Open Access Repository for Measurement Instruments

AkkordeonDetailedScaleViews

Deutsche TCU Behandlungsmotivationsskalen (TCU-MS-d)

  • Author: Buchholz, A., Glöckner-Rist, A., Scherbaum, N., & Rist, F.
  • In ZIS since: 2007
  • DOI: https://doi.org/10.6102/zis214
  • Language Documentation: deutsch
  • Language Items: German
  • Number of Items: 29
  • Reliability: .21 bis .92
  • Validity: Hinweise auf die Konstruktvalidität und die prädiktive Validität
  • Construct: Behandlungsmotivation, Abhängigkeitserkrankungen
  • Catchwords: Behandlung, Motivation, Abhängigkeit, Erkrankung
  • Item(s) used in Representative Survey: nein
  • Status of Development: normiert
    • Instruktion

      Sehr geehrte Patientin, sehr geehrter Patient,

      auf den folgenden Seiten finden Sie Aussagen darüber, wie man sich selbst und auch die Behandlung in diesem Krankenhaus sehen kann. Bitte lesen Sie alle Aussagen sorgfältig durch und beurteilen Sie bei jeder Aussage, wie sehr sie auf Sie persönlich oder diese Behandlung zutrifft. Um auszudrücken, wie gut eine Aussage auf Sie zutrifft, können Sie 5 Abstufungen verwenden: trifft nicht zu, trifft wenig zu, trifft teilweise zu, trifft ziemlich zu, trifft sehr zu. Wenn eine Aussage also nicht auf Sie zutrifft, kreuzen Sie bitte das Kästchen unter "trifft nicht zu" an, wenn eine Aussage wenig auf Sie zutrifft, das Kästchen unter "trifft wenig zu", und so weiter.

      Bitte üben Sie diese Art der Beurteilung an zwei Beispielen:

       

       

      trifft nicht zu

      trifft wenig zu

      trifft teilweise zu

      trifft ziemlich zu

      trifft sehr zu

      Ich mag gerne Schokoladeneis

      Ich lese gerne Comics

       

      Wenn Sie ein großer Fan von Schokoladeneis sind, dann trifft die Aussage 1 sehr auf Sie zu. Sie haben also das Kästchen ganz rechts angekreuzt. Wenn Sie Comics nur wenig interessant finden, trifft Aussage 2 wenig auf Sie zu. Sie haben das zweite Kästchen von links angekreuzt. Machen Sie bitte nur ein Kreuz pro Aussage! Bitte beurteilen Sie jede Aussage!

      Blättern Sie jetzt um und beginnen Sie mit der Bearbeitung. Lesen Sie jede Aussage aufmerksam durch. Versuchen Sie trotzdem, möglichst spontan zu urteilen.

       

      Items

      Subskalen

      -       PE: Problemerkennung

      -       ED: Externer Druck (External Pressures)

      -       HB: Hilfebedürfnis (Desire for Help)

      -       BB: Behandlungsbereitschaft (Treatment Readiness)

       

      Nr.

      Deutsche Items

      Englische Items

      Polung

      Subskala

      1

      Mein Drogenkonsum ist ein Problem für mich.

      Your drug use is a problem for you.

      +

      PE

      12

      Mein Drogenkonsum schadet mir mehr als er nützt.

      Your drug use is more trouble than it's worth.

      +

      PE

      23

      Durch meinen Drogenkonsum gerate ich in Konflikte mit dem Gesetz.

      Your drug use is causing problems with the law.

      +

      PE

      29

      Wegen meines Drogenkonsums habe ich Schwierigkeiten, mich zu konzentrieren oder meiner Arbeit nachzugehen.

      Your drug use is causing problems in thinking or doing your work.

      +

      PE

      44

      Ich habe Ärger mit Familie oder Freunden, weil ich Drogen nehme.

      Your drug use is causing problems with your family or friends.

      +

      PE

      49

      Ich habe Schwierigkeiten, einen Job zu finden oder zu behalten, weil ich Drogen nehme.

      Your drug use is causing problems in finding or keeping a job.

      +

      PE

      58

      Wegen meines Drogenkonsums habe ich gesundheitliche Probleme.

      Your drug use is causing problems with your health.

      +

      PE

      80

      Durch meinen Drogenkonsum wird meine Lebenssituation immer schlechter.

      Your drug use is making your life become worse and worse.

      +

      PE

      93

      Wenn ich nicht bald aufhöre, wird mein Drogenkonsum mich umbringen.

      Your drug use is going to cause your death if you do not quit soon.

      +

      PE

      7

      Einige meiner Familienmitglieder wollen, dass ich mich behandeln lasse.

      You have family members who want you to be in treatment.

      +

      ED

      17

      Ich habe Angst, mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten.

      You are concerned about legal problems.

      +

      ED

      30

      Ich nehme an dieser Behandlung teil, weil ich mich unter Druck gesetzt fühle.

      You feel a lot of pressure to be in treatment.

      +

      ED

      34

      Wenn ich nicht in Behandlung wäre, könnte ich ins Gefängnis kommen.

      You could be sent to jail or prison if you are not in treatment.

      +

      ED

      67

      Ich habe ernsthafte gesundheitliche Probleme, die auf meinen Drogenkonsum zurückzuführen sind.

      You have serious drug-related health problems.

      +

      ED

      90

      Ich bin in Behandlung, weil ich Konflikte mit dem Gesetz habe.

      You have legal problems that require you to be in treatment.

      +

      ED

      2

      Ich brauche Hilfe, um mein Drogenproblem in den Griff zu bekommen.

      You need help in dealing with your drug use.

      +

      HB

      20

      Ich brauche unbedingt sofort Hilfe, um mit meinen Drogenproblemen fertig zu werden.

      It is urgent that you find help immediately for your drug use.

      +

      HB

      (26)

      (Um meine Drogenprobleme zu lösen, gebe ich meinen Freundes- und Bekanntenkreis auf.)

      (You will give up your friends and hangouts to solve your drug problems.)

      +

      HB

      45

      Mein Leben ist außer Kontrolle geraten.

      Your life has gone out of control.

      +

      HB

      59

      Ich habe genug von meinen Drogenproblemen.

      You are tired of the problems caused by drugs.

      +

      HB

      84

      Ich will mein Leben wieder in den Griff bekommen.

      You want to get your life straightened out.

      +

      HB

      (5)

      (Ich habe vor, längere Zeit in Behandlung zu bleiben.)

      (You plan to stay in this treatment for a while.)

      +

      BB

      (10)

      (Diese Behandlung könnte die letzte Chance für mich sein, meine Drogenprobleme in den Griff zu bekommen.)

      (This treatment may be your last chance to solve your drug problems.)

      +

      BB

      (11)

      (Diese Art von Behandlung wird mir nicht viel weiterhelfen.)

      (This kind of treatment program will not be very helpful to you.)

      -

      BB

      37

      Diese Behandlung kann mir wirklich helfen.

