität und Reliabilität der als homogen bestätigten (Tabelle 3) Items des PFS-7 und PFS-4 zufriedenstellend. Die Antwortverteilungen (Tabelle 4) der Items liegen vor, und auch die Mittelwerte für eine schnellere, wenn auch statistisch nicht ausreichende Beurteilung ihrer Schwierigkeiten.

     

    Tabelle 4

    Häufigkeitsverteilungen (1 = (Fast) nie, 2 = Selten, 3 = Manchmal, 4 = Häufig, 5 = (Fast) immer) und Mittelwerte (M) aller ursprünglich 12 PFS Items für die Studierendenstichproben S1 (N = 457) und S2 (N = 1228)

    Beibehaltene Items

    1

    2

    3

    4

    5

    M

    *1

    S1

    11.8

    20.6

    24.3

    26.0

    17.3

    3.16

     

    S2

    7.3

    14.2

    29.2

    35.4

    13.6

    3.34

    *2

    S1

    5.3

    14.4

    27.4

    37.4

    15.5

    3.44

     

    S2

    2.2

    9.5

    31.8

    45.9

    10.5

    3.53

    3

    S1

    14.7

    25.2

    28.4

    22.3

    9.4

    2.87

     

    S2

    7.2

    21.7

    37.8

    28.6

    4.7

    3.02

    4

    S1

    28.0

    28.7

    21.7

    15.5

    6.1

    2.43

     

    S2

    20.0

    34.3

    26.1

    15.7

    3.9

    3.53

    *5

    S1

    9.0

    12.5

    26.3

    31.3

    21.0

    3.43

     

    S2

    4.5

    12.8

    26.0

    39.7

    17.0

    3.52

    *6

    S1

    8.1

    18.4

    20.4

    30.2

    23.0

    3.42

     

    S2

    6.0

    15.7

    25.0

    38.3

    15.0

    3.40

    7

    S1

    15.3

    21.2

    24.1

    22.5

    16.8

    3.04

     

    S2

    10.7

    19.1

    30.5

    30.5

    9.3

    3.09

    Ausgeschlossene Items

     

     

     

     

     

    A4

    S1

    52.3

    22.8

    13.1

    6.8

    5.0

    1.89

     

    S2

    49.1

    28.7

    13.9

    5.9

    2.4

    1.84

    A6

    S1

    16.2

    18.6

    20.6

    26.7

    17.9

    3.12

     

    S2

    10.4

    18.3

    29.1

    26.9

    15.3

    3.18

    A7

    S1

    7.9

    16.8

    28.7

    31.5

    15.1

    3.29

     

    S2

    1.9

    12.4

    35.7

    38.0

    12.1

    3.46

    A8

    S1

    15.1

    22.6

    21.3

    24.6

    16.4

    3.05

     

    S2

    9.1

    19.3

    27.8

    31.1

    12.7

    3.19

    A11

    S1

    9.2

    14.7

    24.7

    24.5

    26.9

    3.45

     

    S2

    5.9

    14.5

    23.9

    33.7

    21.9

    3.51

    Anm. * Items des PFS-4. Beibehaltene Items: *1. Ich schiebe den Beginn von Aufgaben bis zum letzten Moment hinaus (1). *2. Ich schiebe die Erledigung bestimmter Tätigkeiten vor mir her (2). 3. Auch wenn ich mir vornehme mit einer Arbeit anzufangen, gelingt es mir nicht (3). 4. Ich warte mit dem Beginn einer Arbeit so lange, dass es mir schwer fällt, sie noch rechtzeitig zu beenden (5). *5. Beim Bearbeiten einer Aufgabe merke ich, dass ich sie schon viel früher hätte erledigen können (9). *6. Ich fange mit einer Aufgabe erst an, wenn ich unter Druck gerate (10). 7. Ich schaffe es erst auf den letzten Drücker meine Aufgaben zu erledigen (12). Ausgeschlossene Items: A4. Ich schaffe es nicht, meine Aufgaben in der gesetzten Frist fertig zu stellen (4). A6. Durch mein Aufschieben leiste ich weniger, als ich eigentlich leisten könnte (6). A7. Ich kann mich nur schwer aufraffen mit einer Aufgabe anzufangen (7). A8. Kurz vor Ablauf einer Frist muss ich mich sehr beeilen, um es noch rechtzeitig zu schaffen (8). A11. Durch das späte Anfangen mache ich mir unnötigen Stress (11)

     

    Reliabilität

    Die Faktorladungen (Tabelle 2) belegen eine zufriedenstellende Reliabilität der als homogen bestätigten (Tabelle 3) sieben bzw. vier für den PFS-7 und PFS-4 beibehaltenen Items.

