Instruktion
Was sagen Sie, wenn Sie folgende Überzeugungen hören?
Items
Nr. |
Item |
1 |
Ich bin bereit, mich mit körperlicher Gewalt gegen Fremde durchzusetzen. |
2 |
Ich würde selbst nie körperliche Gewalt anwenden. Aber ich finde es gut, wenn es Leute gibt, die auf diese Weise für Ordnung sorgen. |
3 |
Körperliche Gewalt gegen andere gehört ganz normal zum menschlichen Verhalten, um sich durchzusetzen. |
4 |
Ich bin in bestimmten Situationen durchaus bereit, auch körperliche Gewalt anzuwenden, um meine Interessen durchzusetzen. |
5 |
Man muss leider zur Gewalt greifen, weil man nur so beachtet wird. |
6 |
Selber würde ich nie Gewalt anwenden. Aber es ist schon gut, dass es Leute gibt, die mal ihre Fäuste sprechen lassen, wenn's anders nicht mehr weitergeht. |
Antwortvorgaben
4-stufige Liekert-Skala mit den Endpolen (1) "stimmt gar nicht" und (4) "stimmt völlig".
Auswertungshinweise
Zur Skalenbildung diente das Skalierungsverfahren nach dem theoretischen Modell von Likert (1932). Nach der "Methode der summierten Ratings" (Summenscores) werden die Itemwerte für jeden Befragten addiert und schließlich durch die Anzahl der Items geteilt. Der Wertebereich der Skala reicht von 1 bis 4 und der Skalenmittelwert beträgt in der vorliegenden Untersuchung 1.51 bei einer Varianz von .38. Der niedrigste Skalenwert beträgt 1 und der höchste 4, so dass die Variationsweite 3 beträgt.
Die hier dokumentierte Skala wurde neben einer Reihe weiterer in der Untersuchung "Lebensstile Jugendlicher und Gewalt" eingesetzt. Die Studie wurde im Teilprojekt "Jugend und Gewalt" (1992 - 1996, Leitung Prof. Wilhelm Heitmeyer) des Sonderforschungsbereichs 227 "Prävention und Intervention im Kindes- und Jugendalter" der Universität Bielefeld 1994 mit dem Ziel durchgeführt, Jugendgewalt auf der Basis von Lebensstilen als sozialstrukturellen Gruppierungskategorien zu beschreiben und zu erklären. Eine ausführliche Begründung und theoretische Einordnung dieser Zielsetzungen findet sich in Ulbrich-Herrmann.
Der Begriff der gewaltbefürwortenden Einstellung orientiert sich am hier zugrunde gelegten Gewaltbegriff. Gewaltbefürwortend ist eine Einstellung dann, wenn physische Gewalt gutgeheißen oder als Normalität im Umgang von Menschen erachtet wird, wenn der Versuch unternommen wird, Gewalt zu legitimieren, oder wenn eine Bereitschaft zu eigenem gewaltförmigem Verhalten bekundet wird. Gewaltbefürwortende Einstellungen werden in der empirischen Operationalisierung über Items gemessen, in denen körperliche Gewalt direkt thematisiert und eine diesbezügliche Einstellung erfasst wird. Als Beispiele seien folgende Items genannt: "Ich bin in bestimmten Situationen durchaus bereit, auch körperliche Gewalt anzuwenden, um meine Interessen durchzusetzen" oder "Ich würde selbst nie körperliche Gewalt anwenden, aber ich finde es gut, wenn es Leute gibt, die auf diese Weise für Ordnung sorgen".
Itemkonstruktion und Itemselektion
Die Skala "Gewaltbefürwortende Einstellungen" umfasst 6 Items. Sie wurden von Heitmeyer und Mitarbeitern im Rahmen der DFG-Studie "Individualisierung und Gewalt" (Heitmeyer u.a., 1995, S. 462) erstellt.