      This treatment program can really help you.

      +

      BB

      38

      Ich will jetzt wirklich an einer Behandlung teilnehmen.

      You want to be in a drug treatment program now.

      +

      BB

      57

      Ich habe im Moment zu viele andere Verpflichtungen, um richtig an dieser Behandlung teilzunehmen.

      You have too many outside responsibilities now to be in this treatment program.

      -

      BB

      62

      Eigentlich bin ich nur hier, weil mich jemand anders dazu gedrängt hat.

      You are in this treatment program because someone else made you come.

      -

      BB

      91

      Diese Behandlung ist anscheinend zu anstrengend für mich.

      This treatment program seems too demanding for you.

      -

      BB

       

      Anmerkungen. Die Itemnummern entsprechen der Position der Items im Gesamtfragebogen (CESI)

      (...) = Items, die wegen geringer formaler Validität oder Redundanz mit anderen Items ausgeschlossen wurden.

       

      Antwortvorgaben

      5-stufige Ratingskala mit den Antwortoptionen "trifft nicht zu", "trifft wenig zu", "trifft teilweise zu", "trifft ziemlich zu" und "trifft sehr zu".

       

      Ein für diese Untersuchung zusammengestellter Dokumentationsbogen zum Behandlungsverlauf wurde für alle Patienten nach Beendigung ihrer Behandlung vom behandelnden Arzt (oder Psychologen) ausgefüllt. Er diente der Erfassung von allgemeinen Informationen über die Behandlung und den Patienten, wie soziodemografische Merkmale, komorbide Störungen, Substanzkonsum in den letzten sechs Monaten, vorausgegangene Behandlungen und das Ergebnis der aktuellen Behandlung. Die Ausgestaltung des Dokumentationsbogens orientierte sich so weit als möglich an den Dokumentationsstandards III für die Evaluation der Behandlung von Abhängigen (Deutsche Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie e.V. (Hrsg.), 2001). Er kann über die Erstautorin dieser Dokumentation bezogen werden.

       

      Auswertungshinweise

      Um Einflüsse zufälliger und systematischer nicht im Modell erfasster Variablen im Rahmen einer Auswertung berücksichtigen zu können, wird die Verwendung von Struktur- und Messmodellanalysen unter Einbezug multipler Indikatoren anstelle einer Verwendung summativer Indizes empfohlen.

      Die Autoren der Originalversion stellen aber auch eine einfache Berechnung von Mittelwerten für die gemessenen Dimensionen zur Verfügung. Die Skalenmittel erhält man durch Division der Summe der einzelnen Items einer Skala durch die Anzahl der Items. Die negativ gepolten Items müssen für eine Auswertung durch Skalenmittel umcodiert werden. Unsere Analysen legen nahe, dass mit den TCU-MS-d Antwortprofilen eventuell nicht beobachtete Patientengruppen identifiziert werden können, für die unterschiedliche Behandlungsergebnisse wahrscheinlich sind. Dies wäre praktisch bedeutsam, da für diese weiterführend eventuell alternative therapeutische Angebote entwickelt werden könnten. Eine Analyse der TCU-MS-d Antworten unter Rückgriff auf Latent Class Modelle wird deshalb empfohlen.

       

       

    Behandlungsmotivation, der Gegenstand der hier dokumentierten Skalen, ist ein wichtiges und aufschlussreiches Konstrukt in der Behandlung von Abhängigkeitserkrankungen. Mehrfach konnten Zusammenhänge zum Behandlungsergebnis oder zu Prozesskomponenten einer Behandlung nachgewiesen werden (Simpson & Joe, 1993; de Leon & Jainchill, 1986; Joe, Simpson, & Broome, 1998). Eines der derzeit einflussreichsten Modelle zur Umschreibung motivationaler Prozesse im Kontext von Abhängigkeitserkrankungen ist das transtheoretische Modell von Prochaska und DiClemente (TTM). Im TTM wird angenommen, dass verschiedene kognitive und verhaltensorientierte Prozesse eine Verhaltensänderung herbeiführen können. Die Verhaltensänderung selbst wird in die Phasen Absichtslosigkeit, Absichtsbildung, Vorbereitung, Handlung und Aufrechterhaltung unterteilt. Angenommen wird, dass diese Phasen sequentiell durchlaufen werden. Rückfälle auf ein früheres Niveau sind jederzeit möglich (Prochaska & DiClemente, 1986).

    Auch das amerikanische Original der TCU-MS-d (TCU Motivational Scales, TCU-MS) basiert auf dem TTM. Die erhobenen Konstrukte Problemerkennung, Hilfebedürfnis und Behandlungsbereitschaft repräsentieren kognitive Prozesse, die für den Übergang zwischen den verschiedenen Änderungsstadien Absichtslosigkeit, Absichtsbildung und Handlung wichtig sind: Problemerkennung ist eine wesentliche Voraussetzung, um über eine Verhaltensänderung überhaupt nachzudenken und moderiert so den Übergang von einem Stadium der Absichtslosigkeit zur Absichtsbildung. Der Wunsch nach Hilfe und damit auch die Einsicht, dass Hilfe benötigt wird, ist demgegenüber ein elementares Motiv für die aktive Suche nach Hilfe. Es wird als moderierender Prozess zwischen den Stadien Absichtsbildung und Handlung angesehen. Behandlungsbereitschaft zeigt sich schließlich in der Entscheidung, an einer bestimmten Behandlung teilzunehmen und mitzuwirken. Damit ist das Stadium Handlung erreicht (Knight et al., 1994; Simpson & Joe, 1993; Joe, Broome, Rowan-Szal, & Simpson, 2002).

    Die TCU-MS wurde erstmals von Simpson und Joe (1993) vorgestellt. Basis für die Itemauswahl war eine Reanalyse der psychometrischen Merkmale der Items der Skala Circumstances, Motivation, Readiness and Suitabiliy (CMRS; de Leon & Jainchill, 1986) zur Erfassung von Behandlungsmotivation: Diese Reanalyse konnte die theoretisch postulierten vier Dimensionen der Behandlungsmotivation nicht replizieren. Deshalb wurde die Skala grundlegend revidiert. Diese revidierte Fassung bildete dann die Grundlage für die erste Version der TCU-MS (Simpson & Joe, 1993). Die weitere Vorgehensweise bei der Konstruktion und Validierung der TCU-MS beschreibt ein Manual, das über eine Webseite der Arbeitsgruppe bezogen werden kann.