     

    Validität

    Sind die beobachteten Unterschiede zwischen den Faktorladungen (Tabelle 2) für den PFS-7 nach den Daten aus den beiden Stichproben nur zufalls- oder systematisch bedingt? Oder gibt es Hinweise darauf, dass einzelne oder alle dieser Items für die Studierenden beider Stichproben unterschiedlich schwierig waren, d.h. unterschiedlich häufig bejaht wurden?

    Nach Chi-Quadrat Differenzentests passt zwar ein Modell mit frei variierenden Itemschwellen (Chi-Quadrat diff = 7.3, df = 6, p = .30), nicht aber auch ein Modell mit frei variierenden Faktorladungen (Chi-Quadrat diff = 43.7, df = 20, p = .00) besser zu den für diese Vergleiche simultan analysierten PFS Antworten der S1 und S2 als ein Modell mit als gleich postulierten Itemschwellen bzw. Itemschwierigkeiten sowie Faktorladungen (Messinvarianzmodell). Danach sind zwischen den Stichproben unterschiedliche Faktorladungen offensichtlich nur auf Zufallsfluktuationen der zugrundeliegenden unstandardisierten Faktor-Indikator Assoziationen zurückzuführen. Die Schwierigkeiten (Tabelle 4) für eines oder mehre der sieben Items variieren demgegenüber systematisch über die beiden Stichproben. Um diese Items zu identifizieren, wurde einer Strategie von Glöckner-Rist und Hoijtink (2003) folgend das Messinvarianzmodell sukzessive mit Modellen verglichen, in denen jeweils die Schwierigkeit eines anderen der sieben Items als frei variierend spezifiziert wurde. Eine signifikante Modellverbesserung aufgrund frei geschätzter Schwellen (Tabelle 2) wurde so jedoch nur für zwei Items ermittelt (1 und 2). Das durch diese erfasste Prokrastinationsverhalten wird danach seltener (Tabelle 4) von den Studierenden in S1 als von denen der S2 als in den letzten zwei Wochen aufgetreten beurteilt.

    Worauf könnten diese Beobachtungen zurückzuführen sein? Möglicherweise reflektieren sie lediglich eine Selbstselektion der Teilnehmer von S1: Es ist durchaus wahrscheinlich, dass diese Items speziell Prokrastinationsmerkmale (Beginn bis zum letzten Moment hinausschieben, bestimmte Tätigkeiten aufschieben) erfassen, deren Bejahung auch eine Tendenz anzeigt, die Beantwortung der zweiten Fragebogenhälfte, die in dieser Stichprobe optional war, aufzuschieben oder zu unterlassen. Dies würde jedoch nicht Messvarianz dieser Items implizieren, sondern im Gegenteil deren Validität als Prokrastinationsindikatoren unterstreichen. In Stichprobe 1 war jedoch auch der Anteil weiblicher Befragter gegenüber ihrem Anteil an allen Münsteraner Studierenden und gegenüber ihrem Anteil an den Befragten aus Stichprobe 2 erhöht. Deshalb wurde eine mögliche geschlechtsspezifische Beantwortung der PFS-Items folgendermaßen geprüft: Zunächst wurde das Geschlecht (1 = männlich, 2 = weiblich) als Kovariate in eine eindimensionale CFA der Antworten aus beiden Stichproben (N = 1668) zu den sieben Items des PFS-7 einbezogen. Nach den Ergebnissen beeinflusst das Geschlecht die Ausprägungen auf der durch dieses Modell postulierten einen Prokrastinationsdimension signifikant negativ (.09, p=.00) und zudem direkt auch die Beantwortung von Item 1 (.08, p = .01). Wie nach den Ergebnissen der multiplen Gruppenvergleiche zu erwarten, führt ein analoger Einbezug der Stichprobenzugehörigkeit als Kovariate zwar zu fast identischen Effekten (-.08, p = .00 und -.07, p = .02). Werden jedoch diese und das Geschlecht simultan als Kovariate in dem eindimensionalen CFA Modell für den PFS-7 berücksichtigt, dann sind nur noch die entsprechenden Einflüsse des Geschlechts signifikant und vergleichbar ausgeprägt. Die Einflüsse für die Stichprobenzugehörigkeit werden demgegenüber nun mit .00 eindeutig als irrelevant ausgewiesen. Dieselben Ergebnisse zeigten sich für äquivalente Prüfungen der Antworten zum PFS-4. Diese Beobachtungen bestätigen vorliegende Befunde (Steel, 2008) über eine geschlechtsspezifische Beantwortung von Prokrastinationsindikatoren. Zu prüfen bleibt jedoch die dazu noch offene Frage, ob Männer tatsächlich häufiger prokrastinieren als Frauen oder ob es ihnen lediglich leichter fällt als diesen, Prokrastinationstendenzen einzugestehen, z.B. weil entsprechende Verhaltensweisen für Männer sozial als akzeptabler wahrgenommen werden als für Frauen.