Der Fragebogen der Untersuchung "Lebensstile Jugendlicher und Gewalt" mit der hier dokumentierten Skala wurde hinsichtlich seines Umfangs so konzipiert, dass zwei Schulstunden für seine Beantwortung ausreichten. Eine gekürzte Form ist in Anhang 5 bei Ulbrich-Herrmann (1998) abgedruckt. Eine kurze Skizze seiner übrigen Inhalte liegt vor:
Nach der Erhebung demographischer Angaben (S. 3 bis 7: Geschlecht, Alter, Familienstand Nationalität, Geschwister, Familiensituation, Fragen zu den Wohnverhältnissen und Freizeitmöglichkeiten, Bildung und Beruf(-sausbildung), Konfession, Statussicherheit, Belastungen und Leistungszufriedenheit bezüglich Schule und Ausbildung, formaler Bildung und beruflicher Situation der Eltern, finanziellen Ressourcen, und Parteienpräferenz) teilt sich der Fragebogen in zwei Hauptteile:
1. Fragen zu lebensstilrelevanten Verhaltensbereichen (S. 8 bis 29) und
2. Fragen zu Gewalterfahrungen, Einstellungen und Werten bezüglich Gewalt sowie eigenem Gewaltverhalten (S. 30 bis 50).
Im zweiten Teil werden darüber hinaus Themen behandelt, die sich in früheren Arbeiten als relevant zur Erklärung von Gewalt herauskristallisiert haben: der leicht reduzierte Milieuindikator zur Identifizierung der SINUS-Milieus, Fragen zu Werten und Normen, zu Familie, Eltern und Freunden; ferner Instrumente zur Erfassung von Anomie, manifester Angst, dem Selbstwert der Befragten sowie internalen und externalen Kontrollüberzeugungen, dem Umgang mit Problemen, machiavellistischen und autoritären Einstellungen wie auch der Neigung zu "Law and Order-Positionen". Eingesetzt wurde darüber hinaus eine Fragebatterie, mit deren Hilfe die analytischen Kategorien Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Heterophobie und Etabliertenvorrechte erfasst und getrennt werden sollten. Das Erhebungsinstrument endet mit Fragen zur Erfassung der Einstellung gegenüber Traditionen.
Die folgenden Beschreibungen des Instruments basieren auf Daten der Untersuchung "Lebensstile Jugendlicher und Gewalt". Die Untersuchung war Bestandteil des Teilprojekts "Jugend und Gewalt" (1992 - 1996, Leitung Prof. Wilhelm Heitmeyer) des Sonderforschungsbereichs 227 "Prävention und Intervention im Kindes- und Jugendalter" der Universität Bielefeld. Ziel der 1994 durchgeführten Untersuchung war die Beschreibung und Erklärung von Jugendgewalt auf der Basis von Lebensstilen als sozialstrukturellen Gruppierungskategorien.
Stichproben
Die Untersuchung wurde als schriftliche Befragung in drei Untersuchungsregionen der alten Bundesländer durchgeführt, um lebensstilprägende Einflüsse einer städtischen Metropole, einer mittelgroßen Stadt und einer ländlichen Region erfassen zu können. Ausgewählt wurden unter diesem Gesichtspunkt und mit Blick auf beschränkte finanzielle Ressourcen folgende Untersuchungsregionen in Nordrhein-Westfalen: die (metropolenähnliche) Stadt Köln, die Stadt Hamm und der ländlich geprägte Raum des Kreises Minden-Lübbecke.
Die Stichprobenziehung erfolgte in mehreren Schritten: Zunächst wurden alle Hauptschulen, Realschulen und Gymnasien sowie die Berufsschulen der drei Untersuchungsgebiete Köln, Hamm und des Kreises Minden-Lübbecke angeschrieben (169 Schulen) und nach der Darlegung des Untersuchungsvorhabens um die Teilnahme an der Untersuchung gebeten. Die Schulen, die ihre Teilnahme zusicherten, machten gleichzeitig konkrete Angaben über die zur Befragung erreichbaren Klassen bzw. die jeweiligen Kontaktpersonen in den Jahrgängen 10 bis 13 sowie im ersten bis dritten Lehrjahr der Berufsschulen. Eine positive Rückantwort unter Nennung der für die Befragung geeigneten Klassen einschließlich der Namen der Kontaktpersonen ging von 98 Schulen ein. Damit war die Rücklaufquote und Teilnahmebereitschaft der Schulen mit 58% unerwartet hoch.