    Zur Dimensionalitätsprüfung der TCU-MS berechneten die Autoren separate Hauptkomponentenanalysen für die Skalen Problemerkennung, Hilfebedürfnis und Behandlungsbereitschaft. Die Beantwortung der Items der Skala Hilfebedürfnis war danach eindimensional strukturiert. Die Skalen Problemerkennung und Behandlungsbereitschaft unterteilten sich demgegenüber in spezifische und allgemeine Probleme bzw. in intrinsische und extrinsische Motivation. Aufgrund substantieller Ladungen für die jeweils ersten Komponenten präferierten die Autoren in beiden Fällen jedoch eine eindimensionale Lösung. Zur Prüfung der Modellgüte wurden, ebenfalls für die drei Itembatterien getrennt, konfirmatorische Faktorenanalysen durchgeführt. Die im Manual dokumentierten psychometrischen Kennwerte sind als befriedigend anzusehen (siehe Tabelle 1).

     

    Tabelle 1

    Psychometrische Kennwerte für die TCU-MS (N1 = 787, geteilt in 2 Zufallsstichproben DATAR1, DATAR2, N2 = 325)

    Subskala             

    Items

    CA

    VA

    rtt

    GFI

    Problemerkennung      

    9

    .85 -

    .90

    48

    - .92/.88

    Hilfewunsch           

    6

    .72 -

    .82

    41

    .78 .98/.93

    Behandlungsbereitschaft

    8

    .65 -

    .73

    31

    .85 .97/.95

    Anmerkungen. CA = Cronbachs Alpha, Range über alle 3 Stichproben, VA = Varianzaufklärung in %, rtt = Retestreliabilität, GFI = Goodness of fit index, DATAR1/DATAR2

     

    Ursprünglich erfasste die TCU-MS nur diese drei Konstrukte. Später wurde sie um sechs Items zu "externem Druck" ergänzt. Sie erfragen, inwieweit äußere Umstände wie Gesetzeskonflikte, Druck seitens der Familie sowie ernsthafte gesundheitliche Probleme für die Aufnahme der momentanen Behandlung bedeutsam waren. Dies erweitert die theoretischen Annahmen dahingehend, dass konkreten extrinsischen Motivationsquellen mehr Bedeutung beigemessen wird.

    Nach den Autoren der TCU-MS sind die Items zu "externem Druck" nicht als Bestandteil einer Skala bzw. als Indikatoren einer weiteren Dimension der Behandlungsmotivation anzusehen und auszuwerten, sondern lediglich als singuläre Beschreibungen manifester äußerer Zwänge. In allen vorausgegangenen Arbeiten wurden sie deshalb  wenn überhaupt  nur als Einzelitems in Auswertungen einbezogen und keiner gesonderten Prüfung als eventuell eine weitere Dimension indizierend unterzogen. Entsprechend liegen keine Kennwerte zur Beurteilung ihrer psychometrischen Eigenschaften vor. Diese Items sind jedoch ebenfalls alle als Selbstbeschreibungen formuliert und thematisieren zum Teil auch eigene psychische Reaktionen auf extern verursachte Behandlungsgründe (z.B. Angst, mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten, sich unter Druck gesetzt fühlen). Ihre Aussagen überlappen sich zudem zum Teil stark mit denen der Items zur Problemerkennung (Gesetzeskonflikte, gesundheitliche und Probleme mit Sozialpartnern aufgrund des Drogenkonsums). Nach ihren Aussageninhalten ist also nicht auszuschließen, dass sie sich auch verschiedenen Problemerkennungsfacetten zuordnen lassen. Alternativ könnten sie jedoch auch eine weitere theoretisch plausible Behandlungsmotivationsfacette erfassen. Deshalb wurde diesen beiden Fragen bei der psychometrischen Prüfung der hier dokumentierten deutschen Version der TCU-MS (TCU-MS-d) explizit nachgegangen.

    Die TCU-MS ist Bestandteil zweier umfassenderer Instrumente, die zusätzlich weitere Skalen zur Erfassung des psychologischen und sozialen Funktionsniveaus sowie von Therapieprozesskomponenten enthalten (Client Evaluation of Self and Treatment [CEST], Client Evaluation of Self at Intake [CESI]). Ihre amerikanischen Originale können ebenfalls über eine Webseite der Entwickler heruntergeladen werden. Sie wurden in mehreren, groß angelegten Studien zur Evaluation des amerikanischen Suchtbehandlungssystems eingesetzt und bilden die Grundlage für das von der Arbeitsgruppe von D.D. Simpson entwickelte Therapieprozessmodell (Simpson, Joe, Rowan-Szal, & Greener, 1997; Joe, Simpson, & Broome, 1999; Simpson, 2004; Simpson, 2001). Hier wird vorläufig nur eine deutsche Version der TCU-MS Itembatterien dokumentiert. Eine vollständige deutsche Version der CESI kann über die Erstautorin bezogen werden.

     

     

    Itemkonstruktion und Itemselektion

    In die hier dokumentierte deutsche Version der TCU-MS (TCU-MS-d) wurden alle Items des amerikanischen Originals übernommen. Bei ihrer Übertragung ins Deutsche wurden jedoch keine wörtlichen Übersetzungen angestrebt. Zentrales Ziel war vielmehr eine möglichst hohe semantische und normative Äquivalenz (Behling & Law, 2000) der Übertragungen. Dazu wurden zunächst für jedes Item verschiedene alternative deutsche Formulierungen abgeleitet. Drei Personen mit sehr guten Englischkenntnissen, u.a. aufgrund von Aufenthalten im englischsprachigen Ausland, wählten dann eine dieser Formulierungsvarianten für die Übernahme in die deutsche Version aus.

    Die TCU-MS-d enthält folgende Änderungen gegenüber dem amerikanischen Original:

    1.     Aus sachlogischen Überlegungen wurden die Items in der Ichform statt in der zweiten Person Singular formuliert. Die TCU Itemaussagen des englischen Originals verwenden die zweite Person Singular (your drug use is a problem for you). Im deutschen Sprachraum werden solche Selbstbeurteilungsaussagen jedoch in der Regel in der ersten Person formuliert, die zudem in beiden Sprachen den Bezug zur eigenen Person deutlicher heraustellen als Adressierungen über die zweite Person Singular.

    2.     Die in der Originalfassung verwendete 5-stufige bipolare Likertantwortskala mit den Optionen strongly disagree bis strongly agree einschließlich einer "undecided" Option wurde aus methodischen Überlegungen durch eine äquidistante 5-stufige Antwortskala mit den Endpunkten "trifft nicht zu" und "trifft völlig zu" sowie einer mittleren "trifft teilweise zu" Antwortoption ersetzt. Die im Original verwendeten Likertskalen sind bipolar (strongly disagree/ strongly agree) und haben eine neutrale Mitte (undecided). Dieses in der Einstellungsmessung entwickelte Antwortformat ist jedoch für Selbstbeurteilungen wenig geeignet: Einstellungsskalen intendieren in der Regel Werturteile über Einstellungsobjekte. Im amerikanischen Original werden zudem zusätzlich zu den bipolaren verbalen unipolare numerische Anker (1-5) verwendet. Krosnick und Fabrigar (1997) warnen jedoch vor einer solchen Verwendung nicht übereinstimmender verbaler und numerischer Anker, da diese zu Verwirrung und Urteilsverzerrungen führen kann. Gleichzeitig betonen sie die Bedeutung verbaler Anker, insbesondere für Personen geringerer Bildung.

