Ethnozentrismus
Die Beziehung zwischen einer Überbewertung der Eigengruppe und der Abwertung von Fremdgruppen untersuchten bereits Adorno et al. (1950) systematisch. Levinson (1950) führte im Anschluss an Sumner (1905) zur Bezeichnung dieses Phänomens den Begriff Ethnozentrismus ein. Das kulturell Ähnliche wird von Personen mit einem ethnozentrischen Weltbild generell positiv bewertet, das Fremde unhinterfragt abgelehnt (Adorno et al., 1950, S.102 ff.). Dies äußert sich in der Überbewertung der Eigengruppe und einer Abwertung von Fremdgruppen.
Die Beziehung zur Eigengruppe bezeichnete Levinson als Pseudo-Patriotismus, zu dessen Erfassung er ein eigenes Instrument entwickelte (E(thnozentrismus)-Skala). Es soll zu hohen Werten bei Personen führen. die ein hohes Maß an Konformität mit ihrem Staat aufweisen und diesen idealisieren. Es zeigte sich, dass Pseudo-Patriotismus mit der Abwertung von Minderheiten und anderen Nationen verknüpft ist. Allport (1979) bestätigte in einer umfassenden Studie über Vorurteile alle zentralen Thesen und Schlussfolgerungen Levinson's. Beide Autoren betonen jedoch, dass die Identifikation mit einer Nation nicht unumgänglich zu einer Abwertung von fremden Gruppen führen muss.
Kosterman und Feshbach (1989) entwickelten in der Folge ein Instrument das drei verschiedene Konstrukte erfasst. Die aufrichtige Bindung (genuine tie) zur Nation nennen sie Patriotismus. Die Überbewertung und Idealisierung der eigenen Nation wird als Nationalismus definiert. Dieses Konzept entspricht Levinson’s Pseudo-Patriotismus. Das dritte Konstrukt ist Internationalismus und erfasst die Einstellung gegenüber anderen Nationen. Die interne Validität der drei Konstrukte kann zwar als hinreichend empirisch belegt angesehen werden. nicht aber die Konstruktvalidität besonders des ersten Konstrukts.
Die Theorie der "Autoritären Persönlichkeit (AP)" (Adorno et al., 1950) postuliert unter anderem, dass die stark ausgeprägte Vorurteilsbereitschaft, die nach Levinson Ethnozentrismus begünstigt, ein kennzeichnendes Merkmal des autoritären Persönlichkeitstyps sei. Diese Annahme wurde in neueren Veröffentlichungen wieder aufgegriffen und mit verschiedenen sozialpsychologischen Ansätzen verknüpft (z.B. Herrmann & Schmidt, 1995; Scheepers. Felling & Peters, 1990, 1992).
Verkürzt dargestellt wird vermutet dass die für Ethnozentrismus charakteristische Abwertung von Fremdgruppen bei der autoritären Persönlichkeit aufgrund eines "schwachen Egos", einer übertriebenen autoritären Unterwürfigkeit und der damit verbundenen submissiven Haltung besonders ausgeprägt sein könnte. Dies führe zu einer überhöhten Ablehnung von Fremdgruppen. Sowohl Diskriminierungstendenzen gegenüber Ausländern als auch Antisemitismustendenzen können vor diesem Hintergrund also gleichermaßen als Ausdruck der einen Ethnozentrismussubdimension "Abwertung von Fremdgruppen" verstanden werden.
Die Beziehung zwischen Ethnozentrismus und Autoritarismus wird darüber hinaus in der AP jedoch nicht systematisch expliziert. Insbesondere bleibt unklar, ob der Ethnozentrismus eine Teildimension des Autoritarismus bildet oder ob es sich um unterschiedliche Persönlichkeitskonstrukte handelt die in einem Ursache-Wirkungsverhältnis stehen. Die empirischen Arbeiten und die getrennten Operationalisierungen für die beiden Konstrukte legen aber nahe, dass die Autoren implizit die Vorstellung vertreten, dass Autoritarismus die allgemeinere und Ethnozentrismus die spezifischere Erscheinung darstellt. Dies wäre auch mit Annahmen über die Ausbildung solcher Persönlichkeitseigenschaften im Sozialisationsprozess vereinbar. In dessen Verlauf sollte sich zunächst u.a. in Abhängigkeit vom elterlichen Erziehungsstil Autoritarismus herausbilden, bis dann von Kindern bzw. Jugendlichen systematisch definierbare Gruppen wie Ausländer als mögliche Objekte der Abwertung wahrgenommen werden können (vgl. Hopf & Hopf.1997).