In einem zweiten Schritt wurde per Zufall diejenige Anzahl von Schulklassen aus der Gesamtzahl aller teilnahmebereiten Schulen gezogen, die eine Stichprobe von ca. 1000 Schülern ergab, wobei die Verteilung der Schulformen und Jahrgänge derjenigen der amtlichen Schulstatistiken entsprechen sollte. Wir gingen dabei von durchschnittlich 20 verwertbaren Fragebögen pro Schulklasse aus. Alle Jugendlichen, die jünger oder älter als 15 bis 22 Jahre waren, wurden aus der realisierten Stichprobe ausgeschlossen. Mit diesem Alterskorridor sollte sichergestellt werden, dass die wichtigsten Ereignisse der Jugendphase abgedeckt werden: Beendigung der Schule und Beginn einer Ausbildung, Auszug aus dem Elternhaus (90% der Jugendlichen verlassen zwischen dem 18. und 20. Lebensjahr das Elternhaus nach Friedrichs und Kamp, 1978), etc.. Ausgeschlossen wurden aus dieser auch alle ausländischen Jugendlichen, da für diese andere Stilkriterien zu berücksichtigen sind als für deutsche Jugendliche.
In Abhängigkeit von der Teilnahmebereitschaft der Schulleitung an der Untersuchung hatte nicht jede Schülerin und jeder Schüler die gleiche Chance, in die Stichprobe zu gelangen. Dies hatte zwar kaum Auswirkungen auf die Teilnahmequoten der Geschlechter (52% Männer und 48% Frauen). Jüngere Schüler und Schülerinnen (10. Klasse und 11. Klasse/1. Lehrjahr) sowie Befragte aus Gesamt- und Realschulen sowie Gymnasien sind jedoch überrepräsentiert und ältere Schüler und Schülerinnen (12. Klasse/2. Lehrjahr und 13. Klasse/3. Lehrjahr) sowie Berufsschüler sind unterrepräsentiert.
Itemanalysen
Die Inter-Item-Korrelationen variieren zwischen .29 und .53. Ihr Mittelwert beträgt .41.
Itemkennwerte
Die Item-Skala-Korrelationen variieren zwischen .51 und .62 und können somit als gut bezeichnet werden.
Reliabilität
Cronbachs Alpha für die Gesamtskala beträgt .81.
Validität
Der Wertebereich der Skala "Gewaltbefürwortende Einstellungen" wurde für die sozialstrukturelle Beschreibung in drei gleich große Gruppen geteilt. Sie werden wie folgt bezeichnet: "niedrig" (1 bis unter 2), "mittel" (2 bis unter 3), "hoch" (3 bis 4). Nach dieser Einteilung weisen drei Viertel der befragten Jugendlichen niedrige gewaltbefürwortende Einstellungswerte auf (77.8%). Mittlere Werte finden sich bei 18.5% und hohe Werte gar nur bei 3.7% der befragten Jugendlichen.
Die Ergebnisse sind in Tabelle 1 dargestellt. Männliche Jugendliche geben signifikant häufiger erhöhte Zustimmungsquoten für gewaltbefürwortende Positionen ab als weibliche Jugendliche (C = .25). Es sind keine signifikanten altersbezogenen Unterschiede beobachtbar, aber deutliche schulformbezogene (C* = .26). Sie sind darauf zurückzuführen, dass Hauptschüler und -schülerinnen höhere gewaltbefürwortende Einstellungswerte erzielen als Schüler und Schülerinnen des Gymnasiums. Das unterschiedliche Niveau einer Ausstattung mit finanziellen Ressourcen weist keinen systematischen Zusammenhang zu gewaltbefürwortenden Einstellungen auf. Unter den Anhängern der verschiedenen politischen Parteien erweisen sich diejenigen von rechtsextremen Parteien als außergewöhnlich gewaltbefürwortend. Während statistisch zu erwarten wäre, dass jeder sechsundzwanzigste Anhänger einer rechtsextremen Partei in hohem Maße Gewalt befürwortet, ist es nach Maßgabe der vorliegenden Daten etwa jeder fünfte Anhänger einer solchen Partei. Nur 17.9% der Sympathisanten rechtsextremer Parteien weisen niedrige gewaltbefürwortende Einstellungswerte auf. Dieses Ergebnis wird in seiner Bedeutung noch anschaulicher, wenn berücksichtigt wird, dass unter den Sympathisanten der Partei der Grünen 89.6%, also 9 von 10 Personen, niedrige gewaltbefürwortende Einstellungswerte aufweisen.