    Aus diesen Gründen wurde statt der bipolaren Likertskala eine äquidistant gestufte Antwortskala mit den verbalen Ankern "trifft nicht zu", "trifft wenig zu", "trifft teilweise zu", "trifft ziemlich zu" und "trifft völlig zu" verwendet (vgl. Rohrmann, 1978). Ein Vortest zeigte aber, dass die Probanden dennoch Schwierigkeiten mit den numerischen Ankern hatten (Buchholz, 2004). Deshalb wurde hier auf diese verzichtet.

     

    Stichproben

    Von Januar 2003 bis August 2004 wurden in einem Benchmarkingprojekt (BeMotivATED: Behandlungsmotivation und Abbruch der Therapie in der Entzugsbehandlung Drogenabhängiger) in 12 Kliniken aus dem "Fachverband Qualifizierte stationäre Akutbehandlung Drogenabhängiger e.V." insgesamt 1002 Patienten gebeten, die TCU-MS-d zu bearbeiten. Kriterien für den Einschluss von Patienten in diese Befragung waren: Abhängigkeit von mindestens einer illegalen psychotropen Substanz und die Teilnahme an einer (teil-)stationären qualifizierten Entzugsbehandlung. Ausschlusskriterien waren: Analphabetismus, zu geringe Kenntnisse der deutschen Sprache, schwerwiegende kognitive Defizite, somatische Erkrankungen, eine akute Psychose sowie eine Behandlung nur zur Beigebrauchsentgiftung. Ob die Patienten diese Kriterien erfüllten, beurteilte das behandelnde Personal. In die empirischen Prüfungen der TCU-MS-d wurden dann die Daten von 664 (66.3%) Patienten einbezogen (Analysestichprobe). Gründe für den Ausschluss der Daten der übrigen Patienten (Ausschlussstichprobe) waren widersprüchliche Angaben in den Patientendokumentationen, nicht bearbeitete Fragebogen, zu viele fehlende Werte im beantworteten Bogen sowie fehlende Angaben zu Variablen, die in die Validitätsprüfungen der TCU-MS-d einbezogen werden sollten: Alter, Geschlecht, eindeutige Angaben zum Behandlungsergebnis, Staatsangehörigkeit, Angaben über Pläne für eine Anschlussbehandlung und Angaben über einen erfolgreichen Übergang in eine weitere Behandlung (siehe Abbildung 1). Sie wurden mit einem eigens für diese Untersuchung zusammengestellten Dokumentationsbogen zum Behandlungsverlauf erfasst.

     

    Abbildung 1. Gründe für den Fallausschluss von Patienten

     

    Nach einem Vergleich der Daten der Analyse- und Ausschlussstichprobe waren Patienten der Analysestichprobe häufiger Kokain  Gelegenheitskonsumenten, verblieben länger in Behandlung und schlossen diese auch häufiger erfolgreich ab als Patienten der Ausschlussstichprobe. (siehe Tabelle 2)

     

    Tabelle 2

    Signifikante Unterschiede zwischen der Analyse- und der Ausschlussstichprobe

     

    Variable                        

    N

    c²

    df

    p

    Abbruch gegen ärztlichen Rat    

    967

    7.67

    2

    .02

    Disziplinarische Entlassung     

    951

    9.78

    1

    .00

    Entzugsstatus bei Entlassung    

    972

    8.86

    1

    .00

    In Anschlussbehandlung entlassen

    969

    9.67

    1

    .00

    Kokainkonsum                    

    1000

    8.11

    3

    .04

    Anmerkung. Dauer der Behandlung: t(978) = -4,58; p = .000 (Mittelwerte: 14.54 vs. 17.49)

     

    19% der Patienten der Analysestichprobe waren weiblich. Das Durchschnittsalter der Stichprobe betrug 30.5 Jahre (SD = 7.42). Weitere Merkmale zur Charakterisierung der Analysestichprobe liegen im Anhang in Tabelle A1 vor.

     

    Durchführung der Studie

    Das behandelnde Personal der 12 beteiligten Kliniken wurde angewiesen, den TCU-MS-d Fragebogen in der ersten Woche von ihren Patienten ausfüllen zu lassen. Eine Standardisierung der Untersuchungssituation konnte wegen der praktischen Gegebenheiten nicht gewährleistet werden: Zum einen unterschieden sich die Aufnahmeroutinen der einzelnen Kliniken zum Teil stark. Zum anderen waren wie erwartet nicht alle Patienten während des Aufnahmegesprächs in der Lage, einen Fragebogen zu bearbeiten, u.a. weil sie zu stark intoxikiert waren oder zu starke Entzugserscheinungen hatten. Der für diese Untersuchung zusammengestellte Dokumentationsbogen zum Behandlungsverlauf wurde für jeden Patienten nach Beendigung seiner Behandlung durch den/die behandelnde(n) Arzt/Ärztin oder Psychologen/Psychologin ausgefüllt.

     

    Variablen und Auswertungsmethode

    Die Prüfung der psychometrischen Eigenschaften der Items der TCU-MS-d erfolgte mit konfirmatorischen Mess- und Strukturmodellen. Dabei wurde auch ermittelt, inwieweit die Items zum externen Druck eine vierte, semantisch kohärente Subskala bilden, die eine entsprechende, von den übrigen Konstrukten separierbare Facette der Behandlungsmotivation erfasst oder aber ob sie als weitere Indikatoren von Problemerkennungsprozessen anzusehen sind. Die Dimensionalität der Items wurde zunächst für jede potentielle Subskala mit gesonderten Messmodellanalysen ermittelt. Gerichtete Beziehungen zwischen diesen und ihre Zusammenhänge mit Variablen zum Behandlungserfolg sowie dem Alter, dem Geschlecht, der Staatsangehörigkeit der Patienten und den Angaben des Behandlungspersonals über konkrete Vorbereitungen einer Anschlussbehandlung wurden in weiteren Analyseschritten mit Strukturmodellen analysiert. Die Antworten zu den Items der TCU-MS-d sind ordinalskaliert, eine Reihe von ihnen ist zudem zum Teil extrem schief verteilt. Deshalb wurden alle geschilderten Analysen mit Modellen für nicht kontinuierlich verteilte manifeste Indikatoren durchgeführt. Herangezogen wurde dafür Mplus (4.21, Muthèn & Muthèn, 1998-2007).