    Kriteriumsvalidität: Die Studierenden aus S1 bearbeiteten neben dem PFS noch einen weiteren Fragebogen zur Erfassung von Prokrastinationstendenzen: Die Aitken Procrastination Scale (APS; Aitken, 1982; deutsche Fassung von Helmke & Schrader, 2000). Patzelt und Opitz (2005b) akzeptierten aufgrund einer Analyse der APS Antworten von 977 Münsteraner Studierenden, die im WS 2002/2003 befragt wurden, eine Lösung (Abbildung 1) mit den drei Faktoren Zentrale Prokrastination, Mangelnde Vorausschau und Unpünktlichkeit. Sie wurde mit denselben wie den hier angewendeten nichtlinearen Verfahren ermittelt. Simultane Analysen dieses Messmodells und der eindimensionalen Messmodelle für den PFS-7 und PFS-4 bestätigen die Validität der PFS Items: Der zentrale Prokrastinationsfaktor nach dem PFS korreliert jeweils fast perfekt mit dem APS Faktor Zentrale Prokrastination (.96 und .97), deutlich niedriger mit dem Faktor Unpünktlichkeit (.38 und .35), aber ebenfalls relativ hoch mit dem Faktor Mangelnde Vorausschau (.77 und .78). Noch deutlicher zeigt sich die Kriteriumsvalidität der PFS Items, wenn die drei APS Faktoren zur Vorhersage des ihnen zugrundeliegenden Faktors herangezogen werden, d.h. wenn die Beziehung jeder einzelnen APS Dimension zur PFS Dimension unter Kontrolle des Einflusses jeweils der beiden anderen APS Dimensionen geschätzt werden: Für die sieben Item und die vier Item PFS Version sagt dann der APS Faktor Zentrale Prokrastination zwar erneut ihre zugrundeliegende Prokrastinationstendenz nahezu perfekt vorher (.92 und .93). Mit den beiden anderen APS Dimensionen können jedoch die Ausprägungen auf dem PFS Prokrastinationsfaktor nicht mehr signifikant vorhergesagt werden (> .29). Zusammenhänge der PFS Items mit einer weiteren vom Münsteraner Prokrastinationsprojekt konstruierten Itembatterie, die speziell Gründe für das Aufschieben von Prüfungslernen (GAP) erfassen soll, werden in der Dokumentation dieses Instruments aufgeführt. Es wurde nicht nur den Teilnehmern der S1 vorgelegt, sondern auch 97 Studierenden, die wegen ihrer Probleme mit Prokrastinieren jeweils eines von zwei Trainingsangeboten der Therapieambulanz der Universität Münster absolvierten.

     

    Deskriptive Statistiken

    Die Antwortverteilungen (Tabelle 4) der Items liegen vor, und auch die Mittelwerte für eine schnellere, wenn auch statistisch nicht ausreichende Beurteilung ihrer Schwierigkeiten.