Tabelle 1
Zustimmung zu "gewaltbefürwortenden Positionen"
|
Niedrig |
Mittel |
Hoch |
N |
C |
C* |
Männer |
67.5 |
26.2 |
6.0 |
382 |
.25 |
.34** |
Frauen |
88.4 |
10.3 |
1.4 |
370 |
|
|
15 bis 16 Jahre |
75.3 |
19.1 |
5.6 |
215 |
(.10) |
.08 |
17 bis 18 Jahre |
76.9 |
20.4 |
2.7 |
333 |
|
|
19 bis 20 Jahre |
80.6 |
14.8 |
4.5 |
155 |
|
|
21 bis 22 Jahre |
85.7 |
14.3 |
0.0 |
49 |
|
|
Hauptschule |
41.1 |
42.9 |
16.1 |
56 |
(.32) |
.26** |
Realschule |
73.1 |
20.9 |
6.0 |
67 |
|
|
Gymnasium |
88.8 |
9.9 |
1.4 |
365 |
|
|
Berufsschule |
71.1 |
24.9 |
4.0 |
249 |
|
|
bis 100 DM mtl. |
79.9 |
16.1 |
4.0 |
273 |
(.11) |
.09 |
101 bis 300 DM |
79.5 |
18.7 |
1.8 |
219 |
|
|
301 bis 500 DM |
79.3 |
18.5 |
2.2 |
92 |
|
|
mehr als 500 DM |
71.9 |
21.3 |
6.9 |
160 |
|
|
CDU |
78.6 |
16.7 |
4.8 |
84 |
(.44) |
.36** |
SPD |
78.1 |
21.2 |
0.7 |
151 |
|
|
F.D.P. |
88.0 |
12.0 |
0.0 |
25 |
|
|
Bündnis 90/ Die Grünen |
89.6 |
8.3 |
2.1 |
96 |
|
|
Republikaner, DVU u.a. |
17.9 |
61.5 |
20.5 |
39 |
|
|
Total |
585 |
139 |
27 |
752 u. 52 miss. |
|
|
Total [%] |
77.8 |
18.5 |
3.7 |
|
|
|
Anm. Die Prozentangaben sind als Zeilenprozent zu lesen. Innerhalb des Gesamtwertebereichs 1 bis 4 gelten Werte von 1 bis unter 2 als "niedrig", von 2 bis unter 3 als "mittel" und von 3 bis 4 als "hoch". C: Kontingenzkoeffizient (Angabe in Klammern, wenn mindestens ein Erwartungswert <5). C*: Kontingenzkoeffizient für eine Kontingenztafel mit folgender von der abgebildeten Tafel abweichenden Klassenbildung (Terzilbildung): "niedrig": das Drittel der Befragten mit den niedrigsten Skalenwerten, "hoch": das Drittel der Befragten mit den höchsten Skalenwerten, "mittel": das (verbleibende) Drittel der Befragten mit mittleren Skalenwerten (Angabe in Klammern, wenn mindestens ein Erwartungswert <5). Signifikanzniveau * =0.05, **=0.01. N: Anzahl der Befragten der jeweiligen Zeilenkategorie. 1) Aufgrund der wenigen Fälle (19) blieben Gesamtschüler unberücksichtigt
Deskriptive Statistiken
Die Mittelwerte aller 6 Items ("Schwierigkeit") liegen unterhalb der numerischen Mitte der Antwortkategorien (2.5) und reichen von 1.33 (Item 5) bis 1.68 (Item 4). Der Wertebereich der Skala reicht von 1 bis 4 und der Skalenmittelwert beträgt 1.51 bei einer Varianz von .38. Der niedrigste Skalenwert beträgt 1 und der höchste 4, so dass die Variationsweite 3 beträgt. Bezüglich der Skala lassen sich in 52 Fällen keine Werte ermitteln (6.5%), so dass insgesamt 752 gültige Werte für weitere Analysen zur Verfügung stehen.
Dr. Matthias Ulbrich-Herrmann, Universität Bielefeld, Institut für Konflikt- und Gewaltforschung, Universitätsstr. 25, 33615 Bielefeld, E-Mail: matthias.ulbrich.herrmann@uni-bielefeld.de, Tel. 0521/1063147; FAX: 0521/1065416