    Dieses seit 1998 zur Verfügung stehende Programm integriert Verfahren für die Analyse normalverteilter Daten aus der Strukturgleichungsmodellierung (SEM; zsf. Bollen, 1989, 2002; Bentler & Dudgeon, 1996; Jöreskog, 1973) mit solchen, die in der Item-Response Theorie (IRT) bzw. der probabilistischen Testtheorie speziell für die Analyse binärer und später auch kategorialer Variablen entwickelt wurden (Lord & Novick, 1968; Embretson & Reise, 2000, Rost, 1996). Die in den hier berichteten Auswertungen mit Mplus durchgeführten sogenannten explorativen Faktorenanalysen der dichotomisierten Daten entsprechen formal Analysen eines zwei Parameter Normalkurven IRT Modells (two parameter normal ogive model). Alle sogenannten konfirmatorischen Analysen kombinieren spezifische Vorteile, die die beiden genannten, bislang weitgehend parallel oder sogar in Konkurrenz entwickelten Ansätze für eine empirisch gestützte Prüfung der psychometrischen Güte sozialwissenschaftlicher Erhebungsinstrumente unter Rückgriff auf Mess- und Strukturmodelle mit latenten Variablen bieten (zsf. Glöckner-Rist & Hoijtink, 2003).

    Sogenannte konfirmatorische Mess- und Strukturmodellanalysen ermöglichen a) die Prüfung und eventuelle Modifikation von Annahmen, wie z.B. von normalverteilten und unkorrelierten Residuenvarianzen, die sogenannte explorative Dimensions- und Itemanalysen in der Tradition der klassischen Testtheorie axiomatisch voraussetzen. Zusätzlich erlauben sie b) die Testung weiterer Annahmen, z.B. über eine Einfachstrukturierung von Dimensionen bzw. Indikatoren, eine mögliche subgruppenspezifische Beantwortung ect.. Schließlich gestatten nur sie c) eine simultane modellbasierte Reliabilitäts- und Validitätsprüfung unter Einbezug aller relevanten Konstrukte und ihrer Indikatoren. Die psychometrischen Eigenschaften der Kurzformen müssen aber bei einer Anwendung in weiteren Untersuchungen auf jeden Fall erneut geprüft werden, da die Items in Folgestudien mit besser geeigneten abgestuften oder binären Antwortformaten vorgegeben werden sollten und die inhaltliche Plausibilität der konfirmatorischen Analysen unter Rückgriff auf weitere Daten erneut getestet werden sollte.

    Die Daten wurden für die Analysen folgendermaßen aufbereitet:

    1.     Die Daten von Patienten mit mehr als 30% fehlender Antworten waren von vorneherein aus allen Analysen ausgeschlossen worden (Wirtz, 2004). Die Ersetzung fehlender Werte für die einbezogenen 664 Patienten erfolgte mit einem von Mplus zur Verfügung gestellten Imputationsverfahren (vgl. Muthén & Muthén, 1998 - 2007).

    2.     Die Antwortverteilungen für mehrere Items sind  wie erwähnt - zum Teil extrem schief. Um eine dadurch mögliche Verzerrung der Schätzung von c²-basierten Modellanpassungsindizes zu vermeiden, wurden Antworthäufigkeiten benachbarter Antwortkategorien so zusammengefasst, dass alle in den Analysen berücksichtigten Antwortabstufungen mit mindestens 5% der Befragten besetzt waren. In den meisten Fällen mussten dafür lediglich die Antworthäufigkeiten für zwei oder drei Antwortkategorien aufsummiert werden. Ein Item wurde jedoch dichotomisiert. Daraus ist aber nicht abzuleiten, dass das Antwortformat der TCU-MS-d prinzipiell abgeändert werden sollte. Die hier untersuchte Stichprobe setzt sich aus Patienten aus nur einer Behandlungsform - dem qualifizierten Entzug - zusammen. Andere Patientengruppen könnten Items, die unsere Stichprobe nur eingeschränkt variierend beantworteten, durchaus differenzierter und variabler beurteilen.

     

    Itemanalysen

    Dimensionalitätsprüfungen der ursprünglich vier TCU-MS-d Itembatterien mit jeweils gesonderten konfirmatorischen Messmodellanalysen wurden zur Beantwortung folgender Fragen durchgeführt:

    a)     Können die von Simpson und Joe (1993) erstmals identifizierten faktoriellen Strukturierungen der Antworten zu den Items zur Problemerkennung, zum Hilfebedürfnis und zur Behandlungsbereitschaft für die deutsche Version repliziert werden?

    b)     Inwieweit indizieren die Antworten zu den sechs Items, die nach Knight et al. (1994) externen Druck erfassen sollen, Konstrukteinflüsse und sprechen sie dabei eigene Behandlungsmotivationsprozesse an?

    c)     Lassen sich die Antworten zu Items, die externen Druck erfassen sollen, besser als Facetten des Problemerkennungsprozesses beschreiben?

    Die wichtigsten Ergebnisse der entsprechenden Analysen lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:

     

    1. Problemerkennung und externer Druck

    a)     Itembatterie zur Problemerkennung

    Ein in vorausgegangenen Arbeiten gefundenes zweidimensionales Modell mit den beiden Faktoren allgemeine und spezifische Probleme/Konflikte aufgrund von Drogenkonsum (c²= 66.0, df = 22, 664, CFI = .95, TLI = .96, RMSEA = .05) passt besser zu den Daten als ein eindimensionales Modell (c² = 93.8, df = 23, 664, CFI = .92, TLI = .94, RMSEA = .07). Es weist aber immer noch eine substantielle Assoziation der Residuen der Items 29 (Wegen Drogenkonsums Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren oder Arbeit nachzugehen) und 49 (Schwierigkeiten, Job zu finden oder zu behalten, wegen Drogen). Ihre Setzung verbessert die Modellpassung nochmals (c² = 43.4, df = 21, 664, CFI = .98, TLI = .98, RMSEA = .04). Wird sie in Form einer dritten latenten Variable (LV) modelliert (siehe Abbildung 2), korrelieren beide Items substantiell nur noch mit dieser Dimension, die als beeinträchtigte Arbeits- oder Berufsfähigkeit wegen Drogenkonsums interpretiert werden kann. Die Antworten zu den Items zur Problemerkennung werden also offensichtlich nicht nur durch zwei, sondern durch drei Dimensionen systematisch beeinflusst.

     

    Abbildung 2. Modell der Itembatterie zur Problemerkennung

     

    b)     Items zu externem Druck

    Ein Messmodell, das zwei LV mit jeweils drei Indikatoren spezifiziert (siehe Abbildung 3), erklärt die Kovarianzen der Antworten zu den sechs Items zu externem Druck zwar zufriedenstellend (c² = 16.9, df = 6, 664, CFI = .99, TLI = .98, RMSEA = .05) und deutlich besser als ein eindimensionales Modell (c² = 43.9, df = 8, 664, CFI = .96, TLI = .96, RMSEA = .08). Die beiden LV könnten als Abwendung negativer Sanktionen und Vermeidung negativer Konsequenzen interpretiert werden. Die zweite LV korreliert mit ihren drei Indikatoren jedoch durchgängig niedrig, und nach einer Faktorladung von .23 mit einem Item unzureichend (67: Ernsthafte gesundheitliche Probleme wegen Drogenkonsums).

    Werden diese Items wegen ihrer semantischen Ähnlichkeit deshalb

     

    Abbildung 3. Modell der Itembatterie zu externem Druck

     

    c)     mit denen zur Problemerkennung in ein Messmodell integriert (siehe Abbildung 4), ordnen sie sich gemeinsam und durchmischt mit diesen fünf Dimensionen zu (c² = 137.5, df = 50, 664, CFI = .97, TLI = .98, RMSEA = .05), von denen eine allgemeine Probleme/Beeinträchtigung aufgrund von Drogenkonsum repräsentiert und vier weitere spezifische mit Drogenkonsum assoziierte Problem- und Konfliktprozesse: Konflikte mit dem Gesetz, beeinträchtigte Arbeits- oder Berufsfähigkeit sowie Gesundheit und Konflikte mit wichtigen Sozialpartnern (Familie, Freunde). Eine weitere Verbesserung dieses Modells (c² = 118.1, df = 50, 664, CFI = .98, TLI = .98, RMSEA = .04) kann durch folgende Spezifikationen erzielt werden:

    -       Wenn Angst vor Gesetzeskonflikten (Item 17) nicht nur als mit dem Faktor Gesetzeskonflikte, sondern auch mit dem Faktor Konflikte mit Sozialpartnern assoziiert, modelliert wird. Dadurch sinkt seine Korrelation mit dem ersten Faktor von .62 auf .21.

    -       Wenn eine direkte funktionale Abhängigkeit (.27) der Items 23 und 49 zugelassen wird, nach der Schwierigkeiten, einen Job zu finden oder zu behalten, die Wahrscheinlichkeit erhöhen, Gesetzeskonflikte wegen Drogenkonsum zu befürchten bzw. zu haben.

    -       Wenn eine direkte positive Beeinflussung (.30) der Ausprägung auf der Dimension Gesundheitsbeeinträchtigungen auf die Zustimmung zu Item 93 (Wenn Ich nicht bald aufhöre, wird mein Drogenkonsum mich umbringen) berücksichtigt wird.

     

    Abbildung 4. Messmodell der Items zu externem Druck und Problemerkennung

     

    2. Hilfebedürfnis

    Ein eindimensionales Modell erklärt die Kovarianzen der sechs Items zum Hilfebedürfnis nicht zufriedenstellend (c² = 35.2, df = 4, 664, CFI = .96, TLI = .93, RMSEA = .11). Ersichtlich aus einer Faktorladung von .28 ordnet sich insbesondere Item 26 (Um meine Drogenprobleme zu lösen, gebe ich meinen Freundes- und Bekanntenkreis auf) nicht mit den übrigen Items einer Hilfebedürfnisdimension zu. Nach seinem Ausschluss verbessert sich die Anpassung des Messmodells für die übrigen Items zum Hilfebedürfnis. Wegen dieser geringen formalen Validität wurden die Antworten zu Item 25 in weiteren Analysen nicht mehr berücksichtigt. Eine gute Modellpassung (c² = 2.6, df = 3, 664, CFI = 1.00, TLI = 1.00, RMSEA = .00) wird jedoch für die Beantwortung der fünf verbleibenden Items nur dann erzielt, wenn eine substantielle Korrelation (.34) der Residuen der Items 59 (Genug von meinen Drogenproblemen) und 84 (Will mein Leben wieder in den Griff bekommen) explizit modelliert wird (siehe Abbildung 5).

     

    Abbildung 5. Eindimensionales Modell der Itembatterie zu Hilfebedürfnis

     

    Ihre Berücksichtigung in Form eines weiteren Faktors führt dazu, dass diese beiden Items substantiell nur noch mit diesem assoziiert sind. Die Antworten zu den Items zum Hilfebedürfnis werden also offensichtlich durch zwei Dimensionen beeinflusst, die ein passives vs. aktives Hilfestreben repräsentieren (siehe Abbildung 6)

     

    Abbildung 6. Zweidimensionales Modell der Itembatterie zu Hilfebedürfnis

     

    3. Behandlungsbereitschaft

    Ein eindimensionales Modell erklärt die Kovariationen der Antworten zu den Items zur Behandlungsbereitschaft nicht ausreichend (c² = 246.7, df = 16, 664, CFI = .77, TLI = .76, RMSEA = .15). Ein in Übereinstimmung mit Hinweisen aus vorausgegangenen Studien (De Weert-Van Oene et al., 2002; Knight et al., 1994) spezifiziertes zweidimensionales Modell ist demgegenüber mit den Daten vereinbar. Erforderlich ist dazu aber, dass die Annahme unkorrelierter Residuen für mehrere Items aufgegeben wird (c² = 40.8, df = 12, 664, CFI = .97, TLI = .96, RMSEA = .06). Die beiden Dimensionen dieses Modells können als Behandlungswiderstände (extrinsische Motivation) und positive Behandlungserwartungen (intrinsische Motivation) interpretiert werden. Nach den substantiellen Residuenkorrelationen wird die Beantwortung dieser Items jedoch noch durch weitere, nicht im Modell berücksichtigte Faktoren systematisch mit beeinflusst. Eine erste Residuenkorrelation (-.24) zwischen den Items 37 (Diese Behandlung kann mir wirklich helfen) und 11 (Diese Art von Behandlung wird mir nicht viel weiterhelfen) ist offensichtlich nur darauf zurückzuführen, dass beide Items lediglich als Antonyme formuliert sind. Der Ausschluss eines dieser semantisch redundanten Items (Item 11) führt nicht zu einer Verschlechterung der Modellpassung. Seine Beantwortungen wurden deshalb in folgenden Analysen nicht mehr berücksichtigt.

    An den drei übrigen Residuenkorrelationen (.19 - .26) sind jeweils die Items 5 (Habe vor, länger in Behandlung zu bleiben) und 10 (Diese Behandlung könnte letzte Chance sein, Drogenprobleme in den Griff zu bekommen) beteiligt, die nach Faktorladungen < .40 beide deutlich geringer als die übrigen Items mit der Dimension positive Behandlungserwartung assoziiert sind. Ihre Beantwortung spiegelt danach spezifische Einflüsse anderer dominanter Einflussdimensionen wieder. Ihr Ausschluss führt zudem zu einer Verbesserung der Modellpassung. Akzeptiert wurde deshalb ein zweidimensionales Modell (siehe Abbildung 7) zur Behandlungsbereitschaft mit zwei Items zur Erfassung positiver Behandlungserwartung und drei Items zur Erfassung von Gründen, die einer Behandlung entgegenstehen (c² = 3.8, df = 4, 664, CFI = 1.00, TLI = 1.00, RMSEA = .00). Die Items dieser beiden Dimensionen unterscheiden sich semantisch deutlich. Danach ist es wenig wahrscheinlich, dass die beiden identifizierten Dimensionen dieses Modells lediglich die unterschiedliche Polung ihrer Indikatoren repräsentieren.

     

    Abbildung 7. Modell der Itembatterie zur Behandlungsbereitschaft

     

    Itemkennwerte

    Zur Beurteilung der formalen Validität und der Reliabilität der TCU-MS-d Items werden die Faktorladungen nach getrennten Messmodellanalysen für die Items zur Problemerkennung (siehe Abbildung 4), einschließlich derer zum externen Druck nach Knight et al. (1994) berichtet, sowie die Faktorladungen für die Items zum Hilfebedürfnis (siehe Abbildung 6) und zur Behandlungsbereitschaft (siehe Abbildung 7).

     

     

    Reliabilität

    Zur Beurteilung der formalen Validität und der Reliabilität der TCU-MS-d Items werden die Faktorladungen nach getrennten Messmodellanalysen für die Items zur Problemerkennung (siehe Abbildung 4), einschließlich derer zum externen Druck nach Knight et al. (1994) berichtet, sowie die Faktorladungen für die Items zum Hilfebedürfnis (siehe Abbildung 6) und zur Behandlungsbereitschaft (siehe Abbildung 7).

     

    Validität

    Zur Prüfung der Konstruktvalidität und der prädiktiven Validität wurden die Messmodelle zu den einzelnen Dimensionen der Behandlungsmotivation in ein Strukturmodell integriert und zur Vorhersage eines binär kodierten Behandlungserfolgs (regulärer Abschluss und in Behandlung entlassen: Ja = 1 vs. Nein = 0; link) herangezogen. Potentielle Einflüsse des Alters, des Geschlechts oder der Staatsangehörigkeit der Befragten auf ihre Beantwortung der TCU-MS Items wurden durch einen Einbezug dieser Variablen als Kovariate geprüft. Die wichtigsten Ergebnisse nach einem abschließend akzeptierten Modell, welches in Abbildung 8 zu sehen ist (c² = 380.7, df = 129, 664, CFI = .93, TLI = .94, RMSEA = .05) lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:

     

    Abbildung 8. Abschließend akzeptiertes Messmodell

     

    Konstruktvalidität:

    Mit der Wahrscheinlichkeit von Gesetzeskonflikten nehmen auch die Wahrscheinlichkeiten zu, Konflikte mit Sozialpartnern wahrzunehmen und Einschränkungen der Arbeits- und Berufsfähigkeit zu berichten. Letztere fördern ihrerseits die Wahrscheinlichkeit, dass als Konsequenzen des eigenen Drogenkonsums gesundheitliche Beeinträchtigungen auftreten sowie allgemeine Probleme/Beeinträchtigungen, die ihrerseits die Wahrscheinlichkeit erhöhen, Konflikte mit Sozialpartnern zu haben.

    Wie nach dem transtheoretischen Modell (Prochaska & DiClemente, 1986) zu erwarten, fördern allgemeine Probleme/Erwartungen zudem ein aktives und passives Bedürfnis nach Hilfe. Ein aktives Hilfebedürfnis reduziert seinerseits die Wahrscheinlichkeit, dass gegen eine Behandlung sprechende Gründe angeführt werden, und fördert positive Behandlungserwartungen. Ein passives Hilfebedürfnis beeinflusst demgegenüber nur die Wahrscheinlichkeit, mit der Hinderungsgründe wahrgenommen bzw. angeführt werden, und zwar positiv. Gesetzeskonflikte reduzieren zudem ein aktives Hilfebedürfnis und Konflikte mit Sozialpartnern erhöhen die Wahrscheinlichkeit (.39), dass Hinderungsgründe für die Teilnahme an einer Behandlung angeführt werden.

    Die Ausprägungen auf keiner der TCU-MS-d Dimensionen variieren systematisch mit der Staatsangehörigkeit. Allgemeine Beschränkungen/Probleme wegen Drogenkonsums, eingeschränkte Arbeits- und Berufsfähigkeit sowie ein aktives und passives Hilfebedürfnis werden auch nicht systematisch durch das Alter oder das Geschlecht der Befragten beeinflusst. Konflikte mit dem Gesetz bejahen weibliche Drogenabhängige jedoch seltener als männliche (-.15). Das Umgekehrte gilt für gesundheitliche Einschränkungen wegen Drogenkonsums (.10), die zudem ältere Patienten häufiger berichten als jüngere (.15). Konflikte mit Sozialpartnern sind für sie jedoch umgekehrt wahrscheinlicher als für ältere Patienten (-.23), ebenso positive Behandlungserwartungen (-.14).

     

    Prädiktive Validität:

    Ein regulärer Behandlungsabschluss wird umso wahrscheinlicher erzielt, je stärker ein passives Hilfebedürfnis ist, je wahrscheinlicher Gesetzeskonflikte sind und je positiver die Erwartungen an und je weniger ausgeprägt Widerstände gegen eine Behandlung sind. Er ist jedoch umso weniger wahrscheinlich, je stärker allgemeine Beschränkungen/Probleme wegen Drogenkonsums zugestanden werden und je stärker ausgeprägt ein aktives Hilfebedürfnis ist. Diese beiden zunächst paradox erscheinenden Beobachtungen könnten jedoch auf unbeobachtete Populationsheterogenität zurückzuführen sein: Allgemeine Beschränkungen/Probleme wegen Drogenkonsums und ein aktives Hilfebedürfnis sind über ihre Beziehungen untereinander und mit den beiden Dimensionen der Behandlungsbereitschaft indirekt in derselben Richtung mit dem Erzielen eines regulären Behandlungsergebnisses verbunden wie die übrigen Behandlungsmotivationsfacetten. Die diesen entgegengesetzten direkten Effekte sind deshalb mit großer Wahrscheinlichkeit darauf zurückzuführen, dass es eine Subgruppe von Patienten gibt, die sich nicht nur zu Beginn einer Entzugsbehandlung stark durch ihren Drogenkonsum belastet fühlen und diese Belastung nicht länger tolerieren wollen, sondern die dann auch die Belastung durch den Entzug so stark empfinden, dass sie die Behandlung lieber abbrechen als sie durchstehen wollen. Wenn diese Annahme in weiterführenden Analysen mit dafür geeigneten Latent Class Modellen bestätigt werden könnte, wäre daraus für die Praxis abzuleiten, dass die Selbstwirksamkeit solcher Patienten bereits in einer Entzugsbehandlung gezielt gestärkt werden sollte, um sie zum Durchhalten der Behandlung zu motivieren.

    Der Einsatz der TCU-MS-d zur Untersuchung von Forschungsfragen kann aufgrund der hier berichteten Ergebnisse zu ihren psychometrischen Eigenschaften zwar empfohlen werden. Die Ergebnisse selbst sind jedoch nur eingeschränkt generalisierbar: Die Daten von ca. 40% der Befragten der Gesamtstichprobe mussten aus den Analysen ausgeschlossen werden, weil sie den Untersuchungsfragebogen nicht oder zu unvollständig bearbeitet hatten. Diese Patienten waren seltener Kokain Gelegenheitskonsumenten, verblieben kürzer in Behandlung und schlossen diese seltener erfolgreich ab als die Patienten der Analysestichprobe. Die Varianz u.a. auch der Variablen zum Behandlungsergebnis ist also in der Analysestichprobe eingeschränkt. Die Antworten zu mehreren Items waren in dieser ebenfalls zum Teil sehr schief verteilt. Schließlich wurden nur Patienten am Anfang einer qualifizierten Entzugsbehandlung befragt und darüber hinaus überwiegend Patienten mit der Diagnose einer Opiatabhängigkeit. Die psychometrischen Eigenschaften der TCU-MS-d sollten also unbedingt mit den Daten aus einer heterogeneren Stichprobe erneut geprüft werden. Dabei sollte insbesondere darauf geachtet werden, dass sich diese in Bezug auf substanzbezogene Diagnosen (Alkohol, Nikotin, illegale Drogen) und Behandlungsmodalitäten (Beratungsstelle, Entzug, Entwöhnung, Substitution) hinreichend unterscheidet.

    Unsere Beobachtungen legen nahe, dass mit den TCU-MS-d Antwortprofilen eventuell nicht beobachtete Patientengruppen identifiziert werden können, für die unterschiedliche Behandlungsergebnisse wahrscheinlich sind. Dies wäre praktisch bedeutsam, da für diese weiterführend eventuell alternative therapeutische Angebote entwickelt werden könnten. Eine Analyse der TCU-MS-d Antworten unter Rückgriff auf Latent Class Modelle wird deshalb empfohlen.

    In einer potentiellen Weiterentwicklung der Skala sollte zudem eine klarere Trennung zwischen Konstruktindikatoren und Tatsachenbeschreibungen angestrebt werden.

     

    Deskriptive Statistiken (Normierung)

    Angaben zu den Antworthäufigkeiten und -verteilungen der Items liegen in Tabelle 4 vor. Die zum Teil schiefen Antwortverteilungen, und daraus ersichtliche eingeschränkte Antwortvarianzen für mehrere Items, sind mit hoher Wahrscheinlichkeit vorrangig darauf zurückzuführen, dass die hier untersuchte Stichprobe nur Patienten mit der Hauptdiagnose Drogenabhängigkeit (illegale Drogen, überwiegend Opiate) umfasste, die zudem alle am Beginn eines qualifizierten Entzugs befragt wurden. In anderen Untersuchungen mit heterogeneren Patientengruppen variierten die Antworten zu diesen Items deutlich stärker (Knight et al., 1994; De Weert-Van Oene et al., 2002). Das 5-stufige Antwortformat sollte deshalb für alle Items beibehalten werden.

     

    Tabelle 4

    Antwortverteilungen (%) sowie mittlere Antworthäufigkeiten (M) und Standardabweichungen (SD) für die Items, sortiert nach ihrer ursprünglichen Skalenzuordnung

     

    Problemerkennung

     

    1

    2

    3

    4

    5

    M

    SD

    1

    .8

    .6

    7.6

    17.8

    73.0

    4.62

    .72

    12

    1.2

    .9

    5.5

    13.8

    78.7

    4.68

    .72

    23

    9.0

    7.0

    17.6

    24.6

    41.6

    3.38

    1.28

    29

    8.6

    10.5

    25.0

    26.4

    29.4

    3.58

    1.25

    44

    9.7

    8.6

    27.6

    26.7

    27.3

    3.53

    1.25

    49

    11.6

    8.6

    21.2

    24.5

    34.0

    3.61

    1.34

    58

    13.4

    13.4

    23.6

    22.7

    28.0

    3.38

    1.36

    80

    1.5

    1.2

    13.2

    33.2

    50.8

    4.31

    .86

    93

    7.1

    6.9

    20.3

    24.2

    41.5

    3.86

    1.22

    (Externer Druck)

    7

    11.8

    4.3

    15.1

    19.7

    49.2

    3.90

    1.36

    17

    9.4

    7.9

    20.0

    24.5

    38.2

    3.74

    1.30

    30

    53.3

    19.8

    17.2

    5.3

    4.4

    1.88

    1.34

    34

    45.4

    9.9

    14.6

    9.7

    20.4

    2.49

    1.60

    67

    28.3

    19.9

    16.5

    14.9

    20.4

    2.79

    1.49

    90

    58.1

    12.9

    16.3

    5.6

    7.1

    1.91

    1.26

    Hilfebedürfnis

     

    1

    2

    3

    4

    5

    M

    SD

    2

    .9

    1.7

    10.6

    24.4

    62.4

    4.46

    .82

    20

    2.1

    4.6

    16.4

    25.3

    51.6

    4.20

    1.01

    26

    1.0

    8.4

    32.4

    20.5

    27.7

    3.45

    1.28

    45

    4.5

    6.3

    25.5

    28.6

    35.1

    3.83

    1.11

    59

    .3

    .8

    5.3

    21.7

    71.9

    4.64

    .65

    84

    .9

    .5

    1.2

    11.4

    86.0

    4.81

    .56

    Behandlungsbereitschaft

    5

    12.7

    9.8

    19.0

    21.1

    37.5

    3.61

    1.40

    10

    9.0

    8.0

    17.0

    27.9

    38.1

    3.78

    1.28

    11

    56.9

    22.6

    11.7

    4.8

    3.9

    1.76

    1.09

    37

    1.3

    1.8

    13.7

    34.8

    48.4

    4.27

    .85

    38

    2.0

    2.0

    10.5

    22.1

    63.4

    4.43

    .90

    57

    44.0

    32.7

    14.9

    4.5

    3.8

    1.91

    1.05

    62

    73.9

    13.7

    9.4

    1.3

    1.7

    1.43

    .84

    91

    52.3

    25.3

    17.0

    3.5

    1.9

    1.79

    .97

     

    Anmerkung. in blau: zusammengefasste Antwortkategorien; durchgestrichen: aufgrund der Analysen eliminierte Items


     

    • Dipl. Psych. Angela Buchholz, Wilhelms-Universität Münster, Psychologisches Institut I, Fliednerstr. 21, 48194 Münster. E-Mail: angela.buchholz@uni-muenster.de 
    • GESIS- Leibniz- Institut für Sozialwissenschaften, PO 12 21 55, 68072 Mannheim, E-Mail: zis@gesis.org
    • Dr. med. Norbert Scherbaum, Klinik für abhängiges Verhalten und Suchtmedzin, Rheinische Kliniken Essen, Virchowstr. 174, 45147 Essen, E-Mail: norbert.scherbaum@uni-essen.de,  Tel : +49 (201) 7227-180.
    • Dipl. Psych. Prof. Dr. Fred Rist, Wilhelms-Universität Münster, Psychologisches Institut I, Fliednerstr. 21, 48194 Münster. E-Mail: rist@uni-muenster.de,